Mit dem Umweltkasper nach Afghanistan
Umweltliebe, sparsamer Umgang mit Energie und Mülltrennung - das lernen unsere Kleinen schon im Kindergarten. Ob das alles Sinn macht, spielt dabei längst keine Rolle mehr. Es geht um die gute Tat und das Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen, meint der Journalist Tiemo Rink.
Es dürfte Anfang der 90er-Jahre gewesen sein, als in einem schleswig-holsteinischen Dorf in der Nähe von Kiel zum ersten Mal eine Art schwarz-grüne Koalition beschlossen wurde. Beim wenig später folgenden Kinderfasching, eine Veranstaltung, die in den Norden in etwa so gut passt wie Wikingerfestspiele nach Oberammergau, verkleideten die ansässigen Bauern ihre Kinder wie üblich als Cowboys. Das hatte sich in der Vergangenheit als lohnenswerte Strategie erwiesen, um den Preis für das schönste Kostüm zu erringen, paarte sich doch hier ländliche Verbundenheit ideal mit der Freude an Schusswaffen.
Doch dieses Jahr war alles anders. Als die Kinder vor der Jury des CDU-Ortsverbandes paradierten, gewann ein kleiner Junge, den seine Mutter in einen gelben Sack gehüllt hatte, an dem ausgewaschene Joghurtbecher, Alufolie und Plastikpackungen klebten. Der Junge war ich. Angetreten als eine Art trojanische Mülltonne und Verkünder eines neuen Zeitgeistes. Es war ein Triumph, vor allem für meine Mutter. Mülltrennung war plötzlich schwer angesagt – und ist es bis heute geblieben. Warum nur?
Beim Umgang mit dem eigenen Unrat bricht hierzulande Sammelleidenschaft aus. Es ist die Freude am Sortieren. "Ich trenne meinen Müll", antworten zwei Drittel aller Deutschen auf die Frage, was sie für die Umwelt tun. Ob das was bringt, beispielsweise weniger Müll durch kleinere oder leichtere Verpackungen, spielt dabei kaum eine Rolle. Was zählt, ist das schöne Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen. Und dennoch: Irritationen bleiben nicht aus.
Zum Beispiel in Tübingen, einer Art grüner Hölle im Schwäbischen, seit 2007 fest in der Hand emsiger Umweltschützer. Wer hier wohnt, unterscheidet zwischen Katzenkot, der in den Restmüll gehört, und Kaninchenkot, einem Fall für die Biotonne.
Es wäre billig zu behaupten, der Trennungsfanatismus steige, je größer die Wahlerfolge der Grünen ausfallen. Im ganzen Land lassen sich erschütternde Szenen beobachten. Zum Wochenende hin werden Wertstoffhöfe von Familienvätern überrannt, die ihren Unrat paritätisch auf verschiedene Tonnen verteilen. Der Grund ist klar: Je geringer der Anteil an Müll, der auf klassische Weise in heimische Mülltonnen wandert, desto geringer fallen auch die alljährlichen Gebühren aus.
Wie viel Geld der Einzelne durchs Mülltrennen aber tatsächlich spart, sei dahingestellt. Denn die Kosten, die bei der Rücknahme jedes einzelnen Quarkbechers im gelben Sack entstehen, dürften die Hersteller schon im Laden auf den Preis aufgeschlagen haben.
So geht manche Stunde fürs Sortieren drauf, Verkehrsstau an den Einfahrten der Wertstoffhöfe inklusive, quengelnde Kinder auf dem Rücksitz sowieso. Die Kinder immerhin dürften in den meisten Fällen noch gut bedient sein, zumindest, solange sie nicht im Saarland leben. Denn hier arbeitet der Umweltkasper, ein Puppentheater und Erziehungsprogramm für Kinder, angesiedelt irgendwo zwischen Energiesparlampen und dem bösen Umwelt-Teufel. Es ist traurig, einerseits: Statt Spaß zu haben, müssen die Kleinen den Umweltkasper bei seinen Ermittlungen in einem Wertstoff-Zentrum begleiten.
Andererseits gilt auch hier: Früh übt sich, wer ein Meister werden will. Und zumindest für Auslandseinsätze bei der Bundeswehr wären die Kinder optimal vorbereitet. So wird zwar der in deutschen Militärcamps in Afghanistan anfallende Müll außerhalb der Kasernenmauern zusammengeschüttet. Was aber nicht bedeutet, dass die Soldaten innerhalb der Mauern nicht fleißig trennen würden. Die Begründung ist einfach: Die Soldaten sollen in Übung bleiben, teilt die Wehrverwaltung mit.
