Mobilitätsforscher über autonomes Fahren

"Die Zukunft ist die öffentliche Flotte"

08:21 Minuten
Andreas Scheuer (CSU), Bundesverkehrsminister, sitzt bei einer Veranstaltung zur Eröffnung eines Testfelds für automatisiertes und vernetztes Fahren in Berlin auf dem Beifahrersitz in einem automatisierten Fahrzeug. Auf dem Fahrersitz sitzt niemand, Scheuer greift in die Luft, als fasse er ein Lenkrad an.
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ist 2019 in Berlin dabei, als ein Testfeld für automatisiertes und vernetztes Fahren eröffnet wird. Mobilitätsforscher Andreas Knie glaubt allerdings an andere Konzepte: Er ist für den Abschied vom Privatwagen. © picture alliance / dpa / Christoph Soeder
Andreas Knie im Gespräch mit Julius Stucke |
Audio herunterladen
Verkehrsminister Scheuer hat ein neues Gesetz zum autonomen Fahren auf den Weg gebracht. Das Konzept dahinter hält Mobilitätsforscher Andreas Knie für zu kurz gesprungen. Die Zukunft liege jenseits vom Privatwagen, obwohl die Deutschen da seltsam seien.
Bis ins hohe Alter mobil sein, Busse auf dem Land, die 24 Stunden am Tag fahren, weniger Unfälle - all diese Hoffnungen stecken im autonomen Fahren. Aber noch darf in Deutschland nicht autonom gefahren werden.
Nun hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) seinen Entwurf für ein Gesetz zum autonomen Fahren ins Bundeskabinett eingebracht. Wenn das Gesetz verabschiedet wird, wäre Deutschland, so sein Ministerium, der erste Staat weltweit, der Fahrzeuge ohne Fahrerin oder Fahrer aus der Forschung in den Alltag holt.

Haftungs- und Datenschutzfragen

Der Journalist und Verleger Wolfram Weimer begrüßte die Initiative, so gebe es zum Beispiel im Hamburger Hafen, in der Charité in Berlin und in mehreren Städten schon autonom fahrende Busse.
"Die Technologie ist inzwischen viel weiter und die Einsatzreife ist da. Deshalb ist es jetzt wichtig, dass wir den gesetzlichen Rahmen schaffen, weil es viele offene Fragen gibt: Wer haftet eigentlich beim Unfall?"
Laut "Handelsblatt" verweigerte zunächst das Bundesjustizministerium die Zustimmung zu Scheuers Gesetzesentwurf – zum einen wegen der Haftungsregelungen, zum anderen gehe es um Datenschutz. Am Ende winkte das Kabinett den Entwurf aus dem Haus Scheuer durch und leitete ihn weiter an Bundestag und Bundesrat.
Ob autonom fahrende Pkw, wie sie landläufig verstanden werden, überhaupt angenommen werden, ist auch noch offen: Laut einer Umfrage von Autoscout24 und dem Marktforschungsinstitut Innofact sprechen sich 53 Prozent der Deutschen gegen die Zulassung autonomen Fahrens aus. Ihr Hauptargument: Sie wollen lieber selber fahren.

Automatisches vs. autonomes Fahren

Mobilitätsforscher Andreas Knie sagt, die Abneigung der Deutschen sei seltsam und zudem von Selbstüberschätzung geprägt, denn vom Flugzeug über Aufzüge bis zum Thermomix setzten sie bereits auf Maschinen: "Wir haben für alle Gelegenheiten Maschinen", sagt Knie. "Nur beim Auto glauben wir Deutschen, vor allem die Männer, dass wir das besser können." Dabei könnten das Maschinen viel besser und sicherer erledigen.
Knie unterscheidet automatisches Fahren und autonomes Fahren. Was der Minister meine, sei in seiner Sprache automatisches Fahren, erklärt Knie – man sitze weiter im privaten Wagen, könne aber E-Mails bearbeiten und SMS schreiben, anstatt zu lenken.
Autonomes Fahren heiße hingegen: "Ich fahre nicht mehr selber und bestimme auch nicht mehr selber, sondern ich drücke auf einen Knopf, und dann kommt etwas und ich werde dann irgendwohin gefahren und dann fährt das Auto wieder andere Wege. Das heißt, es gehört mir nicht, es ist kein Privateigentum mehr, sondern es ist eine öffentliche Flotte. Das ist die Zukunft." So funktioniere es auch schon in Phoenix in den USA, betont Knie.

Verteilung des Parkraums

Um ein solches Mobilitätsmodell zu fördern, sei die Verknappung und Verteuerung des Parkraums oder gar die Abschaffung von Parkflächen für Privatwagen ein geeignetes Mittel. "Wir müssen in den Städten endlich mal den Druck bekommen und endlich mal den Platz neu aufteilen", sagt Knie.
(mfu)
Mehr zum Thema