Mit TPEG den Stau umfahren

Von Po Keung Cheung |
Im Stau stehen, bevor die Verkehrsmeldung kommt: Das ist ein Phänomen, das wohl jeder Autofahrer kennt. Mit dem neuen Standard "TPEG" soll das anders werden. Das digitale Verkehrsmeldesystem steht kurz vor der Marktreife.
"Zwischen Fürth-Poppenreuth und Fürth-Ronhof: Unfall, zwei Kilometer Stau - A1 Dortmund, Richtung Köln: Zwischen Gevelsberg und dem Kreuz Wuppertal-Nord, zwei Kilometer - A5 Karlsruhe Richtung Heidelberg: Zwischen Karlsruhe-Nord und Bruchsal, drei Kilometer Stau..."

Minutenlange Verkehrsmeldungen überfordern Autofahrer und lenken sie vom Verkehr ab. Oft sind sie auch noch veraltet oder kommen zu spät. Die Lösung sollte der "Traffic Message Channel", kurz TMC bieten. Das ist ein Dienst, der zusammen mit UKW-Radio ausgestrahlt wird, ein unhörbarer Datenstrom mit Verkehrsinformationen, der von Navigationssystemen ausgewertet werden kann.

"Die Route enthält Verkehrsstörungen, die Route wird neu berechnet"."

Doch selbst diese Technik sei überfordert, meint Birgit Kwella vom Institut "Fraunhofer FIRST".
""TMC ist einfach zu langsam und zu eingeschränkt, um die vielfältigen Informationen, die man heute zur Verfügung hat, einfach zu übertragen."

Nur zehn Meldungen pro Minute kann TMC übertragen. Da kann es in Ballungszentren im dichten Berufsverkehr schon einmal eng werden. Ungenau ist das System auch noch, denn es arbeitet mit einer festen Ortstabelle mit gerade einmal 65-tausend Punkten – bundesweit. Eine präzise Positionsangabe, bei der auch jede Nebenstraße erfasst wird – Fehlanzeige.

"So, hier sehen Sie unser Labor für mobile Assistenz, in dem Raum sind die wesentlichen Komponenten zum Aufbereiten der verschiedenen Daten. So, unser Sendeturm für DAB, der die ganzen Inhalte zusammenbaut."

"Fraunhofer FIRST" in Berlin-Adlershof arbeitet seit Jahren am "Verkehrsfunk von morgen". Es wird TPEG abgekürzt, was in etwa heißt: Transportprotokoll für Verkehrsinformation. Ein Datenkanal, der künftig über das digitale Radio DAB ausgestrahlt werden soll. Es soll langfristig das analoge UKW ablösen. Doch bislang musste es mit Akzeptanz- und technischen Problemen kämpfen. Geringere Reichweite und die teils schlechte Empfangsqualität verhinderten eine schnelle Verbreitung. Doch nun soll das digitale Radio als technisch verbesserte Version DAB plus zum 1. August neu starten und dann auch als Trägersignal für TPEG dienen.

Das System kann viel mehr Informationen in kürzerer Zeit übertragen. Außerdem ist es wesentlich genauer als das alte TMC. Ein besonderer Vorteil sei, dass TPEG nicht nur von Navigationssystemen empfangen werden könne, so Birgit Kewlla:

"TPEG kann man auf allen Geräten darstellen, man kann die Daten über verschiedene Medien übertragen, über Internet oder halt digitales Radio und wir haben jetzt hier als Beispiel eine Anwendung für Android gemacht, aber es ist natürlich auch möglich für Navigationsgeräte."

Die Mathematikerin zeigt ein Smartphone mit einem selbst entwickelten Zusatzprogramm, einer so genannten "App". Auf dem Display eine Landkarte mit vielen roten und grünen Autos.

"Jedes Auto repräsentiert sozusagen eine Messstelle und daran können Sie sehen: Grüne Autos bedeuten halt freie Fahrt, rote bedeuten Stau. Mit dieser App können Sie erstmalig TPEG-Daten anzeigen, sich nähere Informationen zu den einzelnen Störungen ansehen."

Etwa die genaue Länge des Staus und wie lange man schätzungsweise braucht, um aus ihm herauszukommen. Als Datenbasis dienen Meldungen der Verkehrsleitzentralen.

Im früheren Flughafen Tempelhof, hinter dicken Mauern und elektronisch gesicherten Türen, befindet sich die Berliner Verkehrsregelungszentrale. Mitarbeiter von Polizei und Stadtbehörde sehen auf 32 Monitoren, was auf Autobahnen, in Tunneln und auf Hauptstraßen los ist, auf anderen die Daten von Fahrbahnsensoren und Messstellen. Eine mehrere Meter hohe Tafel zeigt mit Leuchtpunkten auf einem Stadtplan, welche Ampeln funktionieren und welche nicht. Jörg Lange, Leiter der Verkehrslenkung Berlin:

"Hier werden die Verkehrsmeldungen erzeugt, die werden dann eingetippt mit der Örtlichkeit und das dauert dann üblicherweise so ein, zwei Minuten nach dem Bekanntwerden hier, dass die Meldung dann auch im System verfügbar ist."

Allerdings kann es bei TMC eine Viertelstunde dauern, bis die Meldung eintrifft, bei TPEG soll es keine Verzögerungen geben. Bei der App für das Handy scheint das zu funktionieren: Die Anzeige reagiert zügig, neue Informationen tauchen auf, veraltete verschwinden - im Sekundentakt. Um den Autofahrer nicht zu überfordern, werden auch nur die Meldungen für seine Strecke angezeigt. Norbert Pieth, Ingenieur bei "Fraunhofer FIRST" hofft, dass mit der neuen Technik auch die Qualität der Daten besser wird:

"Ich glaube, dass man hiermit eine ideale Basis hat, um die Qualität, an der es im Moment doch noch sehr mangelt, von Verkehrsinformationen, dass man hier einen Riesen-Schub nach vorne macht, und dass insbesondere auch noch die wesentlich größere Breite an Informationen, Parkplatz ist eines, die Zeiten des öffentlichen Nahverkehrs sind ein anderes Beispiel, ein Spektrum sind, das man bisher noch gar nicht hat."

Auch Auskünfte über Fahrradverleihstationen, freie Hotels oder aktuelle Flug- und Bahnverspätungen können über TPEG übertragen werden. Der Leiter der Verkehrslenkung Berlin findet das gut, denn die Navigation der Zukunft beschränke sich nicht mehr nur auf das Auto, so Jörg Lange:

"Die Navigation der Zukunft sehe ich so, dass es, ich sag’ mal, multimodale Wegeketten gibt. Also wenn ich von A nach B möchte, dafür eben die beste Möglichkeit zu bekommen. Da denke ich, dass es wesentlich differenzierter sein wird und auch diese Möglichkeit des Verkehrsmittelwechsels stärker genutzt wird."

Nach fünf Jahren Entwicklungszeit ist das System nun marktreif. Ob TPEG den gleichen Erfolg wie das ebenfalls von Fraunhofer entwickelte Musikkompressionsverfahren MPEG beziehungsweise MP3 haben wird, bleibt abzuwarten. Das hängt vor allem von der Verbreitung des bislang kränkelnden Digitalradios ab. Immerhin: Erste Gerätehersteller haben bereits bei "Fraunhofer FIRST" angeklopft.
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