Weideschlachtung statt Tiertransporte
07:21 Minuten
Schlachten ist auch ohne lange Transportwege und zusätzliches Leid für die Tiere möglich: Wenn der Schlachter auf den Hof kommt. Noch ist es aufgrund von EU-Regelungen schwer, solche mobilen Anlagen zu betreiben. Einige gibt es trotzdem.
"Zu Anfang werden die Tiere frisch gefangen vom Landwirt. Dass die auch nicht so lange in der Box stehen", erzählt Christian Dodenhoff. Er ist Geflügelschlachter. Mobiler Geflügelschlachter. "Danach nehmen wir sie raus, alle einzeln in der Hand, betäuben sie, können genau sehen, ob das Tier auch betäubt ist. Nach dem Betäuben wird es abgestochen, das heißt dann: Töten durch Entbluten."
Schlachterei auf Rädern
Etwa 170 Betriebe, biologische wie auch konventionelle, fährt Dodenhoff regelmäßig mit seinem Schlachtanhänger an. Gerade einmal zehn Quadratmeter groß ist Dodenhoffs mobile Geflügelschlachterei. Sie ist in zwei Bereiche unterteilt. Auf der einen Seite steht Dodenhoffs Mitarbeiter. Seine Aufgaben: betäuben, töten, brühen und rupfen.
Zum Ausnehmen reicht er die Tiere dann auf die andere Seite zu seinem Chef: "Nach dem Ausnehmen werden sie ins Wasserbad zum Auskühlen und zum Abwaschen gegeben. Ab dann übernimmt der Landwirt sie wieder und macht sie eben in die Kühlung und kann sie dann nach dem Kühlprozess weiterverarbeiten oder verkaufen."
Tiertransporte durch mobile Schlachtereien vermeiden
100 Hühner werden an diesem Morgen geschlachtet. Nach drei Stunden verlässt das Schlachtmobil wieder den Hof. Durch das mobile Schlachten werden sogenannte Lebendtiertransporte vermieden. Um sie zu transportieren, müssen die Tiere eingefangen und verladen werden. Die Fahrtwege sind oft lang, Geräusche und Umgebung vollkommen fremd. Hinzukommen das Warten und der Lärm im Schlachthof.
Für die Tiere bestehen diese letzten Stunden vor allem Angst und Stress. Immer mehr Landwirte möchten Ihren Tieren dies ersparen. Das mobile Schlachten ist daher ein Konzept das Schule macht. Auch in der Rinderschlachtung.
"Das ist notwendig, wenn man Tiere nicht unnötig weit transportieren will. Und deswegen wollen wir ein Umdenken erreichen", sagt Hermann Grupe, der Vorsitzender im niedersächsischen Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ist – und selbst Landwirt. "Ich habe es selber im eigenen Betrieb schon erlebt, dass Tiere dann nicht mehr einzufangen waren und mit Kugelschuss dann auf Antrag und Genehmigung der Kreisveterinärin auf der Weide geschossen wurden", erzählt er.
"Das ist notwendig, wenn man Tiere nicht unnötig weit transportieren will. Und deswegen wollen wir ein Umdenken erreichen", sagt Hermann Grupe, der Vorsitzender im niedersächsischen Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ist – und selbst Landwirt. "Ich habe es selber im eigenen Betrieb schon erlebt, dass Tiere dann nicht mehr einzufangen waren und mit Kugelschuss dann auf Antrag und Genehmigung der Kreisveterinärin auf der Weide geschossen wurden", erzählt er.
Im Idealfall merken sie nicht einmal was los ist. Von Stress keine Spur. Dies sei die schonendste Weise Tiere zu töten, so Grupe. Auch für den Menschen. "Weil das dann natürlich gefährlich wird, wenn man dann Tiere trotzdem noch auf Wagen verfrachten will und in Schlachthäuser transportieren will."
