Die Ausstellung "Antworten auf Calder - Mobiles in der Gegenwartskunst" findet vom 7. September bis 23. November 2014 in der Kunsthalle Wilhelmshaven statt.
Filigrane Freischwinger
Die Kunsthalle Wilhelmshaven macht immer wieder mit originellen Ausstellungsideen von sich reden. Auf den Spuren des US-Künstlers Alexander Calder lässt man dort nun Mobiles von der Decke baumeln. Darunter Hosen, Designerstühle - und Schweineohren.
Ein Dutzend Hosen hat in der Kunsthalle Wilhelmshaven die Lufthoheit übernommen - diese Original-Beinkleider, mal einfarbig, mal neckisch kariert, hängen in einem riesigen Mobile über dem Boden und lassen sich per Hand in Bewegung setzen. Dann scheinen sie zu den Lautsprecher-Klängen zu tanzen.
Doch auch ohne den Zugriff des Besuchers wirken diese Hosen dynamisch: als wäre der jeweilige Mann in ihnen gerade noch unterwegs gewesen und hätte sich urplötzlich verflüchtigt. Die maskuline Außenhaut als Überbleibsel urbaner Betriebsamkeit, eine Versammlung hängender Hosen als ironischer Kommentar zum täglichen, Bedeutung heischenden Business. Nicht abwegig, wenn der verantwortliche Künstler William Engelen im Prospekt als Gesellschaftskritiker ausgegeben wird. Ist er das wirklich?
"In keinerlei Weise! Ich übe mit dieser Arbeit keine Kritik an der Gesellschaft. Es ist eigentlich ein kleines Porträt von mir - es sind die Hosen, die ich in den letzten 15, 20 Jahren getragen habe. Ich habe sie alle aufgehoben, ich weiß nicht warum - jedenfalls nicht in der Absicht, sie alle mal in einer Skulptur zu verwenden. Einige habe ich nur zu Hause getragen, weil sie sehr bequem sind, andere habe ich aufgehoben für chice Gelegenheiten, für Eröffnungen. Und da ich nicht dicker oder dünner geworden bin, sondern meine Figur behalten habe, konnte ich sie auch über Jahre tragen.”
Doch auch ohne den Zugriff des Besuchers wirken diese Hosen dynamisch: als wäre der jeweilige Mann in ihnen gerade noch unterwegs gewesen und hätte sich urplötzlich verflüchtigt. Die maskuline Außenhaut als Überbleibsel urbaner Betriebsamkeit, eine Versammlung hängender Hosen als ironischer Kommentar zum täglichen, Bedeutung heischenden Business. Nicht abwegig, wenn der verantwortliche Künstler William Engelen im Prospekt als Gesellschaftskritiker ausgegeben wird. Ist er das wirklich?
"In keinerlei Weise! Ich übe mit dieser Arbeit keine Kritik an der Gesellschaft. Es ist eigentlich ein kleines Porträt von mir - es sind die Hosen, die ich in den letzten 15, 20 Jahren getragen habe. Ich habe sie alle aufgehoben, ich weiß nicht warum - jedenfalls nicht in der Absicht, sie alle mal in einer Skulptur zu verwenden. Einige habe ich nur zu Hause getragen, weil sie sehr bequem sind, andere habe ich aufgehoben für chice Gelegenheiten, für Eröffnungen. Und da ich nicht dicker oder dünner geworden bin, sondern meine Figur behalten habe, konnte ich sie auch über Jahre tragen.”
Nähe zu Malerei, Bildhauerei und Performance
Soviel hing in dieser Kunsthalle noch nie von der Decke. Als erste europäische Ausstellung zu Alexander Calders Spuren in der Gegenwartskunst firmiert diese Schau ganz ohne falsche Bescheidenheit. Die Direktorin Viola Weigel ist sich sicher, hier auf eine wichtige Tendenz der zeitgenössischen Szene gestoßen zu sein:
"Diesen Trend gibt es natürlich. Mobiles haben seit den 90er-Jahren Auftrieb erhalten, eine erste Ausstellung in den USA hat dazu auch schon Stellung genommen. Ich habe das in den letzten fünf Jahren in den Ateliers und bei meinen Rundgängen auf Kunstmessen beobachtet und habe nun acht Positionen ausgewählt, die diesen Trend in einer sehr vielgestaltigen Weise repräsentieren. Es sind Grenzgänge von der bildenden Kunst zur Musik, zum Design und zum Theater. Und gerade in der heutigen Kunst wechseln die Künstler häufig ihr Metier: Ein Bildhauer kann Maler sein, oder er wird tätig im Bereich Theater. Gerade durch diese Interdisziplinarität hat sich das Mobile als offene Kunstform besonders angeboten.”
