Mittelrheinquerung - ein zweites Dresden?
Nach dem Dresdner Elbtal droht auch dem Mittelrheintal und dem Dessau-Wörlitzer Gartenreich die Aberkennung des Weltkulturerbetitels durch die Unesco. Brückenbaupläne und eine künstliche Fahrwasservertiefung sorgen für Differenzen.
Mittelrheintal
Von Tim-Hannes Schauen
Die von der Unesco geführte Liste des Weltkulturerbes umfasst insgesamt 890 Denkmäler in 148 Ländern. Nachdem Dresden von dieser Liste gestrichen wurde, befinden sich davon in Deutschland noch 32 Natur- und Kulturdenkmäler. Seit vielen Jahren gibt es im Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal, also zwischen Bingen und Koblenz, Pläne, eine Brücke über den Rhein zu bauen. Auf den gut 85 Kilometern gibt es bislang keine. Eine Brücke muss also her, sagen die einen. Auf keinen Fall, sagen die anderen.
"Wir sind aus Sachsen, es ist dasselbe Problem wie bei der Waldschlösschenbrücke."
"Also meine Freunde sagen, dass sie die Brücke nicht wollen, aber es kommt drauf an, wer das jetzt ist und wie oft der hin und rüber fährt."
"Hat beides seine Vor- und Nachteile, aber die Brücke ist natürlich flexibler, man kann auch mal nachts hin und her fahren."
"Die Diskussionen um die Brücke können eigentlich nur Leute verstehen, die hier direkt wohnen. Andere Leute können das gar nicht nachvollziehen, weil die Fähren hier zu dem Tal dazugehören wie die Kirschen zur Schwarzwälder Torte."
Mitten im Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal. Unten der breite Fluss, links und rechts steile Hänge. Spaliere von grünen Weinreben wechseln sich ab mit großen Laubbäumen und schroffen Felsen. Mittelalterliche Burgen oder Burgruinen – immer noch erhaben – kleben auf einem Felsvorsprung über dem Wasser. Auf beiden Seiten teilen sich kleine Städtchen den engen Raum zwischen Fluss und Hang mit einer Bundesstraße und einer doppelgleisigen Bahntrasse.
Seit 2002 ist der 65 Kilometer lange Abschnitt von Koblenz im Norden bis Rüdesheim/Bingen im Süden auf der Unesco-Weltkulturerbeliste. Bei Horchheim führt eine Brücke über den Rhein, die nächste 85 Kilometer rheinaufwärts bei Wiesbaden-Schierstein Wer dazwischen über den Fluss will muss eine der sieben Fähren nutzen. Das soll schon lange geändert werden, seit Jahrzehnten wird über eine dauerhafte Mittelrheinquerung debattiert. Die jetzige rheinland-pfälzische Landesregierung macht ernst und möchte eine Brücke bauen.
Ende Juni 2009 vertagte die Unesco die Entscheidung, ob eine Mittelrheinbrücke den Welterbe-Status gefährdet, die Kommission verlangte weitere, ausführlichere Gutachten.
Bei Sankt Goarshausen schiebt sich "Loreley Sechs" gerade ans rechte Rheinufer. Früher lebte man hier vom Fischfang, im Gegensatz zum Salm aber stirbt der Fels nicht aus, und heute trägt das Städtchen den Zusatz "Loreleystadt." Neben der Bundesstraße 42 führt eine Rampe hinunter zum Fähranleger.
Das Schiff mit grünem Rumpf, cremefarbenem Oberdeck hat vorne und hinten Zufahrten, der Schiffsaufbau ist an die Seite gebaut, damit in drei Reihen nebeneinander Autos, LKW, Motorräder passen. "Loreley Sechs" gehört der Familie von Klaus Hammerl. Der 45-Jährige steht vorne an der Rampe.
"Also ehrlich gesagt sehe ich das Problem Mittelrheinquerung gar nicht so extrem, weil seit 2000 Jahren kommen die Leute hier über den Fluss. Das ist erstmal ein Faktum."
Das zweite:
"Unsere Familie betreibt seit oder ist seit 1532 mit dem Fährbetrieb verbunden, meine Familie waren Fährknechte, also Leibeigene, wenn man so will, für den Fährbetrieb und 1794 hat sich mein Urahn Johannes Menges selbstständig gemacht und hat einen Fährbetrieb in Eigenregie aufgemacht, also seit 1532 macht die Familie das, und irgendeiner findet sich dann immer, der’ s weiter macht."
Fast 500 Jahre Familientradition.
Zeit zum Ablegen, die Fähre fährt nach Fahrplan, alle 20 Minuten hin und her. Klaus Hammerl trägt Strohhut und Sonnenbrille, schaut auf’s Wasser.
"Letztlich glaube ich, ist das Mittel, mit dem man den Fluss überquert, weniger wichtig als: was kostet mich das und wie lange warte ich und: kann ich rund um die Uhr rüber. Und das geht eben auch mit ’ner Fähre und nicht nur mit ’nem Tunnel und mit ’ner Brücke, und es ist vor allen Dingen schneller umsetzbar. Dass heißt also, wenn man der Bevölkerung schnell helfen möchte, dann sollte man die Fähren rund um die Uhr fahren lassen oder eben länger."
Hammerls Fähre legt morgens um 6 Uhr zum ersten Mal ab, fährt im Sommer bis abends 23 Uhr, im Winter ist um 21 Uhr Schluss. Wer danach noch die Seite wechseln will, muss mit dem Auto 40 Kilometer bis zur Brücke bei Koblenz fahren, auf der anderen Seite wieder zurück.
"Wir sind hier relativ schwach besiedelt, es sind also nicht so Viele, die rüber wollen, deshalb fahren wir auch nicht, weil sich das für uns nicht rechnet, aber wir könnten das natürlich, wenn wir das bezahlt bekommen."
