Mit Schmidt heil in den Tourbus
2001 erschien Sven Regeners erster Herr-Lehmann-Roman. Das Buch wurde verfilmt und Regener schrieb Frank Lehmanns Geschichte fort. Held des nun ganz neuen Regener-Romans ist ein Weggefährte Lehmanns, der ein wenig aus der Bahn geraten ist: Karl Schmidt. Und Schmidt hat - wie Lehmann - schwer zu kämpfen.
Wer die Herr-Lehmann-Trilogie gelesen hat, kennt ihn natürlich gut, den Helden des neuen Sven-Regener-Romans "Magical Mystery oder Die Rückkehr des Karl Schmidt". Dieser Karl Schmidt wurde, nach anfänglichen Schwierigkeiten, der beste Kumpel von Frank Lehmann in West-Berlin: ein freischaffender Künstler, der im "Café Einfall" die Beck's-Biere und andere Getränke über die Theke reichte, am Tag der Maueröffnung einen depressiven Zusammenbruch erlitt und in der Psychiatrie landete.
Jetzt ist Schmidt zurück, wir schreiben das Jahr 1995, und auf knapp 100 Seiten von "Magical Mystery" erzählt Regener erst einmal, wie es ihm in Hamburg-Altona so ergeht. Dahin hat es Schmidt nach seinem Zusammenbruch wieder verschlagen, hier lebt seine Mutter, eine Ärztin.
Nun wohnt er in einer betreuten Wohngemeinschaft namens Clean Cut I, arbeitet in einem Kinderkurheim in Othmarschen als Hilfshausmeister - und trifft eines Tages in einem Eiscafé zufällig seinen alten Kumpel Raimund Schulte wieder, der in Berlin den BummBumm-Club und ein gleichnamiges Techno-Label betreibt, zusammen mit dem - Schmidt ebenfalls bekannten - Ferdi. Die beiden haben da "ein Ding laufen, die Magical Mystery Tour", eine Tour mit ihren Techno-Acts durch Deutschland. Und Raimund lässt Karl wissen:
"Wir brauchen einen, der sich um alles kümmert, der uns fährt und auf das Geld aufpasst und auf uns auch und dass wir weiterkommen und was weiß ich alles."
Jetzt ist Schmidt zurück, wir schreiben das Jahr 1995, und auf knapp 100 Seiten von "Magical Mystery" erzählt Regener erst einmal, wie es ihm in Hamburg-Altona so ergeht. Dahin hat es Schmidt nach seinem Zusammenbruch wieder verschlagen, hier lebt seine Mutter, eine Ärztin.
Nun wohnt er in einer betreuten Wohngemeinschaft namens Clean Cut I, arbeitet in einem Kinderkurheim in Othmarschen als Hilfshausmeister - und trifft eines Tages in einem Eiscafé zufällig seinen alten Kumpel Raimund Schulte wieder, der in Berlin den BummBumm-Club und ein gleichnamiges Techno-Label betreibt, zusammen mit dem - Schmidt ebenfalls bekannten - Ferdi. Die beiden haben da "ein Ding laufen, die Magical Mystery Tour", eine Tour mit ihren Techno-Acts durch Deutschland. Und Raimund lässt Karl wissen:
"Wir brauchen einen, der sich um alles kümmert, der uns fährt und auf das Geld aufpasst und auf uns auch und dass wir weiterkommen und was weiß ich alles."
Popkulturelles Roadmovie
Es dauert, bis Regener seine Geschichte in Gang gesetzt hat, doch aus gutem Grund: Regener will nicht nur über die aufkommende Technokultur in den mittleren Neunziger-Jahren, nicht nur einen popkulturellen Roadmovie schreiben, eine Art Romanpendant zu Techno-und-Berlin-Erinnerungsbüchern wie Sven von Thülen und Felix Denks "Der Klang der Familie" oder Ulrich Gutmairs "Die ersten Tage von Berlin"; nein, er zeichnet insbesondere auch das Porträt eines Mannes, der ihm schon beim Schreiben der Lehmann-Bücher höchst sympathisch geworden war und Hauptfigurpotential hatte: "Großes Herz, aber auch eine große Klappe".
Nun muss dieser Karl Schmidt, der das Angebot seiner Freunde schließlich annimmt, sich immer wieder einmal dunkler Gefühle erwehren (die Depression!), den Verlockungen von Alkohol und Drogen widerstehen (Ex-Multitoxiker!) und sich vernünftig und klaren Kopfes um die reichlich verstrahlten und verpeilten Musiker und Betreiber des BummBumm-Labels auf ihrer Liebes- und Magical-Mystery-Tour kümmern. Da schimmert von Regeners Seite nicht nur Sympathie durch, sondern auch viel Zärtlichkeit, denn Schmidt ist im Gegensatz zu Herrn Lehmann ein emotionaler Erzähler.
Ansonsten erlebt man Regener mit diesem Roman auf der Höhe seiner Unterhaltungskunst. Die einzelnen Szenen der vier großen Kapitel wirken allesamt so, als habe Regener schon das Filmdrehbuch im Kopf gehabt, seine Dialoge sind brillant, umwerfend komisch, überhaupt liebt Regener Redundanzen, Sprachschleifen, einfache Endlossätze, Kalauer und Zoten. Und dass der Element-of-Crime-Sänger sich auch in der Technokultur auskennt, ist weniger überraschend, als es zunächst den Anschein hat: Manchmal überschnitten sich die Szenen im Berlin gerade der frühen, mittleren Neunziger-Jahre. Und nicht zuletzt war Regeners Frau Gründerin und Betreiberin des Techno-und Electronic-Labels Ladomat 2000 (Sensorama, Whirlpool Productions, Ego-Express).
Am Ende landen Schmidt, Raimund, Ferdi und die anderen bei der sogenannten Springtime in der Ruhr-Emscher-Halle in Essen, einer dem realen Dortmunder "Mayday" nachempfundenen Techno-Großveranstaltung. Auch hier schafft Schmidt es, sie danach alle wieder einigermaßen heil in den Tourbus zurück nach Berlin zu bekommen. Er weiß dann zwar nicht, ob es jetzt gut ist, einfach wieder zurückzukehren. Aber immerhin beruhigt er sich damit, dass jetzt ja in Berlin noch "eine neue Stadt aufgemacht" wurde.
Ein offenes Ende, wie immer bei Regener. Fortsetzung sehr gut möglich.
Besprochen von Gerrit Bartels
Sven Regener: Magical Mystery oder Die Rückkehr des Karl Schmidt
Galiani Verlag, Berlin 2013
506 Seiten, 22,99 Euro
Galiani Verlag, Berlin 2013
506 Seiten, 22,99 Euro