Warum das Boxen dahinsiecht
Als Wladimir Klitschko spektakulär seinen Titel an den Briten Tyson Fury verlor, interessierte das fast niemanden. Der Box-Sport taumelt der Bedeutungslosigkeit entgegen - Mixed Martial Arts wird immer wichtiger. Das Boxen ist aber auch selbst Schuld an dieser Entwicklung, kommentiert Stefan Osterhaus.
Woran liegt es eigentlich, dass sich kaum noch jemand für Wladimir Klitschko interessiert? Vielleicht daran, dass es ihn schon zu lange gibt im Boxgeschäft? Oder kann es sein, dass das Boxen Konkurrenz bekommen hat - Konkurrenz von einer anderen Kampfsportart, deren Kämpfer große Hallen mittlerweile lässig füllen: Mixed Martial Arts. Da geht es richtig zur Sache, immer feste drauf. Würgen, schlagen, treten - aktionsreicher als das Boxen, aber auch weniger geschmeidig, eine Keilerei im Wortsinn. Ein vollkommen enthemmter Kampf, und man könnte auf die Idee kommen, dass Mixed Martial Arts deshalb gut in eine Zeit passt, die allmählich immer rauer und rauer wird.
Bei Mixed Martial Arts wird scheinbar regellos geprügelt
Keine Frage, Mixed Martial Arts ist anders als Boxen. Und in manchen Ländern schon eine richtig große Nummer. Das Boxen lebt von der Einfachheit der Regeln, die sich jedem erschließen. Mixed Martial Arts aber hat auf den ersten Blick keine. Natürlich werden jetzt die Fans aufschreien und sagen, dass es etliche Regeln gibt, und das stimmt auch. Aber verglichen mit dem Boxen wirken sie wie das Kleingedruckte in einer Nutzungsvereinbarung - eine Vereinbarung, die doch kaum einer liest, wenn er sich die Aktualisierung eines Programms herunter lädt. Deshalb wird augenscheinlich regellos geprügelt. Und die Leute mögen es.
Man raubte dem Box-Sport alle Transparenz
Aber könnte Mixed Martial Arts so reüssieren, wenn sich das Boxen das Leben nicht selber schwer gemacht hätte? Denn auf eine besondere Weise hat sich das Profiboxen auch seine ganz eigenen Regeln außerhalb des Rings geschaffen. Indem es immer mehr Verbände und Weltmeister gab, indem man auf diese Weise versuchte, eine wundersame Kapitalvermehrung zu erreichen, raubte man dem Sport alle Transparenz. Wer durch das Dickicht der mehr als 60 Weltmeister steigen will, der kommt sich vor, als kämpfe er sich durch das Kleingedruckte einer Nutzungsvereinbarung, um am Ende doch längst nicht alles verstanden zu haben.
So siecht das Boxen langsam dahin. Bedauerlich? Ganz bestimmt. Aber irgendwie auch selber schuld.