Eine Entscheidung der Unesco gibt es zwar noch nicht, die Landesregierung aber hat schon die Gewinner eines Brücken-Wettbewerbes präsentiert, seitdem hat die Brücke ein Gesicht: eine schwungvolle S-Form, die auf drei Beinen im Wasser steht. Entworfen von irischen Architekten. Standort der Brücke soll bei den Orten Fellen und Wellmich sein, unmittelbar neben der Fähre von Klaus Hammerl.
"Ich seh das ganz klar: Wenn die Brücke, die wäre ja in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, käme, dann kann ich zumachen. Ganz einfach, weil keiner mehr kommt, weil die Leute hier bezahlen müssen, auf der Brücke nicht."
Und die vier benachbarten Fährlinien würde das genauso betreffen, davon ist Hammerl überzeugt. Ankunft in Sankt Goar. Rheinpassagen heißt eine Bürgerinitiative gegen die Brückenpläne. Ihr Sprecher ist Josef Heinzelmann.
"Wir sehen, dass am Mittelrhein zwei große, alle vom Verkehr abhängige Probleme bestehen, das eine ist der Bahnlärm oder der Verkehrslärm, und das andere ist eben die Frage der Rheinquerung. Die ist also wirklich sehr groß und belastet die Bevölkerung ja auch sehr. Sie können zu bestimmten Zeiten gar nicht mehr über den Rhein, abends, im Winter, eine Wirtschaft kann keinen Koch einstellen, der abends arbeiten soll, wenn der auf dem anderen Ufer lebt, weil er nicht zurückkommt. Und die andere Sache ist die, dass diese Fähren ja Geld kosten, die Beförderung."
Die Lösung aus Sicht der Bürgerinitiative:
"Erstens mal der Verkehr muss kostenlos sein, wird im Allgemeinen vergessen, da hat man sich so dran gewöhnt. Und das Zweite ist: der Verkehr muss wirklich ausgeweitet sein. Das heißt nicht, dass jede Fähre über Nacht fahren muss, aber die Fähren in Bingen und die Fähren in St. Goar/ St. Goarhausen, die müssen über Nacht, sei es auf Abruf, sei es nach Fahrplan fahren, die anderen müssen halt länger fahren. Also das ist klar, schon ungefähr bis Mitternacht. Eines ist notwendig: dass die schlechte Situation mit den Rheinquerungen verbessert wird. Und das hat Gott sei dank eben die Unesco verlangt und da bin ich jetzt doch ganz guten Mutes. Denn: Die Lösung, die wir vorgeschlagen haben - sie ist einfach die billigste, sie ist die günstigste, ich weiß nicht, was dagegen spricht."
Ein Management-Plan sieht den Ausbau der Fährverbindungen für die Region eigentlich vor, doch der wird nicht umgesetzt.
Rheinkilometer 546. Beim linksrheinischen Engelsburg liegt die nächste Fähre.
"Das ist die Fähre ‚Pfalzgrafenstein’ hier, zwischen Kaub und Engelsburg fährt die Fähre. Wir fahren so 50 bis 60 Mal am Tag."
André Kimbel ist Teilhaber der Fähre, er trägt eine Sonnenbrille auf der Nase und eine Tasche mit Wechselgeld um die Hüfte. Eine Brücke will er nicht.
"Weil es meinen Job hier gefährdet, wenn eine Brücke gebaut wird, und es auch für den Tourismus eigentlich nicht sehr förderlich ist, das ist eigentlich das, wovon wir leben hier, von dem sanften Tourismus, also Wanderer und Fahrradfahrer, die dann leider angewiesen wären auf diese eine Querung, wo noch da wäre dann, und nicht mehr die ganzen Fähren zwischen Koblenz und Wiesbaden nutzen können, da sind noch fünf Stellen zu Querung, und so wäre dann nur eine."
Acht Autos stehen an Bord, Urlauber und Einheimische. Die Urlaubsfahrer sind ausgestiegen, genießen die Überfahrt, stehen jetzt auf der rechten Seite, und knipsen die kleine, malerische Burg Pfalzgrafenstein, die mitten im Wasser steht und der Fähre den Namen gibt.
Der Fahrer des weißen Kastenwagens sitzt in seinem Auto. Auf der Tür steht der Name eines hiesigen Sanitätshauses. Die Einheimischen erkennt man daran, dass sie für die begnadete Landschaft keinen Blick mehr haben - und an ihrer Einstellung zum Problem der Flussüberquerung.
"Ne Brücke. Ja! Das wär wirklich ’ne Lösung für mich, hält halt nur auf, ’ne Fähre. Da sollen sie halt’ ne Maut einbauen, hab ich auch nix dagegen, bin immer noch schneller als wenn ich mit der Fähre fahr, ganz einfach, also was soll denn des Geschiss? Nee, also wie gesagt: Ich bin für die Brücke."
André Kimbel steht einige Meter entfernt. Er zuckt mit den Achseln. Von den Handwerkern, den Geschäftsleuten aus der Gegend hier hört er immer das Gleiche.
"Ja klar, die sagen: eine Brücke! Die versprechen sich natürlich mehr Aufträge davon und auch mehr Arbeit, aber ich sag mal: Wenn’s da die Handwerker gibt, gibt’s auch hier die Handwerker, dann fährt der nach da und der nach da, ist also der reine Glaube, wenn man sagt: wir kriegen dadurch mehr Arbeit. Die Politik redet das natürlich auch sehr viel schön, das Ganze, dass man 24 Stunden rund um die Uhr über den Rhein kann. Ich bin auch dafür, dass 24 Stunden über den Rhein gefahren werden kann, gar keine Frage, aber das könnte man auch mit einer 24 Stunden-Fähre erreichen. Wenn in Bingen und St. Goarshausen die Fähren24 Stunden fahren würden, und allein von den Zinsen, was eine Brücke kosten würde, könnten die Fähren alle fünf umsonst 24 Stunden fahren."
Die Brücke würde etwa 50 bis 60 Millionen Euro kosten, der Tunnel 70 bis 80.
Direkt hinter der geschlossenen Rampe steht ein Mann an seinem Auto und überprüft, ob die Fahrräder auf dem Heckträger noch fest sind.
"Wir sind direkt hier von Lorchhausen wir machen heut einen Tagesausflug.
