Mit muslimischen Kindern zur evangelischen Kita
Im Berliner Stadtteil Wedding hat sich die religiöse Zusammensetzung stark verändert: Christen sind in der Minderheit, zahlreiche muslimische Einwanderer sind hierhin gezogen, es gibt viele soziale und wirtschaftliche Probleme. Das alles kommt zusammen in der evangelischen Kita Stephanus - die auch von muslimischen und konfessionslosen Kindern besucht wird.
Kurz nach halb zehn in der Stephanuskirche in Berlin-Wedding: Pfarrer Michael Glatter hat sich mit den Kindern aus der Kita nebenan zur einer Andacht versammelt. Um den Tag mit Schwung zu beginnen, singen alle zusammen ein Lied. Jeden Montagmorgen startet die Woche in der Stephanus-Kita mit einer solchen christlichen Andacht. Für den 42 Jahre alten Glatter keine leichte Aufgabe. Einerseits will er den christlichen Glauben vermitteln, andererseits nicht aufdringlich sein. Viele der rund 80 Kinder stammen aus muslimischen Familien, andere sind religionslos, nur eine Handvoll ist protestantisch getauft. Glatter versucht, Gott so zu vermitteln, dass er allen Kindern, aber auch deren Eltern gerecht wird:
"Ich versuche sehr deutlich zu machen, dass Gott niemand ist, vor dem man sich fürchten muss, sondern dass Gott jemand ist, der Menschen lieb hat, der möchte, dass auch die Menschen untereinander freundlich sind, sich verzeihen und versöhnen, und eben nicht Krieg führen oder gewalttätig gegeneinander sind. Das versuche ich zu vermitteln, dass das eben nicht Gottes Wille ist für uns Menschen."
Glatter sucht vor allem die Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen, wie etwa die Vorstellung von Gott als Schöpfer der Erde. Komplizierter wird es, wenn der Pfarrer über Jesus Christus spricht. Jesus wird zwar im Koran erwähnt und ist auch im Islam ein Prophet - allerdings nur einer unter vielen. Die Muslime lehnen die Lehre ab, dass Jesus als Gottes Sohn geboren wurde. Glatter erzählt den Kindern von diesen unterschiedlichen Ansichten, ohne zu werten oder gar für den eigenen Glauben zu werben. Generell erwähnt er Jesus Christus als Gottes Sohn nur selten:
"Weil das zu großen Auseinandersetzungen führen würde. So kann ich mir das vorstellen, dass es zu Nachfragen führt. Und weil das für die Kinder vielleicht auch ein bisschen zu schwer zu verstehen ist. Also, ich versuche da einen Weg zu finden, das muss ich schon sagen, das ist möglicherweise meine eigene Bequemlichkeit, aber ich kann das auch so vertreten, dass ich ihnen genug von Gott erzählen kann und von Jesus erzählen kann, ohne auf diesen speziellen theologischen Aspekt zu viel Bedeutung zu legen."
Der Pfarrer weiß, dass er auf einem schmalen Grat wandert. Als Einknicken gegenüber dem Islam sieht er seine Zurückhaltung jedoch nicht. Die Kita sei nicht der Ort, um komplizierte theologische Streitfragen auszutragen, sagt Glatter.
"Da ist es mir wichtiger, weil ich weiß, dass die Kinder von Gott überhaupt keine Ahnung haben, wenn sie zu uns kommen, oder jedenfalls oft von Gott überhaupt keine Ahnung haben, dass sie überhaupt erst einmal ein Gespür dafür kriegen, ohne dass sie in so ein Wasser gestoßen werden, wo sie nicht schwimmen können und wo sie sich nicht orientieren können, möchte ich ihnen das sichere Land bieten und sagen, dass Gott jemand ist, der für sie da ist. Und dann, wenn wir sie in Gottesdienste einladen, die Gemeindegottesdienst sind, dann ist das natürlich auch noch mal eine andere Sache."
Trotz dieser Zurückhaltung: Glatter ist überzeugt, dass sehr religiöse muslimische Eltern ihre Kinder nicht in die Stephanus-Kita schicken, weil sie den engen Kontakt mit dem christlichen Glauben scheuen. So sind es vor allem gemäßigt gläubige Muslime, die den Kindergarten aussuchen. Einer von ihnen ist Hüseyin Eren, dessen Vater einst als Gastarbeiter aus der Türkei nach Berlin kam. Der 32 Jahre alte Eren ist Taxifahrer von Beruf. Er betet fünf Mal am Tag, freitags geht er in die Moschee. Jetzt holt er gerade sein Tochter Esma aus der Kita ab. Es sei wichtig, dass das Kind etwas über Gott lerne, sagt der Vater. Deshalb habe sich die Familie für eine christliche und gegen eine staatliche Kita entschieden:
"Dass es eine christliche Kirche ist, das stört mich nicht daher, weil der Prophet Jesus ja auch unser Prophet ist. Und daher ist für uns nicht verboten in die Kirche zu gehen oder zu besuchen. Damit haben wir keinerlei Probleme. Ich bin der Meinung, dass in der Kita nichts Schlechtes beigebracht wird, sondern da wird dann über die Menschlichkeit viel erzählt, über das Benehmen. Ich bin der Meinung, dass es nur im guten Sinne sein wird."