EU-Regelungen erschweren mobile Schlachtungen
In der Europäischen Union dürfen Tiere ausschließlich in von der EU zugelassenen Schlachthöfen geschlachtet werden. Seit 2011 gibt es in Deutschland eine Ausnahmegenehmigung für Rinder, die ganzjährig im Freien gehalten werden – wie die von Hermann Grupe. Sie dürfen per Kugelschuss auf der Weide getötet werden. Für Rinder jedoch, die nicht ausschließlich auf der Weide, sondern zum Teil auch im Stall stehen, gilt weiterhin das sogenannte Schlachthofgebot. Eigentlich.
"Es war ja vorher erlaubt oder auf einer Ausnahmegenehmigung basierend kann man eine Weideschlachtung machen. Aber sozusagen Rinder, die auch mal im Stall standen, konnte man nicht einfach so auf dem Hof töten", sagt Andrea Fink-Keßler, promovierte Agraringenieurin und Vorsitzende des Verbandes der Landwirte mit handwerklicher Fleischverarbeitung. "Und das haben wir hier in Hessen durchgeboxt mit dem Projekt Extrawurst."
"Es war ja vorher erlaubt oder auf einer Ausnahmegenehmigung basierend kann man eine Weideschlachtung machen. Aber sozusagen Rinder, die auch mal im Stall standen, konnte man nicht einfach so auf dem Hof töten", sagt Andrea Fink-Keßler, promovierte Agraringenieurin und Vorsitzende des Verbandes der Landwirte mit handwerklicher Fleischverarbeitung. "Und das haben wir hier in Hessen durchgeboxt mit dem Projekt Extrawurst."
Im Rahmen des von ihr geleiteten Projekts Extrawurst, wurde ein mobiler Schlachtanhänger für Rinder entwickelt. Dieser ermöglicht es nun, Tiere auf ihrem Herkunftsbetrieb zu töten und dennoch das Schlachthofgebot einzuhalten. Wie das geht, erklärt Fink-Keßler: "Man hat den Trick genommen, dass man sagt, dieser Schlachtanhänger, der da rauskommt zum Entbluten, der ist ein Teil der EU zugelassenen Schlachtstätte, quasi nur das mobile Teil was raus fährt."
Im Unterschied zum Kugelschuss, werden die Rinder dafür auf der Weide fixiert, per Bolzenschuss betäubt und zum Entbluten in einen Anhänger geladen. Alle weiteren Schritte, vom Ausnehmen bis zum Zerlegen, werden dann in einem herkömmlichen, stationären Schlachthof durchgeführt.
Teureres Schlachten, bessere Fleischqualität
Die gesellschaftlichen Ansprüche an das Tierwohl haben sich in den vergangenen Jahren erweitert. Neben den Haltungsbedingungen gerät auch der Prozess des Schlachtens zunehmend in den öffentlichen Fokus. Das mobile Schlachten bietet dabei die Möglichkeit, diesen gestiegenen Ansprüchen weitestgehend gerecht zu werden. Ein gewaltvoller Akt wird das Töten jedoch in letzter Instanz immer bleiben, so Dodenhoff.
Mobiles Schlachten hat jedoch auch seinen Preis. Verglichen mit großen Schlachthöfen nimmt Dodenhoff mindestens das Zehnfache pro Huhn. Dies lässt die Verbraucherpreise unweigerlich steigen – und dennoch: "Die Kunden nehmen das sehr gut an. Die Kunden sind auch bereit, einen höheren Preis zu bezahlen für das Fleisch, und sie merken es aber auch durch die Fleischqualität. Die ist einfach besser."
Mobiles Schlachten hat jedoch auch seinen Preis. Verglichen mit großen Schlachthöfen nimmt Dodenhoff mindestens das Zehnfache pro Huhn. Dies lässt die Verbraucherpreise unweigerlich steigen – und dennoch: "Die Kunden nehmen das sehr gut an. Die Kunden sind auch bereit, einen höheren Preis zu bezahlen für das Fleisch, und sie merken es aber auch durch die Fleischqualität. Die ist einfach besser."