Die Lösung wär hier ’ne Rheinbrücke, entweder, dass es gut aussieht, dass man es der Gegend anpasst, dem Weltkulturerbe, oder wenn es gar nicht anderschter geht,’ ne Unterquerung, aber ’ne Rheinbrücke müsste hier hin, das ist normal, in der heutigen technischen Zeit nicht üblich, dass von Wiesbaden-Schierstein bis nach Koblenz nirgendwo mehr ’ne Brücke es hat, ’ne Rheinquerung, ’ne feste, das sind 90 Kilometer, das gibt’s nicht, das kann nicht sein, die andere Seite ist für uns wie Ausland. Als wär das schon Frankreich."
Auch dieser Anwohner erwartet von der Brücke wirtschaftlichen Aufschwung.
"Und das ist auch, warum so viele junge Leute hier nicht mehr am Ort bleiben, die wegziehen, und warum hier Wohnungen leer stehen und einfach wirtschaftlich und finanziell praktisch ein Rückgang ist, außer die Belebung durch den Tourismus durch den Rheinsteig, das ist aber auch das einzige Positive die letzten zwei, drei Jahre, sonst geht alles hier rückwärts."
Dass ein 24-Stunden-Betrieb der Fähren eine Lösung sein könnte, darauf kommen die Anwohner immer erst auf Nachfrage. 23.000 Unterschriften hat die SPD-nahe Initiative "Rheintalbrücke muss her!" nach Angaben von Initiator Reinhold Petereit gesammelt.
André Kimbel lacht.
"Mh. Die Gegner, die sitzen eigentlich überall, die Industrie- und Handelskammer macht Werbung für eine Brücke, weil sie behauptet, dass dadurch wesentlich mehr Arbeit hierher kommt. Obwohl ich eigentlich die Bezweiflung hab, dass mittelständische Unternehmen sich hier ansiedeln, nur weil eine Brücke vorhanden ist."
Die Landesregierung setzt weiter auf die Brücke und spricht dabei von "Welterbeverträglichkeit". Der internationale Rat für Denkmalpflege ICOMOS beteiligt sich als Berater und Gutachter an der Arbeit des Welterbe-Komitees, und ICOMOS spricht von einem "Attentat auf das Rheintal".
Die "Pfalzgrafenstein" legt in Kaub an. Die Eisenrampe klappt herab, Fußgänger, Autos Radfahrer erklimmen das rechte Rheinufer.
André Kimbel dirigiert Autofahrer auf der Fähre, zum Abschied sagt er:
"Auf eine Brücke kann man schön einen Namen schreiben, auf eine Fähre nicht - als Politiker"."
Fünf Kilometer oberhalb des Fähranlegers sitzt Ute Graßmann in ihrem Wohnzimmer in Dörscheid. Mittelalterliche Kostüme hängen an der Wand.
""Ich bin hier die Ortsgruppe Loreley. Ne ganz normale kleine Ortsgruppe, vertrete aber jetzt den BUND Rhein-Lahn auf Kreisebene hier."
Ute Graßmann ist Künstlerin, leitet eine Mittelalter-Tanzgruppe, aber das ist nur einer ihrer Jobs. Seit 15 Jahren arbeitet sie für den BUND.
"Der BUND vertritt die Position, dass, ob die Brücke nun kommt oder nicht, sie, wenn sie denn kommt, immer noch Jahre braucht, bis sie gebrauchsfertig ist, und bis dato die Bevölkerung in dem Zustand zu belassen, wie wir ihn jetzt haben, ist eigentlich untragbar. Wir machen uns stark für eine dauerhafte Querung der Fähren, am besten rund um die Uhr, A. Und B fordern wir eine preisliche Begünstigung der einheimischen Bevölkerung."
Der BUND hat entschieden, keine Argumente mehr pro und kontra Brückenbau zu sammeln. Dafür dauert allen Beteiligten hier das Gerede schon viel zu lange. Um Argumente geht es am Mittelrhein schon lange nicht mehr, sondern um Emotionen.
"Es gibt ja im Rheintal ganz viele Schutzverordnungen, wir ham das Unesco-Welterbe, wir ham Landschaftsschutzgebiet, wir ham das Naturschutzgebiet Rheinhänge, wir haben Vogelschutzgebiete, also es gibt ja nichts, was wir nicht bald haben, viele behaupten ja, wir hätten schon ’ne Glasglocke hier drüber. Es hat aber nichts, auf keinen Fall nur mit der Optik oder dem Naturschutz zu tun. Hier sind die Themen Verkehrsaufkommen, Ballungsräume, Lärmbelästigung, das Eintauschen von vier Verbindungen zu einer, all das spielt ja da auch mit hinein, es ist nicht nur Naturschutz oder Optik. Also das wäre zu einfach hier."
Von der BUND-Ortsgruppe Loreley sind es nur ein paar Autokilometer und dann 50 steinerne Treppenstufen steil hinauf zum echten Mythos. Dann steht man auf der Loreley, Deutschlands meistbesungenem Felsen.132 Meter über dem Wasser. Oben sind zwar nur Steinbrocken, Bäume und ein Geländer, die Aussicht aber ist ...
Berlinerin/Berliner: "Superschön.”"
""Kann ich nur bestätigen."
Tief unten schlängelt sich der Rhein entlang, der weiße Raddampfer Goethe schaufelt sich majestätisch rheinaufwärts. Erst in einer engen Linkskurve, dann rechts, dann wieder links. Die pure Rheinromantik - hier ist sie.
Zwischen den vielen Besuchern auf der Loreley sind die Meinungen etwa 50 zu 50 geteilt.
Dänische Mutter und Tochter: "Das fände ich ein bisschen schade, fände ich wirklich schade. Weil diese schöne Gegend wird zerstört davon glaube ich."
"Und die Straßen dazu, wenn da eine Brücke kommt. Zerstört viel."
