Mittelalterepos als Kinderbuch
Die Schriftstellerin Felicitas Hoppe hat ihr erstes Kinderbuch geschrieben. Wie die meisten ihrer Werke spielt "Iwein Löwenritter" nicht in der Alltagsrealität. Es ist vielmehr die alte Geschichte des Artusritters Iwein, der seine Frau zurückerobern will und dafür verschiedene Abenteuer bestehen muss.
Sie ist eine Art poeta docta, die 1960 geborene Autorin Felicitas Hoppe, eine Kennerin der Rhetorik, der Literatur- und Religionswissenschaft. Doch das heißt nicht, dass ihre Bücher trocken oder papieren daherkämen. Ob ihr erster Roman "Pigafetta", ihr Buch "Paradiese, Übersee" oder ihr jüngster Roman "Johanna" – vielen ihrer Texte haftet etwas Märchenhaftes an, einige spielen sogar im Bereich der Mythen und Sagen. Und alle sind sie in einem sehr eigenen poetischen Ton geschrieben. Nun hat Felicitas Hoppe ihr erstes Kinderbuch veröffentlicht, kein Wunder, das auch dieses nicht in unserer Alltagsrealität spielt, sondern im Mittelalter. Sein Titel: "Iwein Löwenritter".
Das Mittelalter ist "in" im Kinderbuch. Nicht nur im Sachbuch, sondern auch im erzählenden Bereich. Felicitas Hoppes "Iwein Löwenritter" schlägt jedoch noch einmal einen eigenen Weg ein, das Buch folgt ganz direkt dem mittelalterlichen Versroman "Iwein" von Hartmann von Aue:
Der Artusritter Iwein tötet in Notwehr den Herrn des Landes Nebenan und verliebt sich unsterblich in dessen Witwe Laudine. Durch eine List gewinnt er auch ihr Herz und ihre Hand, doch bald verlässt er seine Frau wieder, um neue Abenteuer zu bestehen. Dabei vergisst er das gegebene Versprechen, innerhalb eines Jahres zurückzukehren, und Laudine weist ihn enttäuscht ab. Worauf Iwein vor Kummer den Verstand verliert und erst nach seiner Heilung und vielen Heldentaten zu ihr zurückkehren kann.
Es ist die alte Geschichte um Liebe und Verrat, Treue und Ehre, Schuld und Sühne, die Felicitas Hoppe hier in enger Anlehnung an das mittelalterliche Epos erzählt. Iwein durchlebt in immer neuen Abenteuern existenzielle Situationen wie Kampf und Verrat und intensive Gefühle wie Glück und Scham. Mit ihm lebt und fühlt der kindliche Leser, ist einerseits angerührt durch die Wucht von Iweins Schicksal und hält andererseits Distanz durch die Fremdheit der mittelalterlichen Welt. Mit seinem typisierten Personal, den vielen martialischen Ritualen und magischen Gegenständen wirkt die Erzählung ähnlich wie ein Märchen – nicht umsonst sind die Grimmschen Märchen das Lieblingsbuch der Autorin.
Märchenhaft ist auch der Ton, in dem die alte Geschichte daherkommt. Rhythmisch, manchmal in rätselhaften Wendungen berichtet ein allwissender Erzähler von den Erlebnissen seines Helden. Er kleidet Liebe oder Angst in bedeutungsvolle Bilder, erklärt raunend, was Ehre ist oder Schuld, entwickelt manchen hölzernen Dialog und ist sich auch nicht zu schade für klischeehafte Wendungen. Doch Achtung! Hier beginnt Felicitas Hoppes vergnügliches Spiel mit dem Leser!
Denn diesen "hohen Ton" des mittelalterlichen Vorbildes unterläuft der Erzähler, von dem man erst am Ende erfährt, wer er wirklich ist, immer wieder mit flapsigen Formulierungen und schnoddrigen Bemerkungen. Er mischt sich ein, redet den Leser in lässig-lockerem Ton direkt an und macht sich auch mal über seine eigene Geschichte lustig. Auf diese Weise holt er die erhabene Handlung aus dem fernen Mittelalter herunter in die Alltagsrealität des lesenden Kindes, durchpustet sie augenzwinkernd mit frischem Wind.
"Iwein Löwenritter" ist einer der ersten Bände der von Tilman Spreckelsen im Fischer Verlag herausgegebenen Reihe "Die Bücher mit dem blauen Band". Allen gemeinsam ist die schöne Ausstattung mit blauem Leinenumschlag und Lesebändchen, großzügigem Druck und feinem Papier. Mit Dingen also, die vor allem Erwachsenen Vergnügen bereiten werden. Und das wäre auch der einzige Einwand, nicht gegen Felicitas Hoppes "Iwein", aber gegen dessen Empfehlung für Jugendliche ab zwölf: Denn die sind eher zu alt für den märchenhaften Ton und noch zu jung für dessen Ironisierung. Erwachsene (Vor-) Leser und Kinder werden aber große Freude daran haben. Wie an den dramatischen Illustrationen von Michael Sowa.
