Mangoleder und Ananasfaser

Wenn Obstreste auf dem Laufsteg landen

06:49 Minuten
Eine aufgeschnittene Mango steht vor einem gelben Hintergrund auf einer rosa Fläche.
Schick in Schale: Mode aus Obstabfällen könnte ein neuer Trend werden. © Unsplash / Deon Black
Von Julian Theilen |
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Obstabfälle gibt es in riesigen Mengen. Immer mehr Unternehmen versuchen, daraus nachhaltige Produkte herzustellen – auch in der Modeindustrie. Die hat schon länger Veränderungsbedarf und setzt auf einen Imagewandel durch das Upcycling von Früchten.
Ein silbern schimmernder oversized Mantel im Leder-Knitterlook aus Ananasfaser. Ein fließendes, knallgelbes Sommerkleid aus Bananenfaser. Turnschuhe aus Weintrauben und Handtaschen aus Apfelresten. Fruchtiges ist aus der Modewelt nicht mehr wegzudenken. Besonders beliebt: Lederimitate aus Obstabfällen.
„Ich glaube, dass die Menschen in ihrem Kopf einen Schalter umgelegt haben“, sagt Carl Tillessen, Trendanalyst beim Deutschen Modeinstitut.

Generationenlang haben tierische Produkte Menschen fasziniert. Das war auch ein Symbol für die Dominanz des Menschen. Ich sage nur: Mülleimer aus Elefantenfüßen, Schachfiguren aus Elfenbein, Kämme aus Schildpatt.

Carl Tillessen

Fruchtreste gibt es in großen Mengen

Weltweit entwickeln Wissenschaftler, Unternehmer und Designer fruchtige Alternativen zu Leder, aber auch zu Baumwolle und anderen Stoffen. Sie machen aus Bananenschalen Schuhsohlen, aus Orangenfasern Blusen, beziehen mit "Apfelleder" Sofas.
Ihr Ziel: umweltschonender produzieren, weniger tierische Produkte verwenden und Abfälle effektiver nutzen. Das können Bananenstauden oder Ananasblätter sein, die bei der Ernte übrig bleiben, Früchte, die nicht mehr verkauft werden oder Obstreste aus der Apfelsaft- und Weinherstellung.

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„Fruchtreste sind so interessant, weil sie auch in großen Mengen vorkommen“, sagt Lisa Berger vom Institut für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie an der Universität Hohenheim.
"Man steckt ja immer sehr, sehr viel Energie rein, um zum Beispiel den Apfel wachsen zu lassen, zu ernten, weiterzuverarbeiten. Diese Energie und diese Ressourcen, die man reinsteckt, sollten ja so weitestgehend wie möglich verwendet werden“, findet sie.

Ein neuer Umgang mit Inhaltsstoffen

In den vergangenen fünf bis zehn Jahren sei das Forschungsinteresse für Fruchtreste enorm gestiegen, berichtet Bergers Kollegin Evelyn Reinmuth, Bioökonomin in Hohenheim. Fruchtreste, die lange Zeit in Biogasanlagen achtlos verbrannt oder den Tieren zum Fressen hingeworfen wurden, werden jetzt anders genutzt. „Da geht es um die Fette, um Proteine, Fasern, aber auch Mikronährstoffe. Eben ganz viele wertgebende Inhaltsstoffe“, erzählt sie.
Manche Inhaltsstoffe eignen sich auch zur Herstellung von Kosmetikprodukten, Reinigungsmitteln oder dem sogenannten Coating, einer unsichtbaren Schutzschicht, mit der Obst und Gemüse überzogen wird, das ohne Verpackung verkauft wird. Aber vor allem die Fasern machen Früchte und das, was von ihnen übrig bleibt, für die internationale Textilbranche interessant.

