Mobiler Gesundheitsreporter

Von Gerrit Stratmann |
Die deutsche Firma Biotronik hat einen Herzschrittmacher entwickelt, der nicht nur das Herz überwacht und im entscheidenden Moment eingreift. Er sendet auffällige Daten auch direkt an den behandelnden Arzt. Für diese Erfindung ist das Entwicklungsteam von Biotronik als eine von drei Gruppen für den Deutschen Zukunftspreis des Bundes nominiert worden, der am 2. Dezember von Bundespräsident Horst Köhler in Berlin verliehen wird.
Ein gesundes Herz schlägt regelmäßig etwa 70 Mal in der Minute, und das ein Leben lang. Und wenn es doch einmal aus dem Takt gerät, kann ein Schrittmacher es mit kleinen elektrischen Impulsen wieder in einen regelmäßigen Rhythmus bringen. Diese Taktgeber sind mittlerweile dünner als ein Zentimeter und in der Fläche kleiner als eine Visitenkarte.

"Das hier ist ein Implantat. Das ist ein Herzschrittmacher. Und in diesem Herzschrittmacher ist die ganze Elektronik enthalten und die Batterie."

Das Gerät, das Hans-Jürgen Wildau von der Firma Biotronik auf den Tisch legt, ist mehr als ein einfacher Schrittmacher. Es enthält, von außen kaum sichtbar, eine kleine Antenne. Mit ihrer Hilfe kann das Gerät aus dem Innern des Körpers Funkkontakt zu einer kompakten Basisstation aufnehmen. Die Reichweite beträgt lediglich zwei Meter. Aber mehr ist nicht nötig, wenn die Station am Gürtel getragen wird oder auf dem Nachttisch liegt.
"Das Implantat reguliert meinen Herzrhythmus, damit mein Herz wieder besser pumpt. Und das Beste ist: Es wird fernüberwacht! Home Monitoring heißt diese Technik. Durch sie kann mein Arzt sehen, wie es mir gerade geht. Egal, wo ich gerade bin."

Die Vorzüge des Systems, die der Werbefilm des Herstellers anpreist, bedeuten für die Betroffenen ein deutliches Plus an Komfort und Sicherheit. Durch das Home Monitoring hat der Arzt den Zustand seiner Patienten jeden Tag im Blick. Die Messdaten des Schrittmachers werden von der Basisstation mittels normaler Handytechnologie weltweit an das Rechenzentrum von Biotronik in Berlin gesendet. Über einen gesicherten Internetzugang hat der behandelnde Arzt jederzeit Zugriff auf diese Daten. Und wenn besondere Ereignisse eintreten, also der Schrittmacher aktiv werden musste oder sich ein unregelmäßiger Herzschlag andeutet, informiert das System den Arzt automatisch über eine E-Mail, per Fax oder SMS.

"Das Gerät lässt sich exakt auf ganz individuelle Bedürfnisse programmieren. So erhält jeder Patient seine optimale Therapie und muss nicht wegen kleiner Unregelmäßigkeiten zum Arzt. Denn die können schnell am Telefon besprochen werden."

Das ist nicht der einzige Nutzen, betont der verantwortliche Entwicklungsleiter des Gerätes, Hans-Jürgen Wildau.
"Die technische Überwachung ist nützlich, weil der Patient dann nicht mehr zu der Überwachung in die Klinik gehen muss, d. h. man erspart dem Patienten Anreisezeit und Unbequemlichkeiten, Wartezeiten und dergleichen. Das ist der eine Nutzen, aber das ist nicht der Hauptnutzen. Der Hauptnutzen der mobilen Datenübertragung ist letztendlich, dass wir einen implantierbaren Gesundheitsreporter haben."

Ein moderner Herzschrittmacher überwacht nicht nur die Herzfrequenz und weiß dadurch, wie aktiv ein Patient ist, er registriert auch Vorhofflimmern oder Rhythmusstörungen der Hauptkammer. Und neuste Modelle erfassen sogar, wie viel.

Durch die ausgefeilte Hard- und Software im Implantat reduziert sich für den Patienten die Anzahl der nötigen Routineuntersuchungen in einer Klinik fast auf die Hälfte. Das ist möglich, erklärt Hans-Jürgen Wildau, weil das Implantat selbst erkennt, welche Daten besonders wichtig sind.
"Das Besondere ist, der Herzschrittmacher, der weiß natürlich, wann es besonders sinnvoll ist und spannend ist, so ein EKG zu übertragen, nämlich genau dann, wenn eine untypische Rhythmusstörung auftritt. Und weil er das weiß, misst er das EKG dann in diesem Zeitraum und überträgt es danach über das Biotronik Home Monitoring zum Arzt, so dass der Arzt nicht einen fortlaufenden EKG-Streifen Tag und Nacht befunden muss, sondern genau den EKG-Streifen, wo schon vorher klar ist, dass der wichtig ist."

Zehn Jahre hat die Entwicklung dieses Systems gedauert. Eine Zeit, in der nicht nur viele technische, sondern auch bürokratische Hürden genommen werden mussten. Die Frequenz, auf der das Implantat seine Daten an die Basisstation funkt, wurde vor zehn Jahren unter anderem noch von Wetterballons und australischen Taxifahrern benutzt. Heute ist sie weltweit ausschließlich für medizinische Implantate reserviert.

Die größte Herausforderung war jedoch sicherlich, die Funktechnik in den Schrittmacher einzubauen, ohne dabei eine größere Batterie zu brauchen oder seine Laufzeit wesentlich zu beeinflussen.
"Das ist das eigentlich Unglaubliche, was uns gelungen ist: jeden Tag Daten heraus zu übertragen und nur ein Prozent der Batteriekapazität dafür zu verbrauchen."

Jedes Jahr werden heute weltweit über eine Million Schrittmacher implantiert. Noch zahlen nicht alle Krankenkassen die Mehrkosten von etwa 1500 Euro pro Gerät, aber bald könnte der größte Teil davon mit einer Funktechnik ausgestattet sein. Nicht auszuschließen ist auch, dass in Zukunft noch andere Implantate mit der Funktechnik ausgerüstet werden, um dadurch etwa ihren Zustand selbst zu überwachen. Das Entwicklerteam von Biotronik wird dann zu den Pionieren dieser Technik zählen. Für diese Innovation wurden die Mitarbeiter deshalb für den Deutschen Zukunftspreis 2009 nominiert.

"Die Nominierung ist für die Kolleginnen und Kollegen bei Biotronik eine große Ehre und Freude, weil das die Teamleistung würdigt, die viele Menschen – das sind jetzt heute über 100 bei Biotronik, die dort hart viele Jahre dran gearbeitet haben – und diese Nominierung ist eine Auszeichnung ihrer Leistung und insofern freu ich mich darüber sehr."
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