Wenn schon Zerstörung, dann richtig
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Der Philosoph Eden Kupermintz erklärt auf der Digitalkonferenz re:publica, wie Heavy Metal dabei helfen könnte, die Auswirkungen des Klimawandels besser zu verstehen. Denn das Genre besingt schon seit Jahrzehnten die Apokalypse.
"Vor sechs Monaten habe ich den ‚IPCC-Klimabericht‘ gelesen, der im Wesentlichen sagt: ‚Das war’s, der Klimawandel passiert, egal, was wir dagegen tun.‘ Ich habe mich gefragt: Was kann ich dagegen tun? Und eine Sache ist, mehr darüber nachzudenken, mehr darüber zu reden. Und ich glaube, Metal kann dabei helfen."
Der Philosoph und Historiker Eden Kupermintz lebt in Tel Aviv und betreibt den Heavy-Metal-Blog "Heavy Blog Is Heavy". Kupermintz glaubt, Metal könne helfen, den Klimawandel und das Leben im Anthropozän, dem Zeitalter des Menschen, besser zu verstehen.
Mit Heavy Metal über die Zukunft nachdenken
"Wir müssen darüber nachdenken, wie wir über die Zukunft nachdenken. Wie geht es nach dem Klimawandel weiter? Kunst kann dabei helfen: Literatur, Malerei und bildende Kunst – aber eben auch Musik."
Und Metal, meint Kupermintz, sei prädestiniert, diese Vorstellungen einer Welt nach dem Klimawandel zu liefern. Das klingt erstmal schräg. Wenn man den Klimawandel aber als unumkehrbare Apokalypse ansieht, ist Metal ein ziemlich guter Soundtrack, der helfen könnte, etwas weniger Angst vor der Zukunft zu haben.
"Metal beschäftigt sich schon immer mit der Apokalypse, seit den 60er- und 70er-Jahren. Metal hat viele Ideen, etwa wie die Menschen arbeiten werden, wenn die Welt, wie wir sie kennen, nicht mehr existiert. Wie sieht das Ende der Welt überhaupt aus? Wer werden wir sein? Was ist eigentlich noch natürlich?"
Es geht um Kontrollverlust
Extrem schnelle Schlagzeugrhythmen, Endzeitstimmung, grölender Gesang. Bei Metal geht es um Kontrollverlust, darum, die Dinge einfach geschehen zu lassen. Mit Nachhaltigkeit hat das wenig zu tun. Wenn schon Atomkrieg und Zerstörung, dann doch bitte richtig, singen etwa Metallica in "Fight Fire With Fire".
"Schon der Titel ‚Fight Fire With Fire‘ ist eine Anspielung auf den Klimawandel. Aber wenn du hörst, wie schnell sie spielen, wie aggressiv, wie kraftvoll: Das ist genau die Energie, die wir gerade brauchen: Aktion! Entschlossenheit! Wut! Seid wütend auf die Leute, die uns das angetan haben!"
Konkreter wird die US-amerikanische Metal-Band Panopticon. Bei ihnen ist die Verbindung zum Naturschutz offensichtlicher. Ihre Lyrics handeln immer wieder von der Ausbeutung der Natur und wie der Kohleabbau die Böden zerstört.
So deutlich kritisieren aber nur wenige Metal-Songs die Zerstörung der Natur. Doch kein anderes Genre blickt so drastisch auf Tod, Vernichtung und Krieg. Kupermintz nennt das "a gaze that doesn’t flinch", einen Blick, der vor nichts zurückschreckt. Und mit diesem Blick ohne Angst können Ideen entstehen für die Zukunft der Menschheit. Diese unerschrockene Haltung könnte man kopieren, um das Problem des Klimawandels anzugehen.
"Metal zeigt, wie wir nach dem Klimawandel leben"
"Metal macht es möglich, über etwas nachzudenken, was wir uns jetzt noch nicht genau vorstellen können. Metal fragt: Wie werden wir nach dem Klimawandel leben? Werden wir wieder zu Nomaden, die herumwandern? Falls ja, wie könnte diese Gesellschaft aussehen? Oder sagen wir, um dem Klimawandel zu entgehen, verlassen wir einfach den Planeten. Wie sieht dann das Leben auf dem Mars aus? Wie leben wir dort? Oder wie leben wir in Raumschiffen?"
Eden Kupermintz Vortrag über Metal und Klimawandel ist Teil der "re:publica", einer Digitalkonferenz, die im Internet, in Algorithmen und Software, aber auch in der Kunst nach Wegen sucht, aktuelle Debatten neu und anders zu führen. Kupermintz erklärt plausibel, dass Metal helfen kann, besser mit der Klimakatastrophe umzugehen. Die Musik kann kathartisch wirken. Allerdings sind seine Thesen – vielleicht passend für einen Metal-Fan – ein bisschen großspurig. Bislang hat Metal keine wichtigen gesellschaftlichen Debatten angestoßen. Das tun momentan eher Hip-Hop oder Grime.