Wozu so ein Umweltkasper doch gut sein kann.
Tiemo Rink, Jahrgang 1981, studierte Politikwissenschaft in Marburg, Wien und Teramo/Italien. Er lebt und arbeitet als Journalist u.a. für den "Tagesspiegel" in Berlin.
Doch dieses Jahr war alles anders. Als die Kinder vor der Jury des CDU-Ortsverbandes paradierten, gewann ein kleiner Junge, den seine Mutter in einen gelben Sack gehüllt hatte, an dem ausgewaschene Joghurtbecher, Alufolie und Plastikpackungen klebten. Der Junge war ich. Angetreten als eine Art trojanische Mülltonne und Verkünder eines neuen Zeitgeistes. Es war ein Triumph, vor allem für meine Mutter. Mülltrennung war plötzlich schwer angesagt – und ist es bis heute geblieben. Warum nur?
Beim Umgang mit dem eigenen Unrat bricht hierzulande Sammelleidenschaft aus. Es ist die Freude am Sortieren. "Ich trenne meinen Müll", antworten zwei Drittel aller Deutschen auf die Frage, was sie für die Umwelt tun. Ob das was bringt, beispielsweise weniger Müll durch kleinere oder leichtere Verpackungen, spielt dabei kaum eine Rolle. Was zählt, ist das schöne Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen. Und dennoch: Irritationen bleiben nicht aus.
Zum Beispiel in Tübingen, einer Art grüner Hölle im Schwäbischen, seit 2007 fest in der Hand emsiger Umweltschützer. Wer hier wohnt, unterscheidet zwischen Katzenkot, der in den Restmüll gehört, und Kaninchenkot, einem Fall für die Biotonne.
Es wäre billig zu behaupten, der Trennungsfanatismus steige, je größer die Wahlerfolge der Grünen ausfallen. Im ganzen Land lassen sich erschütternde Szenen beobachten. Zum Wochenende hin werden Wertstoffhöfe von Familienvätern überrannt, die ihren Unrat paritätisch auf verschiedene Tonnen verteilen. Der Grund ist klar: Je geringer der Anteil an Müll, der auf klassische Weise in heimische Mülltonnen wandert, desto geringer fallen auch die alljährlichen Gebühren aus.
Wie viel Geld der Einzelne durchs Mülltrennen aber tatsächlich spart, sei dahingestellt. Denn die Kosten, die bei der Rücknahme jedes einzelnen Quarkbechers im gelben Sack entstehen, dürften die Hersteller schon im Laden auf den Preis aufgeschlagen haben.
So geht manche Stunde fürs Sortieren drauf, Verkehrsstau an den Einfahrten der Wertstoffhöfe inklusive, quengelnde Kinder auf dem Rücksitz sowieso. Die Kinder immerhin dürften in den meisten Fällen noch gut bedient sein, zumindest, solange sie nicht im Saarland leben. Denn hier arbeitet der Umweltkasper, ein Puppentheater und Erziehungsprogramm für Kinder, angesiedelt irgendwo zwischen Energiesparlampen und dem bösen Umwelt-Teufel. Es ist traurig, einerseits: Statt Spaß zu haben, müssen die Kleinen den Umweltkasper bei seinen Ermittlungen in einem Wertstoff-Zentrum begleiten.
Andererseits gilt auch hier: Früh übt sich, wer ein Meister werden will. Und zumindest für Auslandseinsätze bei der Bundeswehr wären die Kinder optimal vorbereitet. So wird zwar der in deutschen Militärcamps in Afghanistan anfallende Müll außerhalb der Kasernenmauern zusammengeschüttet. Was aber nicht bedeutet, dass die Soldaten innerhalb der Mauern nicht fleißig trennen würden. Die Begründung ist einfach: Die Soldaten sollen in Übung bleiben, teilt die Wehrverwaltung mit.
Wozu so ein Umweltkasper doch gut sein kann.
Tiemo Rink, Jahrgang 1981, studierte Politikwissenschaft in Marburg, Wien und Teramo/Italien. Er lebt und arbeitet als Journalist u.a. für den "Tagesspiegel" in Berlin.