Bonner: "Bei dem Verkehrsaufkommen hier im Rheintal, wenn ich sehe beide Eisenbahnlinien gehen vorbei, auf jeder Seite ’ne Autostraße, Touristen werden immer mehr: also ich wäre schon für ’ne Brücke, also damit dat Rheintal schon mal vom Autoverkehr mehr entlastet wird und dat doch bequemer wird."
Bonnerin: "Es ist für Urlauber schön, aber für Berufspendler nicht machbar, finde ich."
Schwäbin: "Das wär scho schad, wenn des durch e Brück verschandelt würd, da die Aussicht."
"Jed Sach hat zwei Seiten, immer schwierig, es gibt immer Befürworter und welche, die wo das denn ablehnet."
Ob mit oder ohne Welterbe, klar ist jedenfalls: Diese Brücke, auch wenn man sie von der Loreley nicht sehen könnte: Sie würde nicht alles und nicht alle verbinden.
Sachsen-Anhalt
Von Susanne Arlt
Nach dem Dresdner Elbtal könnte bald auch dem Dessau-Wörlitzer Gartenreich der Verlust des Weltkulturerbetitels drohen. 43 Flusskilometer durchqueren die wunderschöne Weltkulturlandschaft. Doch weil die Elbe ganzjährig schiffbar sein soll, wird sie seit Jahren künstlich vertieft. Das hat zur Folge, dass der Fluss immer schneller fließt und der Wasserspiegel stetig sinkt. Das Gartenreich mit seiner wunderschönen Auenlandschaft aber ist von den Wasserständen der Elbe existentiell abhängig. Die Vertiefung, sagen Experten, führe zu einer schleichenden Austrocknung der Auen- und Parklandschaften.
Wohin das Auge des Betrachters auch schaut, es kann sich satt sehen an groß angelegten, saftig grünen Wiesen. Am Wegesrand stehen exotische Tulpenbäume, wachsen über 100 Jahre alte Buchen, immergrüne Eiben, duften Lerchen und Kiefern. In weiter Ferne taucht eine Trauerweide ihre Zweige ins Wasser. Enten schwimmen auf dem Wörlitzer See. Wer in diesen Sommertagen durch das wunderschöne Gartenreich Dessau-Wörlitz streift, der sieht dieses Welterbe der Menschheit nicht wirklich in Gefahr.
Aber die Idylle trügt, sagt Ernst-Paul Dörfler. Der Leiter des Elbeprojektes des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland warnt, nach dem Dresdner Elbtal könnte auch der Wörlitzer Park seinen Welterbetitel verlieren. Der Grund: Bau- und Instandsetzungsmaßnahmen an der Elbe haben die Flusssohle vertiefen lassen. Jedes Jahr, schätzt Dörfler, frisst sich durch Erosionen die Elbe um weitere ein bis drei Zentimeter in die Tiefe. Somit fällt bei Niedrigwasser schleichend der Wasserspiegel und die Auen und das Gartenreich werden mit immer weniger Wasser versorgt. Ernst-Paul Dörfler spricht von keiner akuten, aber von einer schleichenden Gefahr.
"Wenn der Schaden erst eingetreten ist und der Fluss sich weiter eingetieft hat und das Wasser der Aue erheblich verknappt ist und die Eichen dann abgestorben sind, dann ist dieser Schaden irreversibel und nicht umkehrbar."
Seit 17 Jahren setzt sich Ernst-Paul Dörfler gegen den geplanten Ausbau der Elbe und für den Erhalt der Auenlandschaft ein. Inzwischen fühlt er sich in seinen Bestrebungen auch von offizieller Seite bestätigt. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, die dem Bundesverkehrsministerium untersteht, stellte jetzt in einem Dokument fest: Ursache für die Zitat "erhebliche Gefährdung" sei die fortschreitende Flussvertiefung und die damit in Verbindung stehende schleichende Austrocknung der Auenlandschaft aufgrund von Wassermangel. Ernst-Paul Dörfler:
"Nicht zuletzt hängt das auch damit zusammen, dass die Europäische Union neue Richtlinien erlassen hat, wonach der ökologische Zustand unserer Gewässer bis 2015 verbessert werden muss. Das Ziel ist einen guten ökologischen Zustand zu erreichen und den hat die Elbe noch nicht."
Ernst-Paul Dörfler schätzt, dass etwa 80 Prozent der Solitäreichen an den Flussauen und in dem Gartenreich Dessau-Wörlitz unter dem Wassermangel bereits leiden. Thomas Weiss, Direktor der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, die für den Erhalt der Schlösser, Parks und Gärten an der Elbe zuständig ist, hält diese Zahl für zu hoch gegriffen. Er teilt zwar die Sorge des Umweltschützers, denn in den vergangenen 20 Jahren habe sich der Zustand der Hölzer durchaus verändert.
"Ich sehe nicht in unmittelbarer Zeit diese Gefahr, dass der Welterbetitel aberkannt würde. Aber ich meine, man muss es einfach beobachten alles was eben unter der Erde stattfindet. Dass man für den Erhalt der Landschaft, wenn man sie jetzt so haben möchte wie sie jetzt ist mit diesem dichten Auenwald, dass man dann eben darauf achten muss, dass diese Sorten wie eine Pflanze im Zimmer, dass sie regelmäßig gegossen wird. Da es aber in so großen Zeiträumen stattfindet, ist die Gefahr jetzt nicht so virulent, dass man sofort reagieren müsste."
Der Stiftungsdirektor betont, wirtschaftliche Interessen und kulturhistorische Belange in dieser noch intakten Auenlandschaft müssen gleichermaßen berücksichtigt werden. Ende des 18. Jahrhunderts schuf Fürst Leopold der III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau hier einst auf dem europäischen Kontinent den ersten und bedeutendsten Landschaftsgarten nach englischem Vorbild. Das Schöne sollte nützlich und das Nützliche schön sein. Dafür startete er ein umfassendes Arbeitsbeschaffungsprogramm, von dem auch Arme und Arbeitslose profitierten. Den Unesco-Status hat das Gartenreich nicht nur wegen seiner Schönheit, sondern auch aufgrund dieser Gedanken erhalten. Thomas Weiss hofft, dass das Bundesverkehrsministerium aufgrund der neuen Erkenntnis künftig nicht nur die Wirtschaftlichkeit der Elbe im Blick hat.