Ob es sich bei den präsentierten Werken immer um bewusste Antworten auf Alexander Calder handelt, auf die Eroberung des Raums durch seine Mobiles? Deutlich ist immerhin, dass die einst so innovative Form mit den Attributen der Leichtigkeit, der Poesie und eigenwilligen Bewegung ihren Reiz auch durch den kunstgewerblichen Verschleiß in Möbelgeschäften nicht verloren hat - und eben mit der Nähe zur Malerei, Bildhauerei und Performance nach wie vor attraktiv erscheint. Eine wichtige Akzentverschiebung bei den Mobiles hat Viola Weigel in der Gegenwart allerdings beobachtet:
"Calder war tatsächlich lange umstritten, gerade wegen der verspielten, auch unpolitischen Art seiner Konstruktionen. Und dieses Politische, dieses Gesellschaftselement wird nun zurückgeholt. Diese Mobiles sind zwar nach wie vor frei schwingende Konstruktionen in der Luft, inhaltlich aber sind sie gegen den Strich gebürstet.”
"Diesen Trend gibt es natürlich. Mobiles haben seit den 90er-Jahren Auftrieb erhalten, eine erste Ausstellung in den USA hat dazu auch schon Stellung genommen. Ich habe das in den letzten fünf Jahren in den Ateliers und bei meinen Rundgängen auf Kunstmessen beobachtet und habe nun acht Positionen ausgewählt, die diesen Trend in einer sehr vielgestaltigen Weise repräsentieren. Es sind Grenzgänge von der bildenden Kunst zur Musik, zum Design und zum Theater. Und gerade in der heutigen Kunst wechseln die Künstler häufig ihr Metier: Ein Bildhauer kann Maler sein, oder er wird tätig im Bereich Theater. Gerade durch diese Interdisziplinarität hat sich das Mobile als offene Kunstform besonders angeboten.”
Ob es sich bei den präsentierten Werken immer um bewusste Antworten auf Alexander Calder handelt, auf die Eroberung des Raums durch seine Mobiles? Deutlich ist immerhin, dass die einst so innovative Form mit den Attributen der Leichtigkeit, der Poesie und eigenwilligen Bewegung ihren Reiz auch durch den kunstgewerblichen Verschleiß in Möbelgeschäften nicht verloren hat - und eben mit der Nähe zur Malerei, Bildhauerei und Performance nach wie vor attraktiv erscheint. Eine wichtige Akzentverschiebung bei den Mobiles hat Viola Weigel in der Gegenwart allerdings beobachtet:
"Calder war tatsächlich lange umstritten, gerade wegen der verspielten, auch unpolitischen Art seiner Konstruktionen. Und dieses Politische, dieses Gesellschaftselement wird nun zurückgeholt. Diese Mobiles sind zwar nach wie vor frei schwingende Konstruktionen in der Luft, inhaltlich aber sind sie gegen den Strich gebürstet.”
Die Schau überzeugt eher durch das Spektrum an Möglichkeiten
Wenn schon nicht die tanzenden Hosen zu dieser Kategorie der kritischen Reflexion passen, so doch die filigranen Schweinsohren und -pfoten, die Gereon Krebber an Drähten in die Lüfte gehoben hat - und die mit den poetischen Assoziationen von Mobiles nichts zu tun haben:
"Calder hat ja seine Mobiles gerne als Parallelwelt zur Natur gesehen. Das Animalisch-Bizarre, das in den Werken von Gereon Krebber, einem Kölner Bildhauer, auftaucht, greift nun etwas nicht so Formschönes auf und versucht die Tendenz von Calder gegen den Strich zu lesen. Das sind echte Schweinsfüße und -Ohren, die dort ein wenig hilflos an dem Mobile hängen und deshalb ein kritischer Kommentar zum Umgang mit der Natur in unserer Welt sein könnten.”
Der dänische Künstler Jeppe Hein wiederum lässt Scheiben von der Decke baumeln. Der Besucher versucht sich darin zu spiegeln, sieht aber auch durch sie hindurch auf andere Betrachter, die ähnliches tun wie er: die das eigene Bild suchen und die Umgebung in den Blick bekommen. Martin Boyce bringt Fragmente historischer Designerstühle in Bewegung, während sich Rebecca Michaelis auf die Schönheit farbiger Ringe verlässt.
Nicht jede Installation kann oder will einen gesellschaftskritischen Anspruch einlösen, die Schau überzeugt eher durch das Spektrum an Möglichkeiten. In dieser Kunsthalle, die im Grunde aus einem einzigen offenen Raum mit leicht abgesetzten Spielflächen in unterschiedlichen Höhen besteht, werden mit den Mobiles kräftige Akzente gesetzt - dort, wo die Werke den benötigten Platz erhalten und es nicht zu eng wird.
Mit solch originellen Ausstellungsideen macht das unzureichend finanzierte Haus hoch im Norden immer wieder von sich reden - und kann hoffentlich in kommenden, noch härteren Rotstift-Zeiten seine organisatorische Eigenständigkeit behaupten. Dass man in einer Stadt, aus der sonst vor allem alarmierende Arbeitslosen-Zahlen kommen, mit der Kunst werben und dem Bürger-Dasein zusätzlich Leben einhauchen kann, sollte sich herumgesprochen haben.