Ein internationaler Modetrend

Die Londoner Firma Ananas Anam war die erste, die lederähnliche Stoffe aus Fruchtabfällen produzierte. Piñatex heißt das Imitat, das sie aus Ananasblättern herstellt. Auf den Philippinen produziert die Schweizer Firma QWSTION Bananatex, ein festes, strapazierbares Material aus den Fasern von Bananenstauden, das an Baumwolle erinnert.
In den Niederlanden stellen zwei junge Designer unter dem Namen Fruitleather Rotterdam ein Lederimitat aus dem Fruchtfleisch von Mangos her. Die Idee entstand, als sie noch studierten und feststellten, wie viele Früchte weggeworfen werden, auch im Hafen von Rotterdam. Hugo de Boon ist einer der beiden Firmengründer.

Wir haben herausgefunden, dass insgesamt 45 Prozent des angebauten Obstes weggeschmissen werden. Schon im Ursprungsland werden 30 Prozent aussortiert, die den hohen – vor allem ästhetischen Anforderungen – des europäischen Marktes nicht genügen. Nach dem Transport sind es dann weitere zehn Prozent, Handel und Verbraucher werfen noch mal fünf Prozent weg.

Hugo de Boon

Kunstleder aus Apfelresten wird in Italien produziert. Dafür wird der Trester, der bei der industriellen Apfelsaftherstellung übrig bleibt, getrocknet und zu feinem Pulver gemahlen. Die deutsche Firma Nuuwai verarbeitet das Material zu Taschen und Portemonnaies.
Wie sich das Apfelleder zusammensetzt, erklärt Sprecherin Anna Nuxoll: „Das Ganze wird dann mit 50 Prozent gemischt, also Polyurethan. Dann wird das Ganze auf eine reißfeste Rolle aufgetragen: Das ist so eine Baumwollrolle. In unserem Fall hat es eine glatte Struktur.“
Optisch und haptisch seien Apfel-, Mango- und Ananasleder  von tierischem Leder kaum zu unterscheiden, sagt Carl Tillessen vom Modeinstitut — vor allem, wenn sie eine Deckfarbe haben, wie weiße Sneaker zum Beispiel. Eine schöne Patina wie tierisches Leder bekommen die Fruchtvarianten aber nicht. Und so belastbar, flexibel und haltbar wie echtes Leder sind sie auch nicht.

Echte Nachhaltigkeit oder geschicktes Marketing?

Solche Imitate als Leder zu verkaufen und ihnen das Label nachhaltig zu geben, sei ein reiner Marketing-Gag, findet Michael Meyer, der das Freiberger Forschungsinstitut für Leder und Kunststoffbahnen leitet. Denn die natürlichen Rohstoffe kommen nicht ohne chemische Zusätze aus und sind deswegen auch nicht biologisch abbaubar.
„Was man hier macht, ist eigentlich, dass man ein Additiv A durch ein Additiv B austauscht, aber die Funktion, die ich eigentlich durch das Bindemittel, synthetisches Polymer, bringe, das kann ich nicht ersetzen an der Stelle“, erklärt er.
Die deutsche Firma Nuuwai verspricht den Kunden auf ihrer Homepage, den Apfelanteil in ihren Taschen in Zukunft zu erhöhen. Es sei aber schon mal ein gutes Zeichen, dass die Konsumenten sich überhaupt mit einem Produkt identifizieren, das Fruchtreste in sich trägt, findet Sprecherin Nuxoll.

Es ist ja auch wichtig dafür, dass dieser Markt wachsen kann. Ohne Emotionen, ohne, dass man involviert ist oder sich involviert fühlt, wird es ja nie eine Notwendigkeit geben oder man wird nie eine Notwendigkeit verspüren, sich für etwas anderes, eine Alternative zu entscheiden.

Anna Nuxoll

Je mehr Kunden sich für Produkte aus Obstabfällen entscheiden und je mehr Modefirmen auf den Trend aufspringen, desto intensiver wird auch die Forschung und Entwicklung vorangetrieben, hofft sie.
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