Mitreißendes Hörtheater
Goethes kompletten "Faust I" hat Sebastian Rudolph solo eingesprochen. In gut zweieinhalb Stunden erzählt er die Geschichte des Wissenschaftlers Dr. Faustus, der sich in seinem Wissensdrang mit dem Teufel verbündet und die junge Margarete ins Unglück stürzt. Eine Meisterleistung!
"Sie sitzen schon mit hohen Augenbraunen
Gelassen da und möchten gern erstaunen.
Wie machen wir's, dass alles frisch und neu
Und mit Bedeutung auch gefälllig sei."
Fragen sich die Herren im "Vorspiel auf dem Theater". Und fürwahr: Dieser uralte, oft zu Tode interpretierte Klassiker kommt hier "frisch und neu" und durchaus auch "gefällig" daher. Mit dem unglaublich wandlungsfähigen Sebastian Rudolph als komplettem "Faust"-Personal in einer Person.
"Der Tragödie erster Teil
Habe nun, ach! Philosophie
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie!
Durchaus studiert, mit heißem Bemüh'n.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;"
Der Schauspieler kommt gänzlich ohne Pathos aus. Umso lebendiger treten die handelnden Personen vor unser inneres Ohr:
(Studierzimmer - Auftritt Mephisto)
"Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht
Ist wert, dass es zugrunde geht;
Drum besser wär's dass nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz, das Böse nennt,
Mein eigentliches Element."
Eine nur leicht veränderte Modulation - und Mephisto steht im Raum.
Nun ist der "Faust" bekanntlich voller Stellen, die längst sprichwörtlich sind. Das könnte leicht zu erlahmendem Interesse führen: "Kennt man doch alles schon". Rudolphs "Faust" aber hält den Spannungsbogen und fesselt bis zum Schluss, vielleicht weil wir ihn nur hören.
Mühelos zieht uns der Schauspieler in den Bann - auch der zarten Poesie Goethes:
(Vor dem Tor)
"Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden belebenden Blick;
Im Tale grünet Hoffnungs-Glück;
Der alte Winter in seiner Schwäche,
Zog sich in raue Berge zurück."
Beim frühlingsfeierfreudigen Volk wiederum zeigt er gern auch Goethes humorvolle Seite:
(Vor dem Tor)
"So nehmet auch den schönsten Krug,
Den wir mit frischem Trunk gefüllt,
Ich bring ihn zu und wünsche laut,
Dass er nich nur den Durst Euch stillt;
Die Zahl der Tropfen, die er hegt,
Sei euren Tagen zugelegt!"
Sei's der trunkene alte Bauer, sei's der zynische Mephisto oder das naive Gretchen, sei's der wissbegierige Wagner, die neugierige Nachbarin Marthe oder Dr. Faustus selbst: Sebastian Rudolph leiht ihnen allen ihre je eigene, unverwechselbare Stimme. Sie ist seine Bühne:
(Straße)
"Mein schönes Fräulein, darf ich wagen,
Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?
Bin weder Fräulein, weder schön,
Kann ungeleitet nach Hause geh'n."
(Der Nachbarin Haus - Mephisto-Gretchen)
"Ihr wäret wert, gleich in die Eh zu treten, ihr seid ein liebenswürdig Kind
Ach nein, das geht jetzt noch nicht an
Ist's nicht ein Mann, sei's derweil ein Galan?
S'ist eine der größten Himmelsgaben, so ein lieb Ding im Arm zu haben."
Mit der Rolle des Gretchens ist Sebastian Rudolph ein großes Wagnis eingegangen. Wie er jedoch die innige Hingabe des verliebten jungen Mädchens zu seiner eigenen macht, lässt uns den Mann vergessen:
(Gretchens Stube)
"Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer;
Und finde sie nimmer
Und nimmermehr
Mein Busen drängt
Sich nach ihm hin.
Ach dürft ich fassen
Und halten ihn!
Und küssen ihn, so wie ich wollt!"
Ganz anders in der "Walpurgisnacht": als Mephisto lässt es Rudolph lustvoll krachen:
"Das drängt und stößt, das ruscht und klappert!
Das zischt und quirlt, das zieht und plappert!
Das leuchtet, sprüht und stinkt und brennt!
Ein wahres Hexenelement!"
Als Gretchen jedoch im Kerker sitzt, wird die ganze Verzweiflung des Faust - und Gretchens Todesangst - sehr glaubhaft hörbar:
(Kerker - Faust)
"Mich fasst ein längst entwohnter Schauer,
Der Menschheit ganzer Jammer fasst mich an.
Hier wohnt sie hinter dieser feuchten Mauer,
Und ihr Verbrechen war ein guter Wahn."
(Kerker-Gretchen)
"Du holst mich schon um Mitternacht.
Erbarme dich und lass mich leben!
Bin doch noch so jung, so jung!
Und soll schon sterben!"
Bis zum Schluss ist das Hörbuch "Faust I" zeitloses, sattes, mitreißendes Theater für die Ohren. Sebastian Rudolph könnte mit seiner äußerst modernen Interpretation sogar die iPad-Generation für dieses vermeintlich altmodische Drama gewinnen.
(Kerker-Margarete)
"O weh! Deine Lippen sind kalt,
Sind stumm.
Wo ist dein Lieben
Geblieben?"