Von Tim-Hannes Schauen
Die von der Unesco geführte Liste des Weltkulturerbes umfasst insgesamt 890 Denkmäler in 148 Ländern. Nachdem Dresden von dieser Liste gestrichen wurde, befinden sich davon in Deutschland noch 32 Natur- und Kulturdenkmäler. Seit vielen Jahren gibt es im Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal, also zwischen Bingen und Koblenz, Pläne, eine Brücke über den Rhein zu bauen. Auf den gut 85 Kilometern gibt es bislang keine. Eine Brücke muss also her, sagen die einen. Auf keinen Fall, sagen die anderen.
"Wir sind aus Sachsen, es ist dasselbe Problem wie bei der Waldschlösschenbrücke."
"Also meine Freunde sagen, dass sie die Brücke nicht wollen, aber es kommt drauf an, wer das jetzt ist und wie oft der hin und rüber fährt."
"Hat beides seine Vor- und Nachteile, aber die Brücke ist natürlich flexibler, man kann auch mal nachts hin und her fahren."
"Die Diskussionen um die Brücke können eigentlich nur Leute verstehen, die hier direkt wohnen. Andere Leute können das gar nicht nachvollziehen, weil die Fähren hier zu dem Tal dazugehören wie die Kirschen zur Schwarzwälder Torte."
Mitten im Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal. Unten der breite Fluss, links und rechts steile Hänge. Spaliere von grünen Weinreben wechseln sich ab mit großen Laubbäumen und schroffen Felsen. Mittelalterliche Burgen oder Burgruinen – immer noch erhaben – kleben auf einem Felsvorsprung über dem Wasser. Auf beiden Seiten teilen sich kleine Städtchen den engen Raum zwischen Fluss und Hang mit einer Bundesstraße und einer doppelgleisigen Bahntrasse.
Seit 2002 ist der 65 Kilometer lange Abschnitt von Koblenz im Norden bis Rüdesheim/Bingen im Süden auf der Unesco-Weltkulturerbeliste. Bei Horchheim führt eine Brücke über den Rhein, die nächste 85 Kilometer rheinaufwärts bei Wiesbaden-Schierstein Wer dazwischen über den Fluss will muss eine der sieben Fähren nutzen. Das soll schon lange geändert werden, seit Jahrzehnten wird über eine dauerhafte Mittelrheinquerung debattiert. Die jetzige rheinland-pfälzische Landesregierung macht ernst und möchte eine Brücke bauen.
Ende Juni 2009 vertagte die Unesco die Entscheidung, ob eine Mittelrheinbrücke den Welterbe-Status gefährdet, die Kommission verlangte weitere, ausführlichere Gutachten.
Bei Sankt Goarshausen schiebt sich "Loreley Sechs" gerade ans rechte Rheinufer. Früher lebte man hier vom Fischfang, im Gegensatz zum Salm aber stirbt der Fels nicht aus, und heute trägt das Städtchen den Zusatz "Loreleystadt." Neben der Bundesstraße 42 führt eine Rampe hinunter zum Fähranleger.
Das Schiff mit grünem Rumpf, cremefarbenem Oberdeck hat vorne und hinten Zufahrten, der Schiffsaufbau ist an die Seite gebaut, damit in drei Reihen nebeneinander Autos, LKW, Motorräder passen. "Loreley Sechs" gehört der Familie von Klaus Hammerl. Der 45-Jährige steht vorne an der Rampe.
"Also ehrlich gesagt sehe ich das Problem Mittelrheinquerung gar nicht so extrem, weil seit 2000 Jahren kommen die Leute hier über den Fluss. Das ist erstmal ein Faktum."
Das zweite:
"Unsere Familie betreibt seit oder ist seit 1532 mit dem Fährbetrieb verbunden, meine Familie waren Fährknechte, also Leibeigene, wenn man so will, für den Fährbetrieb und 1794 hat sich mein Urahn Johannes Menges selbstständig gemacht und hat einen Fährbetrieb in Eigenregie aufgemacht, also seit 1532 macht die Familie das, und irgendeiner findet sich dann immer, der’ s weiter macht."
Fast 500 Jahre Familientradition.
Zeit zum Ablegen, die Fähre fährt nach Fahrplan, alle 20 Minuten hin und her. Klaus Hammerl trägt Strohhut und Sonnenbrille, schaut auf’s Wasser.
"Letztlich glaube ich, ist das Mittel, mit dem man den Fluss überquert, weniger wichtig als: was kostet mich das und wie lange warte ich und: kann ich rund um die Uhr rüber. Und das geht eben auch mit ’ner Fähre und nicht nur mit ’nem Tunnel und mit ’ner Brücke, und es ist vor allen Dingen schneller umsetzbar. Dass heißt also, wenn man der Bevölkerung schnell helfen möchte, dann sollte man die Fähren rund um die Uhr fahren lassen oder eben länger."
Hammerls Fähre legt morgens um 6 Uhr zum ersten Mal ab, fährt im Sommer bis abends 23 Uhr, im Winter ist um 21 Uhr Schluss. Wer danach noch die Seite wechseln will, muss mit dem Auto 40 Kilometer bis zur Brücke bei Koblenz fahren, auf der anderen Seite wieder zurück.
"Wir sind hier relativ schwach besiedelt, es sind also nicht so Viele, die rüber wollen, deshalb fahren wir auch nicht, weil sich das für uns nicht rechnet, aber wir könnten das natürlich, wenn wir das bezahlt bekommen."
Eine Entscheidung der Unesco gibt es zwar noch nicht, die Landesregierung aber hat schon die Gewinner eines Brücken-Wettbewerbes präsentiert, seitdem hat die Brücke ein Gesicht: eine schwungvolle S-Form, die auf drei Beinen im Wasser steht. Entworfen von irischen Architekten. Standort der Brücke soll bei den Orten Fellen und Wellmich sein, unmittelbar neben der Fähre von Klaus Hammerl.
