Mode spiegelt Zeitgeschichte
Cally Blackmann hat ein Standardwerk geschaffen, das die enge Verflechtung von Mode und gesellschaftlichen Ereignissen des 20. Jahrhunderts deutlich macht. Ohne weibliche Emanzipation kein korsettfreies Kostüm von Coco Chanel, ohne Stars wie Madonna sähe der modische Jetset heute anders aus.
"Nirgendwo werden die gesellschaftlichen Umbrüche des 20. Jahrhunderts so deutlich sichtbar wie in der Mode", heißt es im Klappentext von "100 Jahre Fashion". Feminismus und zwei Weltkriege, die Erfindung von LSD und die Stationierung von Pershing-Raketen in England, das Hollywoodkino und amerikanische Fernsehserien haben sich in die Mode des 20. Jahrhunderts eingeschrieben.
Rauchende Damen in eleganten Garconne-Kleidern, Patriotinnen in stoffrationierten Utility-Kostümen oder langhaarigen Schönheiten in psychedelischen Tuniken: Mode spiegelt Zeitgeschichte. Ohne die weibliche Emanzipation hätte sich die korsettfreie Silhouette von Poul Poiret und Coco Chanel kaum durchsetzen können, ohne die Beschränkungen des Zweiten Weltkriegs wäre der globale Erfolg von Christian Diors verschwenderischem "New Look" in den 1950er Jahren kaum denkbar, ohne Stars von Madonna bis Lady Gaga und Fernsehserien von Sex and the City bis Mad Men sähe der modische Jetset heute anders aus.
In zwei Kapiteln zeichnet die britische Kunst- und Modehistorikerin Cally Blackman diese Entwicklung der Mode in der ersten und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach. Der Bruch liegt für Blackman im Aufkommen der Jugendkulturen Ende der 1950er Jahre, die die Pariser Couturiers als Trendsetter der Mode ablösten. Die Kapitel beginnen mit kurzen Einführungstexten, in denen die Autorin einen Überblick über die politischen, gesellschaftlichen und sozialen Bewegungen gibt. Daran schließen sich umfangreiche, nach Themen gruppierte Bildstrecken an - von der "Hautevollee" zu Beginn des 20. des Jahrhunderts zu den "New Looks" der 1950er Jahre, von den "Youthquake"-Jugendbewegungen der 1960er Jahren zu den dominanten Modeströmungen von heute.
Dabei ist das Herzstück des Buches nicht der Text, sondern die rund 400 Abbildungen, anhand derer Cally Blackman die modische Geschichte des
20. Jahrhunderts erzählt. Zu den Werbeaufnahmen, Fotografien, Schnappschüssen, Illustrationen und Schnittmustern zählen Entwürfe der stilprägenden Designerinnen und Designer des Jahrhunderts, von Charles Frederick Worth, dem "Erfinder" der Haute Couture über die Punk-Königin Vivienne Westwood und japanische Konzeptionalisten, die westliche Vorstellungen des weiblichen Körpers auf den Kopf stellen, zu Stars wie Alexander McQueen.
Cally Blackman gelingt ein Standardwerk über die Mode des 20. Jahrhunderts, das die enge Verflechtung von gesellschaftlichen Ereignissen und Mode in den Fokus rückt. Auch wenn die Auswahl der gesellschaftlichen Ereignisse teilweise beliebig wirkt (die Auswirkungen des 2. Weltkriegs auf die Mode lässt sich mit denen der Fernsehserie "Sex and the City" kaum ernsthaft vergleichen), dokumentiert das Buch eindrücklich die unterschiedlichen Lebensgefühle der jeweiligen Epochen. Eine außergewöhnliche Geschichte des 20. Jahrhunderts, erzählt aus der Perspektive modischer Veränderungen. Lesenswert.
Rezensiert von Tabea Grzeszyk
Cally Blackman, 100 Jahre Fashion
Aus dem Englischen von Mechthild Barth
Prestel-Verlag, München 2012
400 Seiten, 29,95 Euro
Rauchende Damen in eleganten Garconne-Kleidern, Patriotinnen in stoffrationierten Utility-Kostümen oder langhaarigen Schönheiten in psychedelischen Tuniken: Mode spiegelt Zeitgeschichte. Ohne die weibliche Emanzipation hätte sich die korsettfreie Silhouette von Poul Poiret und Coco Chanel kaum durchsetzen können, ohne die Beschränkungen des Zweiten Weltkriegs wäre der globale Erfolg von Christian Diors verschwenderischem "New Look" in den 1950er Jahren kaum denkbar, ohne Stars von Madonna bis Lady Gaga und Fernsehserien von Sex and the City bis Mad Men sähe der modische Jetset heute anders aus.
In zwei Kapiteln zeichnet die britische Kunst- und Modehistorikerin Cally Blackman diese Entwicklung der Mode in der ersten und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach. Der Bruch liegt für Blackman im Aufkommen der Jugendkulturen Ende der 1950er Jahre, die die Pariser Couturiers als Trendsetter der Mode ablösten. Die Kapitel beginnen mit kurzen Einführungstexten, in denen die Autorin einen Überblick über die politischen, gesellschaftlichen und sozialen Bewegungen gibt. Daran schließen sich umfangreiche, nach Themen gruppierte Bildstrecken an - von der "Hautevollee" zu Beginn des 20. des Jahrhunderts zu den "New Looks" der 1950er Jahre, von den "Youthquake"-Jugendbewegungen der 1960er Jahren zu den dominanten Modeströmungen von heute.
Dabei ist das Herzstück des Buches nicht der Text, sondern die rund 400 Abbildungen, anhand derer Cally Blackman die modische Geschichte des
20. Jahrhunderts erzählt. Zu den Werbeaufnahmen, Fotografien, Schnappschüssen, Illustrationen und Schnittmustern zählen Entwürfe der stilprägenden Designerinnen und Designer des Jahrhunderts, von Charles Frederick Worth, dem "Erfinder" der Haute Couture über die Punk-Königin Vivienne Westwood und japanische Konzeptionalisten, die westliche Vorstellungen des weiblichen Körpers auf den Kopf stellen, zu Stars wie Alexander McQueen.
Cally Blackman gelingt ein Standardwerk über die Mode des 20. Jahrhunderts, das die enge Verflechtung von gesellschaftlichen Ereignissen und Mode in den Fokus rückt. Auch wenn die Auswahl der gesellschaftlichen Ereignisse teilweise beliebig wirkt (die Auswirkungen des 2. Weltkriegs auf die Mode lässt sich mit denen der Fernsehserie "Sex and the City" kaum ernsthaft vergleichen), dokumentiert das Buch eindrücklich die unterschiedlichen Lebensgefühle der jeweiligen Epochen. Eine außergewöhnliche Geschichte des 20. Jahrhunderts, erzählt aus der Perspektive modischer Veränderungen. Lesenswert.
Rezensiert von Tabea Grzeszyk
Cally Blackman, 100 Jahre Fashion
Aus dem Englischen von Mechthild Barth
Prestel-Verlag, München 2012
400 Seiten, 29,95 Euro