Besprochen von Sigrid Menzinger
Gelassen da und möchten gern erstaunen.
Wie machen wir's, dass alles frisch und neu
Und mit Bedeutung auch gefälllig sei."
Fragen sich die Herren im "Vorspiel auf dem Theater". Und fürwahr: Dieser uralte, oft zu Tode interpretierte Klassiker kommt hier "frisch und neu" und durchaus auch "gefällig" daher. Mit dem unglaublich wandlungsfähigen Sebastian Rudolph als komplettem "Faust"-Personal in einer Person.
"Der Tragödie erster Teil
Habe nun, ach! Philosophie
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie!
Durchaus studiert, mit heißem Bemüh'n.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;"
Der Schauspieler kommt gänzlich ohne Pathos aus. Umso lebendiger treten die handelnden Personen vor unser inneres Ohr:
(Studierzimmer - Auftritt Mephisto)
"Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht
Ist wert, dass es zugrunde geht;
Drum besser wär's dass nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz, das Böse nennt,
Mein eigentliches Element."
Eine nur leicht veränderte Modulation - und Mephisto steht im Raum.
Nun ist der "Faust" bekanntlich voller Stellen, die längst sprichwörtlich sind. Das könnte leicht zu erlahmendem Interesse führen: "Kennt man doch alles schon". Rudolphs "Faust" aber hält den Spannungsbogen und fesselt bis zum Schluss, vielleicht weil wir ihn nur hören.
Mühelos zieht uns der Schauspieler in den Bann - auch der zarten Poesie Goethes:
(Vor dem Tor)
"Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden belebenden Blick;
Im Tale grünet Hoffnungs-Glück;
Der alte Winter in seiner Schwäche,
Zog sich in raue Berge zurück."
Beim frühlingsfeierfreudigen Volk wiederum zeigt er gern auch Goethes humorvolle Seite:
(Vor dem Tor)
"So nehmet auch den schönsten Krug,
Den wir mit frischem Trunk gefüllt,
Ich bring ihn zu und wünsche laut,
Dass er nich nur den Durst Euch stillt;
Die Zahl der Tropfen, die er hegt,
Sei euren Tagen zugelegt!"
Sei's der trunkene alte Bauer, sei's der zynische Mephisto oder das naive Gretchen, sei's der wissbegierige Wagner, die neugierige Nachbarin Marthe oder Dr. Faustus selbst: Sebastian Rudolph leiht ihnen allen ihre je eigene, unverwechselbare Stimme. Sie ist seine Bühne:
(Straße)
"Mein schönes Fräulein, darf ich wagen,
Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?
Bin weder Fräulein, weder schön,
Kann ungeleitet nach Hause geh'n."
(Der Nachbarin Haus - Mephisto-Gretchen)
"Ihr wäret wert, gleich in die Eh zu treten, ihr seid ein liebenswürdig Kind
Ach nein, das geht jetzt noch nicht an
Ist's nicht ein Mann, sei's derweil ein Galan?
S'ist eine der größten Himmelsgaben, so ein lieb Ding im Arm zu haben."
Mit der Rolle des Gretchens ist Sebastian Rudolph ein großes Wagnis eingegangen. Wie er jedoch die innige Hingabe des verliebten jungen Mädchens zu seiner eigenen macht, lässt uns den Mann vergessen:
(Gretchens Stube)
"Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer;
Und finde sie nimmer
Und nimmermehr
Mein Busen drängt
Sich nach ihm hin.
Ach dürft ich fassen
Und halten ihn!
Und küssen ihn, so wie ich wollt!"
Ganz anders in der "Walpurgisnacht": als Mephisto lässt es Rudolph lustvoll krachen:
"Das drängt und stößt, das ruscht und klappert!
Das zischt und quirlt, das zieht und plappert!
Das leuchtet, sprüht und stinkt und brennt!
Ein wahres Hexenelement!"
Als Gretchen jedoch im Kerker sitzt, wird die ganze Verzweiflung des Faust - und Gretchens Todesangst - sehr glaubhaft hörbar:
(Kerker - Faust)
"Mich fasst ein längst entwohnter Schauer,
Der Menschheit ganzer Jammer fasst mich an.
Hier wohnt sie hinter dieser feuchten Mauer,
Und ihr Verbrechen war ein guter Wahn."
(Kerker-Gretchen)
"Du holst mich schon um Mitternacht.
Erbarme dich und lass mich leben!
Bin doch noch so jung, so jung!
Und soll schon sterben!"
Bis zum Schluss ist das Hörbuch "Faust I" zeitloses, sattes, mitreißendes Theater für die Ohren. Sebastian Rudolph könnte mit seiner äußerst modernen Interpretation sogar die iPad-Generation für dieses vermeintlich altmodische Drama gewinnen.
(Kerker-Margarete)
"O weh! Deine Lippen sind kalt,
Sind stumm.
Wo ist dein Lieben
Geblieben?"
Besprochen von Sigrid Menzinger
Johann Wolfgang Goethe: Faust I
Gesprochen von Sebastian Rudolph
Osterwold audio, Hamburg 2013
3 CDs, Laufzeit 153 Minuten, 14,99 Euro
Gesprochen von Sebastian Rudolph
Osterwold audio, Hamburg 2013
3 CDs, Laufzeit 153 Minuten, 14,99 Euro