"Ich seh das ganz klar: Wenn die Brücke, die wäre ja in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, käme, dann kann ich zumachen. Ganz einfach, weil keiner mehr kommt, weil die Leute hier bezahlen müssen, auf der Brücke nicht."
Und die vier benachbarten Fährlinien würde das genauso betreffen, davon ist Hammerl überzeugt. Ankunft in Sankt Goar. Rheinpassagen heißt eine Bürgerinitiative gegen die Brückenpläne. Ihr Sprecher ist Josef Heinzelmann.
"Wir sehen, dass am Mittelrhein zwei große, alle vom Verkehr abhängige Probleme bestehen, das eine ist der Bahnlärm oder der Verkehrslärm, und das andere ist eben die Frage der Rheinquerung. Die ist also wirklich sehr groß und belastet die Bevölkerung ja auch sehr. Sie können zu bestimmten Zeiten gar nicht mehr über den Rhein, abends, im Winter, eine Wirtschaft kann keinen Koch einstellen, der abends arbeiten soll, wenn der auf dem anderen Ufer lebt, weil er nicht zurückkommt. Und die andere Sache ist die, dass diese Fähren ja Geld kosten, die Beförderung."
Die Lösung aus Sicht der Bürgerinitiative:
"Erstens mal der Verkehr muss kostenlos sein, wird im Allgemeinen vergessen, da hat man sich so dran gewöhnt. Und das Zweite ist: der Verkehr muss wirklich ausgeweitet sein. Das heißt nicht, dass jede Fähre über Nacht fahren muss, aber die Fähren in Bingen und die Fähren in St. Goar/ St. Goarhausen, die müssen über Nacht, sei es auf Abruf, sei es nach Fahrplan fahren, die anderen müssen halt länger fahren. Also das ist klar, schon ungefähr bis Mitternacht. Eines ist notwendig: dass die schlechte Situation mit den Rheinquerungen verbessert wird. Und das hat Gott sei dank eben die Unesco verlangt und da bin ich jetzt doch ganz guten Mutes. Denn: Die Lösung, die wir vorgeschlagen haben - sie ist einfach die billigste, sie ist die günstigste, ich weiß nicht, was dagegen spricht."
Ein Management-Plan sieht den Ausbau der Fährverbindungen für die Region eigentlich vor, doch der wird nicht umgesetzt.
Rheinkilometer 546. Beim linksrheinischen Engelsburg liegt die nächste Fähre.
"Das ist die Fähre ‚Pfalzgrafenstein’ hier, zwischen Kaub und Engelsburg fährt die Fähre. Wir fahren so 50 bis 60 Mal am Tag."
André Kimbel ist Teilhaber der Fähre, er trägt eine Sonnenbrille auf der Nase und eine Tasche mit Wechselgeld um die Hüfte. Eine Brücke will er nicht.
"Weil es meinen Job hier gefährdet, wenn eine Brücke gebaut wird, und es auch für den Tourismus eigentlich nicht sehr förderlich ist, das ist eigentlich das, wovon wir leben hier, von dem sanften Tourismus, also Wanderer und Fahrradfahrer, die dann leider angewiesen wären auf diese eine Querung, wo noch da wäre dann, und nicht mehr die ganzen Fähren zwischen Koblenz und Wiesbaden nutzen können, da sind noch fünf Stellen zu Querung, und so wäre dann nur eine."
Acht Autos stehen an Bord, Urlauber und Einheimische. Die Urlaubsfahrer sind ausgestiegen, genießen die Überfahrt, stehen jetzt auf der rechten Seite, und knipsen die kleine, malerische Burg Pfalzgrafenstein, die mitten im Wasser steht und der Fähre den Namen gibt.
Der Fahrer des weißen Kastenwagens sitzt in seinem Auto. Auf der Tür steht der Name eines hiesigen Sanitätshauses. Die Einheimischen erkennt man daran, dass sie für die begnadete Landschaft keinen Blick mehr haben - und an ihrer Einstellung zum Problem der Flussüberquerung.
"Ne Brücke. Ja! Das wär wirklich ’ne Lösung für mich, hält halt nur auf, ’ne Fähre. Da sollen sie halt’ ne Maut einbauen, hab ich auch nix dagegen, bin immer noch schneller als wenn ich mit der Fähre fahr, ganz einfach, also was soll denn des Geschiss? Nee, also wie gesagt: Ich bin für die Brücke."
André Kimbel steht einige Meter entfernt. Er zuckt mit den Achseln. Von den Handwerkern, den Geschäftsleuten aus der Gegend hier hört er immer das Gleiche.
"Ja klar, die sagen: eine Brücke! Die versprechen sich natürlich mehr Aufträge davon und auch mehr Arbeit, aber ich sag mal: Wenn’s da die Handwerker gibt, gibt’s auch hier die Handwerker, dann fährt der nach da und der nach da, ist also der reine Glaube, wenn man sagt: wir kriegen dadurch mehr Arbeit. Die Politik redet das natürlich auch sehr viel schön, das Ganze, dass man 24 Stunden rund um die Uhr über den Rhein kann. Ich bin auch dafür, dass 24 Stunden über den Rhein gefahren werden kann, gar keine Frage, aber das könnte man auch mit einer 24 Stunden-Fähre erreichen. Wenn in Bingen und St. Goarshausen die Fähren24 Stunden fahren würden, und allein von den Zinsen, was eine Brücke kosten würde, könnten die Fähren alle fünf umsonst 24 Stunden fahren."
Die Brücke würde etwa 50 bis 60 Millionen Euro kosten, der Tunnel 70 bis 80.
Direkt hinter der geschlossenen Rampe steht ein Mann an seinem Auto und überprüft, ob die Fahrräder auf dem Heckträger noch fest sind.
"Wir sind direkt hier von Lorchhausen wir machen heut einen Tagesausflug.
