"Er ist zu diesem Zeitpunkt nicht berechtigt, in die nordamerikanische Eishockey Liga zu kommen. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob er jemals für die NHL spielberechtigt sein wird. Wenn die Boston Bruins tatsächlich denken, dass sie ihn in der NHL spielen lassen wollen – müssen wir seine Eignung erst genehmigen."
Rassismus im Sport
Spricht sich deutlich gegen Rassismus aus: NHL-Boss Gary Bettman. © IMAGO / USA TODAY Network / IMAGO / Sergei Belski
Die NHL und der Fall Mitchell Miller
05:08 Minuten
Mitchell Miller stand vor einer vielversprechenden Karriere. Doch nachdem ihn die Boston Bruins unter Vertrag nahmen, wurde der Jungprofi von seiner Vergangenheit eingeholt. Als 14-Jähriger hatte er einen schwarzen Mitschüler misshandelt.
Mitchell Miller hatte einen Traum. Er wollte Eishockeyprofi werden. Im Jahr 2020 verpflichteten ihn die Arizona Coyotes, die in der National Hockey League spielen. Doch dann holte Miller die Vergangenheit ein. Als bekannt wurde, dass er als 14-Jähriger einen Schwarzen Mitschüler mit geistiger Beeinträchtigung über Jahre rassistisch beleidigte, verprügelte und aufforderte, Süßigkeiten zu essen, die vorher im Toilettenbecken gelegen hatten, verzichteten die Coyotes auf eine Zusammenarbeit mit dem Nachwuchstalent. Miller wurde von einem Jugendgericht wegen Körperverletzung schuldig gesprochen. Das Urteil: 25 Stunden gemeinschaftliche Arbeit und eine schriftliche Entschuldigung an sein Opfer. Eigentlich wollten die Coyotes an Miller festhalten, doch der öffentliche Druck war enorm hoch.
Die Saison 20/21 setzte Miller komplett aus
Die Universität von North Dakota, für die Miller spielen sollte, folgte dem Beispiel der Coyotes und strich ihn aus dem Kader. Der Präsident der Universität rechtfertigte seine Entlassung damit, dass sich alle Studenten im Klassenzimmer, in der Gemeinschaft und bei der Repräsentation der Universität auf dem Spielfeld an die Werte der Hochschule zu halten hätten. Die Saison 2020/21 setzte Miller komplett aus. In der Hoffnung, dass rasch Gras über den Vorfall aus seiner Jugendzeit wachsen würde.
Ausgerechnet die Boston Bruins, die dem ersten Schwarzen Spieler Willie O’Ree die Möglichkeit gaben, in der NHL zu spielen, nahmen Mitchell Miller unter Vertrag. Das löste eine große Welle an hitzigen Diskussionen und Empörung aus. So stark, dass NHL-Boss Gary Bettman gezwungen war, ein Machtwort zu sprechen.
Das Bruins-Team rebellierte gegen Mitchell
Dass ein Spieler die sportliche Entscheidung des Geschäftsführers öffentlich kritisiert, kommt sehr selten vor. Der Kapitän der Boston Bruins, Patrice Bergeron, ergriff stellvertretend für seine Mannschaft das Wort. Sein Statement war an Miller und den Geschäftsführer gerichtet, mit der Botschaft, dass sie so einen Spieler wie Miller nicht in ihrem Team haben wollen: „Die Kultur, die wir hier aufgebaut haben, ist gegen diese Art von Verhalten. Wir sind ein Team, das auf Charakter und Menschen mit Charakter aufgebaut ist. Was er getan hat, ist inakzeptabel, und wir stehen nicht dazu. In dieser Kabine geht es uns um Inklusion, Vielfalt und Respekt. Das sind Schlüsselwörter und Kernwerte, die wir leben. Wir erwarten von den Spielern, die unser Trikot tragen, dass sie charakterstarke Menschen mit Integrität und Respekt sind.“
Der Fall Mitchell Miller hat den Traditionsklub auf eine harte Bewährungsprobe gestellt, mit dem Ergebnis, dass zukünftige Spieler und ihr Verhalten auf und neben der Eisfläche genau unter die Lupe genommen werden, bevor es zu einer vertraglichen Bindung kommt. Die NHL, die sich die Themen Diversität und Inklusion schon länger auf die Fahne geschrieben hat, hat ein internationales Zeichen für junge Eishockeyspieler gesetzt, die davon träumen, in der NHL zu spielen, nämlich, dass derartiges Verhalten wie im Fall Mitchell Miller nicht akzeptiert wird und Konsequenzen nach sich zieht.
Millers sportliche Zukunft ist ungewiss
Auch die Botschaft der Spieler ist klar: Sie erwarten, dass Inklusion, Vielfalt und Respekt gelebt wird – in der Kabine, auf dem Eis und außerhalb des Eisstadions. So sieht es auch NHL-Spieler Nick Foligno: „Es ist ein schwieriges Thema. Die Organisation wird nichts tun, was die Kultur des Teams gefährden würde, aber wenn ich das sage, dann ist das nichts, wofür irgendjemand in diesem Raum steht. Es war hart für unsere Gruppe, so etwas zu hören. Wir sind stolz darauf, dass wir eine Gruppe sind, die sehr viel Wert darauf legt, wie wir uns verhalten und wie wir andere behandeln.“
Millers sportliche Zukunft ist ungewiss. Davon abgesehen hat er sich bei dem damaligen Mitschüler, den er körperlich misshandelte, emotional demütigte und rassistisch beleidigte, bisher nicht persönlich entschuldigt.