Hüseyin Eren hat auch schon einen christlichen Gottesdienst besucht, zu dem die Gemeinde Kinder und ihre Eltern immer wieder einlädt. Doch damit ist er als Muslim eine Ausnahme. An diesem Sonntag etwa feiert die Kita in der Stephanuskirche das Erntedankfest. Kinder und Eltern seien wie immer eingeladen, sagt Pfarrer Glatter, auch die muslimischen und religionslosen:
"Es ist allerdings so, dass unsere Erfahrung ist, auch wenn die Kinder eben etwas vorbereiten wie kleine Erntedankkörbe oder so, dass die Eltern sehr zurückhaltend sind, diese Einladung anzunehmen. Es gibt immer eine Handvoll, die kommen, eine Handvoll Kinder mit ihren Eltern, die kommen. Aber der große Teil bleibt lieber zu Hause. Bei den muslimischen Eltern, glaube ich, dass es oft auch die Entscheidung ist zu sagen: Ja, wir wollen, dass die Kinder etwas in der Kita hören über Gott, das ist keine Frage, aber wir wollen nicht in einen christlichen Gottesdienst gehen."
In der Kita selbst gehört der christliche Glauben zum Alltag. Die Erzieherinnen erzählen Geschichten aus der Bibel, vor dem Essen wird gebetet. Aber auch hier gilt: Keinem Kind wird der Glauben aufgedrängt, sagt Kita-Leiterin Christine Barsties:
"Wir zwingen keine Kinder zum Beten. Also wir haben auch Kinder, die nicht beten. Aber sie leben mit uns die christlichen Werte. Wir feiern die Feste, so wie sie christlich bestimmt sind. Das Martinsfest zum Beispiel. Bei uns kommt das Christkind zu Weihnachten. Die Kinder kennen die Nikolaus-Geschichte, sie wissen, wer Nikolaus war, dass er den armen Menschen geholfen hat, und das wissen die Kinder alles."
Generell hat die Kita mit sozialen Problemen zu kämpfen, die typisch für den Wedding sind: Eltern, die kein Deutsch sprechen; vernachlässigte Kinder, Arbeitslosigkeit und Armut. Die Religion mache da keinen Unterschied, sagt Barsties.
"Es gibt mit muslimischen Eltern eigentlich die gleichen Probleme wie auch mit deutschen oder polnischen oder russischen Eltern. Es gibt da und da mal Probleme, aber im Allgemeinen sind die Eltern... Wie soll ich das sagen? Wenn man ihnen etwas erklärt oder wenn man das auch nicht von dieser Art und Weise, wohin man manchmal ja neigt, so von oben herab, wir wissen's besser, sondern sie mit ins Boot holt, dann funktioniert das auch. Also, ich sehe absolut keine größeren Schwierigkeiten mit muslimischen Eltern."
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"Ich versuche sehr deutlich zu machen, dass Gott niemand ist, vor dem man sich fürchten muss, sondern dass Gott jemand ist, der Menschen lieb hat, der möchte, dass auch die Menschen untereinander freundlich sind, sich verzeihen und versöhnen, und eben nicht Krieg führen oder gewalttätig gegeneinander sind. Das versuche ich zu vermitteln, dass das eben nicht Gottes Wille ist für uns Menschen."
Glatter sucht vor allem die Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen, wie etwa die Vorstellung von Gott als Schöpfer der Erde. Komplizierter wird es, wenn der Pfarrer über Jesus Christus spricht. Jesus wird zwar im Koran erwähnt und ist auch im Islam ein Prophet - allerdings nur einer unter vielen. Die Muslime lehnen die Lehre ab, dass Jesus als Gottes Sohn geboren wurde. Glatter erzählt den Kindern von diesen unterschiedlichen Ansichten, ohne zu werten oder gar für den eigenen Glauben zu werben. Generell erwähnt er Jesus Christus als Gottes Sohn nur selten:
"Weil das zu großen Auseinandersetzungen führen würde. So kann ich mir das vorstellen, dass es zu Nachfragen führt. Und weil das für die Kinder vielleicht auch ein bisschen zu schwer zu verstehen ist. Also, ich versuche da einen Weg zu finden, das muss ich schon sagen, das ist möglicherweise meine eigene Bequemlichkeit, aber ich kann das auch so vertreten, dass ich ihnen genug von Gott erzählen kann und von Jesus erzählen kann, ohne auf diesen speziellen theologischen Aspekt zu viel Bedeutung zu legen."
Der Pfarrer weiß, dass er auf einem schmalen Grat wandert. Als Einknicken gegenüber dem Islam sieht er seine Zurückhaltung jedoch nicht. Die Kita sei nicht der Ort, um komplizierte theologische Streitfragen auszutragen, sagt Glatter.
