Kirche auf Schienen
Eine Stadt ohne Kirchen: so stellte sich Rumäniens Diktator Ceaușescu sein Bukarest vor. Doch sieben überlebten - weil sie auf Schienen in Hinterhöfe verfrachtet wurden. An diese "Mobile Churches" erinnert jetzt eine Ausstellung in Berlin.
"Wir stehen vor der Ausstellung 'Mobile Churches', die auf ein historisches Phänomen im Rumänien der Achtzigerjahre deutet", sagt Claudiu Florian, der Direktor des Rumänischen Kulturinstituts in Berlin. "Und zwar die Verlegung etlicher Kirchen in Bukarest, in der Hauptstadt Rumäniens, im Prozess der Systematisierung der Hauptstadt, die in diesem Prozess auf Schienen verlegt wurden, um in das neue architektonische Bild der Stadt eingefügt zu werden. Es sind deren sieben in der heutigen Ausstellung zu sehen. Andere 17 hatten dieses Glück nicht und wurden in den Jahren abgerissen."
Und teilen damit das Schicksal der Versöhnungskirche in Berlin, die 1985 vom DDR-Regime gesprengt wurde. In deren Nachfolgebau, der Kapelle der Versöhnung, sind nun sieben eindrucksvolle und bedrückende Fotografien zu sehen. Sie zeugen davon, wie im Bukarest der 80er-Jahre die Kirche und die Kirchen mit enormem Aufwand aus dem kommunistischen Stadtbild getilgt werden sollten.
Die Kirchen als Hort anderer Meinungen, als Raum für Nachfragen und Kritik waren der Staatsführung unter Nicolae Ceaușescu ein Dorn im Auge, zumal sie ein Teil des historischen Zentrums Bukarests waren. Von diesem wurde ein Drittel abgerissen, um breiten Alleen und monumentalen Betonbauten Platz zu machen, die dem Regime zu Ruhm und Ehre gereichen sollten.
Sieben Bukarester Kirchen wurden versetzt
Warum nun aber sieben Kirchen verschont und aufwendig versetzt wurden, erklärt Anton Roland Laub, der Fotograf, der in der Ausstellung die neuen Standorte der Kirchen dokumentiert. "Weil auch seitens der Elite, der intellektuellen Elite in Rumänien, als auch außerhalb des Landes Briefe geschickt worden sind an UNESCO oder im Inland an die Kommunistische Partei und so weiter: Man hat dann versucht, ein bisschen Druck auszuüben und dann letztendlich von außen rum wurde dieser internationale Druck größer. Und wahrscheinlich, spekuliere ich mal, deswegen wurden dann Kirchen auf Schienen versetzt."
Mit massivem Einsatz finanzieller und technischer Mittel wurden sieben Kirchen auf eigens verlegte Schienen gehoben, um zwischen zehn und 300 Meter weiter wieder abgestellt zu werden – einige historische Aufnahmen in der Ausstellungen dokumentieren das eindrucksvoll. Abgestellt wurden die Kirchen an Orten, wo sie wenig auffallen. Zwischen maroden Betonklötzen hindurch blickt die Kamera von Anton Roland Laub in Hinterhöfe, wo nun seit den 80er-Jahren sakrale Bauten trotzig ihren Platz behaupten - wie Pflanzen, die den Asphalt sprengen.
Anton Laub: "Es ist auch so, dass an vielen Orten, also an diesen Ort wo die Kirchen stehen, ein neuer intimer Raum entsteht."
Ihrer historischen Verortung auf den repräsentativen Plätzen beraubt, mussten die Kirchen sich mit ihrem neuen Umfeld verbinden: "Dieser sakrale Raum ist näher dran am Wohnraum. Obwohl in einem Fall ist z.B. auch die Kirche gar nicht einem Wohnraum angenähert, sondern Ministerien. Zum Beispiel bei der Kirche da hinten, da steht der Geheimdienst, und ich durfte auch gar nicht von allen Seiten fotografieren, ja nicht, dass man dann hinein fotografieren würde, durchs Fenster in den rumänischen Securitate-Nachfolger, sag ich mal so."
Der Fotograf, der in Bukarest geboren wurde, ist mit diesem dunklen Kapitel seines Heimatlandes aufgewachsen. In seiner Biografie spielt die Kirche als Protest gegen den Staat eine wichtige Rolle, sagt Laub. "Bei mir war es auch ein Zeichen des Affront gegenüber des Regimes, warum wir auch in die Kirche gegangen sind und dass alles auch offen gefeiert hatten und auch Weihnachten offen gefeiert hatten. Man wollte uns das auch weitergeben, um eben gegen das Regime ein Zeichen zu setzen."
Das Kreuz im Alltag
Der christliche Glaube war und ist in der rumänischen Bevölkerung stark verwurzelt, erklärt der Direktor des Rumänischen Kulturinstituts in Berlin, Claudiu Florian:
"Man hat auch pittoreske Szenen, wo man in einem Taxi fährt und der Taxifahrer ganz wütend schimpft, über irgendein Problem, politisch oder persönlich oder wie auch immer. Und inmitten dieser Schimpferei an einer Kirche vorbeigeht und sich plötzlich das große Kreuz vor die Brust schlägt und dann weiter schimpft. Diese seelische Gebundenheit an den christlich-orthodoxen Glauben, das ist prägend für die Rumänen damals gewesen, ist es auch heute noch weitestgehend. Das hat der Kommunismus in Rumänien eigentlich nie beseitigen können, obwohl man das versucht hat."
Anton Roland Laub lebt seit gut 18 Jahren in Deutschland. In Berlin hat er Fotografie studiert. Richtig bewusst geworden ist er sich der Besonderheiten seiner Heimatstadt, als er mit seiner deutschen Freundin nach Rumänien reiste.
"Als ich meiner Partnerin das erste Mal Bukarest gezeigt hatte, ist ihr nämlich aufgefallen, dass sich die Leute sich im öffentlichen Raum bekreuzigen. Und das war für mich normal, ob es in der Tram war oder im Taxi - die Leute, immer, wenn sie eine Kirche gesehen hatten, haben sich dann bekreuzigt. Ihr war aber ein Aspekt aufgefallen: Nämlich, dass die Leute sich sogar bekreuzigt hatten, wo keine Kirche sichtbar war."
Also den Orten, wo eine der abgerissenen, oder verschobenen Kirchen stand. "Und das war dann der Anlass dafür, daraus eine fotografische Arbeit zu machen."
Kirchen versteckt in Hinterhöfen, im Schatten von Hochhäusern – Kirchen, die aber dennoch oder vielleicht gerade deshalb ihre Kraft nicht verloren haben, wie Thomas Jeutner, der Pfarrer der Versöhnungsgemeinde in Berlin findet: "Für mich als Pfarrer ist das auch etwas, was eine Strahlung hat, eine Ausstrahlung, aber auch eine Strahlung. Wissen Sie, es hat auch was mit Energie zu tun. Und egal, wie eng ich diese Energie umbaue und versuche, sie einzukesseln - es bleibt ein Kraft-Ort."
Mobile Churches
noch bis 19. August 2018 in der Kapelle der Versöhnung in Berlin
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