Die Lösung wär hier ’ne Rheinbrücke, entweder, dass es gut aussieht, dass man es der Gegend anpasst, dem Weltkulturerbe, oder wenn es gar nicht anderschter geht,’ ne Unterquerung, aber ’ne Rheinbrücke müsste hier hin, das ist normal, in der heutigen technischen Zeit nicht üblich, dass von Wiesbaden-Schierstein bis nach Koblenz nirgendwo mehr ’ne Brücke es hat, ’ne Rheinquerung, ’ne feste, das sind 90 Kilometer, das gibt’s nicht, das kann nicht sein, die andere Seite ist für uns wie Ausland. Als wär das schon Frankreich."
Auch dieser Anwohner erwartet von der Brücke wirtschaftlichen Aufschwung.
"Und das ist auch, warum so viele junge Leute hier nicht mehr am Ort bleiben, die wegziehen, und warum hier Wohnungen leer stehen und einfach wirtschaftlich und finanziell praktisch ein Rückgang ist, außer die Belebung durch den Tourismus durch den Rheinsteig, das ist aber auch das einzige Positive die letzten zwei, drei Jahre, sonst geht alles hier rückwärts."
Dass ein 24-Stunden-Betrieb der Fähren eine Lösung sein könnte, darauf kommen die Anwohner immer erst auf Nachfrage. 23.000 Unterschriften hat die SPD-nahe Initiative "Rheintalbrücke muss her!" nach Angaben von Initiator Reinhold Petereit gesammelt.
André Kimbel lacht.
"Mh. Die Gegner, die sitzen eigentlich überall, die Industrie- und Handelskammer macht Werbung für eine Brücke, weil sie behauptet, dass dadurch wesentlich mehr Arbeit hierher kommt. Obwohl ich eigentlich die Bezweiflung hab, dass mittelständische Unternehmen sich hier ansiedeln, nur weil eine Brücke vorhanden ist."
Die Landesregierung setzt weiter auf die Brücke und spricht dabei von "Welterbeverträglichkeit". Der internationale Rat für Denkmalpflege ICOMOS beteiligt sich als Berater und Gutachter an der Arbeit des Welterbe-Komitees, und ICOMOS spricht von einem "Attentat auf das Rheintal".
Die "Pfalzgrafenstein" legt in Kaub an. Die Eisenrampe klappt herab, Fußgänger, Autos Radfahrer erklimmen das rechte Rheinufer.
André Kimbel dirigiert Autofahrer auf der Fähre, zum Abschied sagt er:
"Auf eine Brücke kann man schön einen Namen schreiben, auf eine Fähre nicht - als Politiker"."
Fünf Kilometer oberhalb des Fähranlegers sitzt Ute Graßmann in ihrem Wohnzimmer in Dörscheid. Mittelalterliche Kostüme hängen an der Wand.
""Ich bin hier die Ortsgruppe Loreley. Ne ganz normale kleine Ortsgruppe, vertrete aber jetzt den BUND Rhein-Lahn auf Kreisebene hier."
Ute Graßmann ist Künstlerin, leitet eine Mittelalter-Tanzgruppe, aber das ist nur einer ihrer Jobs. Seit 15 Jahren arbeitet sie für den BUND.
"Der BUND vertritt die Position, dass, ob die Brücke nun kommt oder nicht, sie, wenn sie denn kommt, immer noch Jahre braucht, bis sie gebrauchsfertig ist, und bis dato die Bevölkerung in dem Zustand zu belassen, wie wir ihn jetzt haben, ist eigentlich untragbar. Wir machen uns stark für eine dauerhafte Querung der Fähren, am besten rund um die Uhr, A. Und B fordern wir eine preisliche Begünstigung der einheimischen Bevölkerung."
Der BUND hat entschieden, keine Argumente mehr pro und kontra Brückenbau zu sammeln. Dafür dauert allen Beteiligten hier das Gerede schon viel zu lange. Um Argumente geht es am Mittelrhein schon lange nicht mehr, sondern um Emotionen.
"Es gibt ja im Rheintal ganz viele Schutzverordnungen, wir ham das Unesco-Welterbe, wir ham Landschaftsschutzgebiet, wir ham das Naturschutzgebiet Rheinhänge, wir haben Vogelschutzgebiete, also es gibt ja nichts, was wir nicht bald haben, viele behaupten ja, wir hätten schon ’ne Glasglocke hier drüber. Es hat aber nichts, auf keinen Fall nur mit der Optik oder dem Naturschutz zu tun. Hier sind die Themen Verkehrsaufkommen, Ballungsräume, Lärmbelästigung, das Eintauschen von vier Verbindungen zu einer, all das spielt ja da auch mit hinein, es ist nicht nur Naturschutz oder Optik. Also das wäre zu einfach hier."
Von der BUND-Ortsgruppe Loreley sind es nur ein paar Autokilometer und dann 50 steinerne Treppenstufen steil hinauf zum echten Mythos. Dann steht man auf der Loreley, Deutschlands meistbesungenem Felsen.132 Meter über dem Wasser. Oben sind zwar nur Steinbrocken, Bäume und ein Geländer, die Aussicht aber ist ...
Berlinerin/Berliner: "Superschön.”"
""Kann ich nur bestätigen."
Tief unten schlängelt sich der Rhein entlang, der weiße Raddampfer Goethe schaufelt sich majestätisch rheinaufwärts. Erst in einer engen Linkskurve, dann rechts, dann wieder links. Die pure Rheinromantik - hier ist sie.
Zwischen den vielen Besuchern auf der Loreley sind die Meinungen etwa 50 zu 50 geteilt.
Dänische Mutter und Tochter: "Das fände ich ein bisschen schade, fände ich wirklich schade. Weil diese schöne Gegend wird zerstört davon glaube ich."
"Und die Straßen dazu, wenn da eine Brücke kommt. Zerstört viel."
Bonner: "Bei dem Verkehrsaufkommen hier im Rheintal, wenn ich sehe beide Eisenbahnlinien gehen vorbei, auf jeder Seite ’ne Autostraße, Touristen werden immer mehr: also ich wäre schon für ’ne Brücke, also damit dat Rheintal schon mal vom Autoverkehr mehr entlastet wird und dat doch bequemer wird."
