Ein Hamburg für Menschen, nicht für Autos
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Der Senat in Hamburg will den Autoverkehr in der Hansestadt reduzieren, mit autonomen Shuttle-Bussen und mehr S- und U-Bahnlinien. Der Initiative "Superbüttel" reicht das nicht: Sie will private PKW fast ganz aus einem Wohnquartier verbannen.
Bisher wächst die Zahl der privaten PKW in Hamburg jährlich um 10.000 Fahrzeuge. Die Mobilitätswende in der Metropole soll bis 2030 einen drastischen Rückgang dieser Zahl bringen. Um das zu erreichen, gibt es jetzt schon erste Versuche. Von einem davon zeigt sich der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher bereits begeistert.
Gerade hat er seine erste Fahrt in einem autonom fahrenden Kleinbus der Hochbahn hinter sich. Dieser ist mit bisher maximal 25 Kilometern pro Stunde auf einem Rundkurs in der Hafencity unterwegs. Zwei Techniker überwachen die autonomen Fahrten. Ab 2025 sollen die MOIA-Busse mit 50 Kilometern pro Stunde unterwegs sein, auf Stadtautobahnen sogar mit über 100.
Der Kleinbus der Hochbahn ist eines der Projekte, die nächste Woche auf dem internationalen Kongress für intelligente Transportsysteme präsentiert werden. Mit dabei ist auch die VW-Tochter MOIA. Das Unternehmen betreibt in Hamburg mit 500 Fahrzeugen die größte "Ridepooling"-Flotte Europas. Die vollelektrischen Busse können per Smartphone-App bestellt werden. Ein Computeralgorithmus bündelt dann Buchungen von Fahrgästen, die ein ähnliches Ziel haben und diese teilen sich dann die Kosten.
Eine Fahrt kostet etwas mehr als ein S-Bahn-Ticket, aber weniger als ein Taxi, sagt MOIA-Chef Robert Henrich. Dazu kommt die effiziente Auslastung: "Wir können mit einem Auto 50, 80 Fahrgäste pro Tag befördern. Ein privater PKW befördert vielleicht drei Fahrgäste pro Tag."
Autos müssen benachteiligt werden
5.000 bis 6.000 dieser Shuttle-Busse könnten dann nötig sein, um den Mobilitätsbedarf der Stadtbevölkerung zu decken. Immerhin legen die Hamburgerinnen und Hamburger bei ihren durchschnittlich 3,2 täglichen Wegen rund 41 Kilometer zurück. Für die Hälfte dieser Wege nutzen sie das Auto.
Längst gibt es die Idee, die Dienste von privaten Unternehmen wie MOIA mit denen der stadteigenen Hochbahn zu verzahnen. In Hamburg entstehen neue S- und U-Bahnlinien und an 90 so genannten "Switch-Punkten" an besonders stark frequentierten Bahnhöfen stehen Leihräder und Mietwagen bereit. Zusätzlich parken im Hamburger Stadtgebiet mehrere tausend Carsharing-Autos.
Die Verkehrsforscherin Philine Gaffron von der TU Hamburg kann sich zwar für die neuen technischen Möglichkeiten, die auf dem ITS-Kongress präsentiert werden, begeistern, bleibt aber skeptisch:
"Was ich problematisch finde, ist, wenn man das als Heilsversprechen an die oberste Stelle hängt und sagt: ‚Wir machen E-Mobilität und wir machen dann autonomes Fahren und dann ist alles prima!‘ Denn das wird nicht passieren. Es wird vor allen Dingen nicht in dem Tempo passieren, in dem wir den Wandel brauchen, die Mobilitätswende, um unter anderem auch die Klimaschutzziele einzuhalten."
Dazu brauche es zum Beispiel höhere Parkgebühren in der Hansestadt. Und auch der Straßenraum müsse konsequent neu aufgeteilt werden. Der Autoverkehr muss, so sieht es auch Hamburgs grüner Verkehrssenator Anjes Tjarks, auf Fahrspuren verzichten, wenn der Radverkehr mehr Platz bekommen soll.
Sitzgelegenheiten statt Parkplätze
Der Initiative "Superbüttel" reicht das nicht. Sie will ein ganzes Wohnquartier umbauen und private PKW verbannen, erzählt Frank Zimmermann vor der Grundschule Rellinger Straße in Hamburg-Eimsbüttel. Die Gegend wird von vier- und fünfstöckigen Gründerzeitbauten und dicht an dicht parkenden Autos geprägt.
"Wie sieht es später hier aus? Weniger Blech! Ich sag das jetzt mal so abfällig. Das bedeutet letztendlich: viel weniger Autos, die ungenutzt im Straßenbild stehen und viel mehr Leben in der Straße dadurch, dass wir Angebote auf den Straßen schaffen für Menschen, sich dort auch aufzuhalten."
Wer seinen Großeinkauf mit dem Auto vor die eigene Haustür fahren will, soll das auch in Zukunft machen können. Allerdings nur mit maximal zehn Kilometern pro Stunde. Am Ende würde der Wagen dann in einer zentralen Quartiersgarage, auf einem zwar kostenpflichtigen, dafür aber auf jeden Fall freien Parkplatz abgestellt werden. Die heutigen Parkbuchten sollten, wenn es nach Frank Zimmermann geht, ganz anders genutzt werden als heute.
"Unser Konzept sieht eine lange Bank vor. Auf der kann man verweilen oder nach der Schule mit seinem Kind auch den Tag Revue passieren lassen kann. Abends auch noch mal einen Wein trinken, mit den Nachbarn ins Gespräch kommen, klönen, schnacken. Wie man das so gerne macht!"
Jetzt werben die Aktivisten der "Superbüttel"-Initiative im Bezirk und der Bürgerschaft um politische Unterstützung. Wann die lange Bank eingeweiht werden kann, steht also noch nicht fest. Aber – da ist sich Frank Zimmermann sicher – sie wird kommen.