"Da ist es mir wichtiger, weil ich weiß, dass die Kinder von Gott überhaupt keine Ahnung haben, wenn sie zu uns kommen, oder jedenfalls oft von Gott überhaupt keine Ahnung haben, dass sie überhaupt erst einmal ein Gespür dafür kriegen, ohne dass sie in so ein Wasser gestoßen werden, wo sie nicht schwimmen können und wo sie sich nicht orientieren können, möchte ich ihnen das sichere Land bieten und sagen, dass Gott jemand ist, der für sie da ist. Und dann, wenn wir sie in Gottesdienste einladen, die Gemeindegottesdienst sind, dann ist das natürlich auch noch mal eine andere Sache."
Trotz dieser Zurückhaltung: Glatter ist überzeugt, dass sehr religiöse muslimische Eltern ihre Kinder nicht in die Stephanus-Kita schicken, weil sie den engen Kontakt mit dem christlichen Glauben scheuen. So sind es vor allem gemäßigt gläubige Muslime, die den Kindergarten aussuchen. Einer von ihnen ist Hüseyin Eren, dessen Vater einst als Gastarbeiter aus der Türkei nach Berlin kam. Der 32 Jahre alte Eren ist Taxifahrer von Beruf. Er betet fünf Mal am Tag, freitags geht er in die Moschee. Jetzt holt er gerade sein Tochter Esma aus der Kita ab. Es sei wichtig, dass das Kind etwas über Gott lerne, sagt der Vater. Deshalb habe sich die Familie für eine christliche und gegen eine staatliche Kita entschieden:
"Dass es eine christliche Kirche ist, das stört mich nicht daher, weil der Prophet Jesus ja auch unser Prophet ist. Und daher ist für uns nicht verboten in die Kirche zu gehen oder zu besuchen. Damit haben wir keinerlei Probleme. Ich bin der Meinung, dass in der Kita nichts Schlechtes beigebracht wird, sondern da wird dann über die Menschlichkeit viel erzählt, über das Benehmen. Ich bin der Meinung, dass es nur im guten Sinne sein wird."
Hüseyin Eren hat auch schon einen christlichen Gottesdienst besucht, zu dem die Gemeinde Kinder und ihre Eltern immer wieder einlädt. Doch damit ist er als Muslim eine Ausnahme. An diesem Sonntag etwa feiert die Kita in der Stephanuskirche das Erntedankfest. Kinder und Eltern seien wie immer eingeladen, sagt Pfarrer Glatter, auch die muslimischen und religionslosen:
"Es ist allerdings so, dass unsere Erfahrung ist, auch wenn die Kinder eben etwas vorbereiten wie kleine Erntedankkörbe oder so, dass die Eltern sehr zurückhaltend sind, diese Einladung anzunehmen. Es gibt immer eine Handvoll, die kommen, eine Handvoll Kinder mit ihren Eltern, die kommen. Aber der große Teil bleibt lieber zu Hause. Bei den muslimischen Eltern, glaube ich, dass es oft auch die Entscheidung ist zu sagen: Ja, wir wollen, dass die Kinder etwas in der Kita hören über Gott, das ist keine Frage, aber wir wollen nicht in einen christlichen Gottesdienst gehen."
In der Kita selbst gehört der christliche Glauben zum Alltag. Die Erzieherinnen erzählen Geschichten aus der Bibel, vor dem Essen wird gebetet. Aber auch hier gilt: Keinem Kind wird der Glauben aufgedrängt, sagt Kita-Leiterin Christine Barsties:
"Wir zwingen keine Kinder zum Beten. Also wir haben auch Kinder, die nicht beten. Aber sie leben mit uns die christlichen Werte. Wir feiern die Feste, so wie sie christlich bestimmt sind. Das Martinsfest zum Beispiel. Bei uns kommt das Christkind zu Weihnachten. Die Kinder kennen die Nikolaus-Geschichte, sie wissen, wer Nikolaus war, dass er den armen Menschen geholfen hat, und das wissen die Kinder alles."
Generell hat die Kita mit sozialen Problemen zu kämpfen, die typisch für den Wedding sind: Eltern, die kein Deutsch sprechen; vernachlässigte Kinder, Arbeitslosigkeit und Armut. Die Religion mache da keinen Unterschied, sagt Barsties.
"Es gibt mit muslimischen Eltern eigentlich die gleichen Probleme wie auch mit deutschen oder polnischen oder russischen Eltern. Es gibt da und da mal Probleme, aber im Allgemeinen sind die Eltern... Wie soll ich das sagen? Wenn man ihnen etwas erklärt oder wenn man das auch nicht von dieser Art und Weise, wohin man manchmal ja neigt, so von oben herab, wir wissen's besser, sondern sie mit ins Boot holt, dann funktioniert das auch. Also, ich sehe absolut keine größeren Schwierigkeiten mit muslimischen Eltern."
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