Bonnerin: "Es ist für Urlauber schön, aber für Berufspendler nicht machbar, finde ich."
Schwäbin: "Das wär scho schad, wenn des durch e Brück verschandelt würd, da die Aussicht."
"Jed Sach hat zwei Seiten, immer schwierig, es gibt immer Befürworter und welche, die wo das denn ablehnet."
Ob mit oder ohne Welterbe, klar ist jedenfalls: Diese Brücke, auch wenn man sie von der Loreley nicht sehen könnte: Sie würde nicht alles und nicht alle verbinden.
Sachsen-Anhalt
Von Susanne Arlt
Nach dem Dresdner Elbtal könnte bald auch dem Dessau-Wörlitzer Gartenreich der Verlust des Weltkulturerbetitels drohen. 43 Flusskilometer durchqueren die wunderschöne Weltkulturlandschaft. Doch weil die Elbe ganzjährig schiffbar sein soll, wird sie seit Jahren künstlich vertieft. Das hat zur Folge, dass der Fluss immer schneller fließt und der Wasserspiegel stetig sinkt. Das Gartenreich mit seiner wunderschönen Auenlandschaft aber ist von den Wasserständen der Elbe existentiell abhängig. Die Vertiefung, sagen Experten, führe zu einer schleichenden Austrocknung der Auen- und Parklandschaften.
Wohin das Auge des Betrachters auch schaut, es kann sich satt sehen an groß angelegten, saftig grünen Wiesen. Am Wegesrand stehen exotische Tulpenbäume, wachsen über 100 Jahre alte Buchen, immergrüne Eiben, duften Lerchen und Kiefern. In weiter Ferne taucht eine Trauerweide ihre Zweige ins Wasser. Enten schwimmen auf dem Wörlitzer See. Wer in diesen Sommertagen durch das wunderschöne Gartenreich Dessau-Wörlitz streift, der sieht dieses Welterbe der Menschheit nicht wirklich in Gefahr.
Aber die Idylle trügt, sagt Ernst-Paul Dörfler. Der Leiter des Elbeprojektes des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland warnt, nach dem Dresdner Elbtal könnte auch der Wörlitzer Park seinen Welterbetitel verlieren. Der Grund: Bau- und Instandsetzungsmaßnahmen an der Elbe haben die Flusssohle vertiefen lassen. Jedes Jahr, schätzt Dörfler, frisst sich durch Erosionen die Elbe um weitere ein bis drei Zentimeter in die Tiefe. Somit fällt bei Niedrigwasser schleichend der Wasserspiegel und die Auen und das Gartenreich werden mit immer weniger Wasser versorgt. Ernst-Paul Dörfler spricht von keiner akuten, aber von einer schleichenden Gefahr.
"Wenn der Schaden erst eingetreten ist und der Fluss sich weiter eingetieft hat und das Wasser der Aue erheblich verknappt ist und die Eichen dann abgestorben sind, dann ist dieser Schaden irreversibel und nicht umkehrbar."
Seit 17 Jahren setzt sich Ernst-Paul Dörfler gegen den geplanten Ausbau der Elbe und für den Erhalt der Auenlandschaft ein. Inzwischen fühlt er sich in seinen Bestrebungen auch von offizieller Seite bestätigt. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, die dem Bundesverkehrsministerium untersteht, stellte jetzt in einem Dokument fest: Ursache für die Zitat "erhebliche Gefährdung" sei die fortschreitende Flussvertiefung und die damit in Verbindung stehende schleichende Austrocknung der Auenlandschaft aufgrund von Wassermangel. Ernst-Paul Dörfler:
"Nicht zuletzt hängt das auch damit zusammen, dass die Europäische Union neue Richtlinien erlassen hat, wonach der ökologische Zustand unserer Gewässer bis 2015 verbessert werden muss. Das Ziel ist einen guten ökologischen Zustand zu erreichen und den hat die Elbe noch nicht."
Ernst-Paul Dörfler schätzt, dass etwa 80 Prozent der Solitäreichen an den Flussauen und in dem Gartenreich Dessau-Wörlitz unter dem Wassermangel bereits leiden. Thomas Weiss, Direktor der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, die für den Erhalt der Schlösser, Parks und Gärten an der Elbe zuständig ist, hält diese Zahl für zu hoch gegriffen. Er teilt zwar die Sorge des Umweltschützers, denn in den vergangenen 20 Jahren habe sich der Zustand der Hölzer durchaus verändert.
"Ich sehe nicht in unmittelbarer Zeit diese Gefahr, dass der Welterbetitel aberkannt würde. Aber ich meine, man muss es einfach beobachten alles was eben unter der Erde stattfindet. Dass man für den Erhalt der Landschaft, wenn man sie jetzt so haben möchte wie sie jetzt ist mit diesem dichten Auenwald, dass man dann eben darauf achten muss, dass diese Sorten wie eine Pflanze im Zimmer, dass sie regelmäßig gegossen wird. Da es aber in so großen Zeiträumen stattfindet, ist die Gefahr jetzt nicht so virulent, dass man sofort reagieren müsste."
Der Stiftungsdirektor betont, wirtschaftliche Interessen und kulturhistorische Belange in dieser noch intakten Auenlandschaft müssen gleichermaßen berücksichtigt werden. Ende des 18. Jahrhunderts schuf Fürst Leopold der III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau hier einst auf dem europäischen Kontinent den ersten und bedeutendsten Landschaftsgarten nach englischem Vorbild. Das Schöne sollte nützlich und das Nützliche schön sein. Dafür startete er ein umfassendes Arbeitsbeschaffungsprogramm, von dem auch Arme und Arbeitslose profitierten. Den Unesco-Status hat das Gartenreich nicht nur wegen seiner Schönheit, sondern auch aufgrund dieser Gedanken erhalten. Thomas Weiss hofft, dass das Bundesverkehrsministerium aufgrund der neuen Erkenntnis künftig nicht nur die Wirtschaftlichkeit der Elbe im Blick hat.