Steigende Nachfrage nach regionalen Produkten
Mehr Qualität, mehr Regionalität und kürzere Vermarkungswege. Ein Trend, der sich schon länger beobachten lässt, der sich seit dem letzten Jahr aber noch einmal verstärkt hat.
"Dann kam Corona letztes Jahr und dann hat es sozusagen unglaublich Fahrt aufgenommen, die ganze Frage der Re-Regionalisierung der Schlachtung, der Veränderung der Lieferketten, regionale Vermarktung und Versorgung mit Fleisch", berichtet die Agraringenieurin Fink-Keßler. "Und in dem Zuge eben auch ist es eine Alternative, hier unter Vermeidung der Lebendtiertransporte die Tiere auf dem Hof zu töten."
Förderung großer Betriebe
Von einer steigenden Nachfrage kann auch Herbert Dohrmann berichten. Als Präsident des deutschen Fleischerverbandes vertritt er die Interessen der handwerksgeführten Schlachtereien. Für die Kundschaft, so Dohrmann, lägen die Vorteile regionaler Schlachtstrukturen auf der Hand. "Man hat den persönlichen Kontakt. Man hat den Ansprechpartner hinter der Theke, familiengeführt. Mitarbeiter, die irgendwo ja, ich sag mal, auch alle aus der Nachbarschaft kommen. Also viel besser kann Regionalität nicht gelebt werden."
Die Anzahl der kleinen, handwerksgeführten Schlachtereien sinkt jedoch seit Jahrzehnten. "Und es wurde jetzt ja, das muss man aber auch ganz klar sagen, in den letzten 30 Jahren unserer Republik eine Politik gemacht, wo nur die Großen gefördert worden sind, sowohl in der Landwirtschaft wie auch in der Lebensmittelverarbeitung."
Im Landtag in Hannover setzt sich Hermann Grupe dafür ein, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für dezentrale und mobile Schlachtungen zu stärken und die Reaktivierung handwerklicher Schlachtbetriebe zu unterstützen. "Und das Ziel ist, das die Bundesregierung die entsprechenden Voraussetzungen macht und sich dann auf EU-Ebene dafür einsetzt."
Mit den Gesetzeslagen hatte auch Dodenhoff am Anfang zu kämpfen. Zwei Jahre hat es gedauert, bis das Veterinäramt seinen Anhänger zugelassen hat. Einfach war es nicht. "Ich habe soweit rausgefunden, wie es geht, und für meine Nachahmer wird das natürlich ziemlich schwer gemacht – immer noch." Und Dodenhoffs Hühner? Gilt für die eigentlich kein Schlachthofgebot? "Doch. Sie stehen gerade in einem Schlachthof – nur, dass der ganz klein ist."
Die Anzahl der kleinen, handwerksgeführten Schlachtereien sinkt jedoch seit Jahrzehnten. "Und es wurde jetzt ja, das muss man aber auch ganz klar sagen, in den letzten 30 Jahren unserer Republik eine Politik gemacht, wo nur die Großen gefördert worden sind, sowohl in der Landwirtschaft wie auch in der Lebensmittelverarbeitung."
Im Landtag in Hannover setzt sich Hermann Grupe dafür ein, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für dezentrale und mobile Schlachtungen zu stärken und die Reaktivierung handwerklicher Schlachtbetriebe zu unterstützen. "Und das Ziel ist, das die Bundesregierung die entsprechenden Voraussetzungen macht und sich dann auf EU-Ebene dafür einsetzt."
Mit den Gesetzeslagen hatte auch Dodenhoff am Anfang zu kämpfen. Zwei Jahre hat es gedauert, bis das Veterinäramt seinen Anhänger zugelassen hat. Einfach war es nicht. "Ich habe soweit rausgefunden, wie es geht, und für meine Nachahmer wird das natürlich ziemlich schwer gemacht – immer noch." Und Dodenhoffs Hühner? Gilt für die eigentlich kein Schlachthofgebot? "Doch. Sie stehen gerade in einem Schlachthof – nur, dass der ganz klein ist."