Viel Geld für Kitsch zum Anziehen
Aktuell lassen sich Modemacher von geschmackloser, minderwertiger Kunst namens "Kitsch" inspirieren. Wie kommt es, dass gerade hochpreisige Labels auf Glitzersteinchen und Quietschbuntes setzen?
Hypothetische Frage: Stellen sie sich vor, Sie sind am Flughafen von New York, haben noch ein bisschen Zeit, schlendern durch den Zeitungsladen, der außerdem New-York-Souvenirs anbietet, und sehen eine Tasche in Knallpink, darauf die Skyline der Stadt, alles ist mit Glitzersteinen dekoriert, die Tasche natürlich aus PVC. Würden sie dieses kitschige Ding kaufen?
"In dem 19. Jahrhundert, aus dem der Begriff eigentlich kommt, wurde Kitsch nicht mit Absicht produziert. Weil die Idee ist: Gebildete Leute wissen, was Kunst ist und reiche Leute haben das Geld, sich Kunst zu kaufen – und die Masse, die keine Bildung hat und nicht so viel Geld hat, für die bleibt dann eben nur der Kitsch übrig."
"In dem 19. Jahrhundert, aus dem der Begriff eigentlich kommt, wurde Kitsch nicht mit Absicht produziert. Weil die Idee ist: Gebildete Leute wissen, was Kunst ist und reiche Leute haben das Geld, sich Kunst zu kaufen – und die Masse, die keine Bildung hat und nicht so viel Geld hat, für die bleibt dann eben nur der Kitsch übrig."
Kunst für die Gebildeten, Kitsch für die Masse
Diana Weis, Geisteswissenschaftlerin und Dozentin an einer Berliner Modeschule, gibt die Antwort. Normalerweise würden gebildete Schöngeister niemals diese New-York-Souvenir-Tasche kaufen. Aber warum sieht man in Zeitschriften und auf der Fotoplattform Instagram nun trotzdem modisch versierte Menschen und sogenannte Influencer mit dieser Tasche?
"Immer ist es dieser gleiche Witz, erst war es die Ikea-Tasche, die dann aus so ganz feinem Kalbsleder und irgendwie 2000 Euro kostet, jetzt ist es eben dieser Touri-Shopper."
Demna Gvasalia hat wieder zugeschlagen. Der Mann, der das Label Vetements gründete, und Mode-Opfern auch schon ein DHL-T-Shirt für 250 Euro verkaufte, führt die Fashionwelt nun seit einiger Zeit auch mit seinen Entwürfen für Balenciaga vor.
"Immer ist es dieser gleiche Witz, erst war es die Ikea-Tasche, die dann aus so ganz feinem Kalbsleder und irgendwie 2000 Euro kostet, jetzt ist es eben dieser Touri-Shopper."
Demna Gvasalia hat wieder zugeschlagen. Der Mann, der das Label Vetements gründete, und Mode-Opfern auch schon ein DHL-T-Shirt für 250 Euro verkaufte, führt die Fashionwelt nun seit einiger Zeit auch mit seinen Entwürfen für Balenciaga vor.
Ein überteuerter Abklatsch des Souvenirs
Denn die Fans des Labels kaufen nun natürlich auch diese knallpinke Tasche, die letztendlich nichts anders ist als ein überteuerter Abklatsch des Souvenirs. Gvasalia, so kann man das sagen, hat der High Fashion den Kitsch beschert. Und eifrig wird kopiert.
"Das ist ein kurzärmliges, klassisch geschnittenes Sommerhemd von Prada mit einem Hawaii-Print drauf", zeigt Michael Magg. Der Hawaii-Print sieht aus wie ein Inselpostkartenbild - "eine Surferpostkarte", meint auch Michael Magg, Storemanager des angesagten Modeladens "Voo" in Berlin. Er guckt durch das Angebot: Comicprints fallen ihm auf und handgestickte Blumen, die Omi hätte machen können. Außerdem ein Oberteil von "Marques Almeida" aus London, "super süß, aber arbeitet mit einem japanischen Tapetenprint in Glanz-Satin".
Die Dummheit der Konsumopfer
Die Idee, Kitsch zu sublimieren, ist nicht neu, sondern kommt, genau wie Kitsch, aus der Kunst. Auch der Pop-Art-Künstler Jeff Koons imitiert Zeugnisse der Konsumkultur mit teuren Materialen. Und während Kunstliebhaber in den Neunzigern staunend seinen Ballon-Dog bewunderten und nach der Bedeutung des Kunstwerks suchten, lachte Koons über die Dummheit der Konsumopfer, die die "Kunst" des einfachen Mannes nun als echte Kunst empfanden. Die Herangehensweise des Designers Demna Gvasalia sieht Diana Weis auf einem ähnlichen Level.
"Genau diese Differenz, die soziale Abwertung, die der Kitsch-Begriff beinhaltet, wird ja weiterhin reproduziert. Es wird zwar so getan, als macht man sich frei davon und man zitiert von der Straße und findet Trash-Ästhetiken geil, aber immer noch mit diesem Performance-Aspekt, dass Geld dahinter steckt."
Der Kitsch also als Weiterführung des Soviet-Schicks. Ich ziehe mich an wie die Unterschicht, kann es mir aber leisten, diesen Look mit den Labels der Stunde nachzubauen. Die Mode, die dabei herauskommt hat mit Gesellschaftskritik allerdings nichts mehr zu tun, sagt Weis. "Das ist eine Unterklassenmaskerade, die ich auf eine Art zynisch empfinde."
"Genau diese Differenz, die soziale Abwertung, die der Kitsch-Begriff beinhaltet, wird ja weiterhin reproduziert. Es wird zwar so getan, als macht man sich frei davon und man zitiert von der Straße und findet Trash-Ästhetiken geil, aber immer noch mit diesem Performance-Aspekt, dass Geld dahinter steckt."
Der Kitsch also als Weiterführung des Soviet-Schicks. Ich ziehe mich an wie die Unterschicht, kann es mir aber leisten, diesen Look mit den Labels der Stunde nachzubauen. Die Mode, die dabei herauskommt hat mit Gesellschaftskritik allerdings nichts mehr zu tun, sagt Weis. "Das ist eine Unterklassenmaskerade, die ich auf eine Art zynisch empfinde."