Rezensiert von Sylvia Schwab
Felicitas Hoppe: Iwein Löwenritter.
Erzählt nach dem Roman von Hartmann von Aue
Fischer Verlag, 250 Seiten, 16,90 Euro.
Das Mittelalter ist "in" im Kinderbuch. Nicht nur im Sachbuch, sondern auch im erzählenden Bereich. Felicitas Hoppes "Iwein Löwenritter" schlägt jedoch noch einmal einen eigenen Weg ein, das Buch folgt ganz direkt dem mittelalterlichen Versroman "Iwein" von Hartmann von Aue:
Der Artusritter Iwein tötet in Notwehr den Herrn des Landes Nebenan und verliebt sich unsterblich in dessen Witwe Laudine. Durch eine List gewinnt er auch ihr Herz und ihre Hand, doch bald verlässt er seine Frau wieder, um neue Abenteuer zu bestehen. Dabei vergisst er das gegebene Versprechen, innerhalb eines Jahres zurückzukehren, und Laudine weist ihn enttäuscht ab. Worauf Iwein vor Kummer den Verstand verliert und erst nach seiner Heilung und vielen Heldentaten zu ihr zurückkehren kann.
Es ist die alte Geschichte um Liebe und Verrat, Treue und Ehre, Schuld und Sühne, die Felicitas Hoppe hier in enger Anlehnung an das mittelalterliche Epos erzählt. Iwein durchlebt in immer neuen Abenteuern existenzielle Situationen wie Kampf und Verrat und intensive Gefühle wie Glück und Scham. Mit ihm lebt und fühlt der kindliche Leser, ist einerseits angerührt durch die Wucht von Iweins Schicksal und hält andererseits Distanz durch die Fremdheit der mittelalterlichen Welt. Mit seinem typisierten Personal, den vielen martialischen Ritualen und magischen Gegenständen wirkt die Erzählung ähnlich wie ein Märchen – nicht umsonst sind die Grimmschen Märchen das Lieblingsbuch der Autorin.
Märchenhaft ist auch der Ton, in dem die alte Geschichte daherkommt. Rhythmisch, manchmal in rätselhaften Wendungen berichtet ein allwissender Erzähler von den Erlebnissen seines Helden. Er kleidet Liebe oder Angst in bedeutungsvolle Bilder, erklärt raunend, was Ehre ist oder Schuld, entwickelt manchen hölzernen Dialog und ist sich auch nicht zu schade für klischeehafte Wendungen. Doch Achtung! Hier beginnt Felicitas Hoppes vergnügliches Spiel mit dem Leser!
Denn diesen "hohen Ton" des mittelalterlichen Vorbildes unterläuft der Erzähler, von dem man erst am Ende erfährt, wer er wirklich ist, immer wieder mit flapsigen Formulierungen und schnoddrigen Bemerkungen. Er mischt sich ein, redet den Leser in lässig-lockerem Ton direkt an und macht sich auch mal über seine eigene Geschichte lustig. Auf diese Weise holt er die erhabene Handlung aus dem fernen Mittelalter herunter in die Alltagsrealität des lesenden Kindes, durchpustet sie augenzwinkernd mit frischem Wind.
"Iwein Löwenritter" ist einer der ersten Bände der von Tilman Spreckelsen im Fischer Verlag herausgegebenen Reihe "Die Bücher mit dem blauen Band". Allen gemeinsam ist die schöne Ausstattung mit blauem Leinenumschlag und Lesebändchen, großzügigem Druck und feinem Papier. Mit Dingen also, die vor allem Erwachsenen Vergnügen bereiten werden. Und das wäre auch der einzige Einwand, nicht gegen Felicitas Hoppes "Iwein", aber gegen dessen Empfehlung für Jugendliche ab zwölf: Denn die sind eher zu alt für den märchenhaften Ton und noch zu jung für dessen Ironisierung. Erwachsene (Vor-) Leser und Kinder werden aber große Freude daran haben. Wie an den dramatischen Illustrationen von Michael Sowa.
Rezensiert von Sylvia Schwab
Felicitas Hoppe: Iwein Löwenritter.
Erzählt nach dem Roman von Hartmann von Aue
Fischer Verlag, 250 Seiten, 16,90 Euro.