Modefotografie als Kunstform
Edward Steichen war in den 1920er und 1930er Jahren Cheffotograf der Zeitschriften "Vogue" und "Vanity Fair". Mit der Inszenierung von Bildern revolutionierte er die Modefotografie und schuf einen Stil, der bis heute fortwirkt. Das Kunsthaus Zürich zeigt in der Ausstellung " Edward Steichen. In High Fashion" zahlreiche Bilder aus dem Werk des US-Amerikaners.
Er gehörte zu den großen Neuerern in der Fotografie. Der in seinem Labor experimentierte wie sonst nur Man Ray. Edward Steichen. Die Linsen seiner Apparate bestrich er mit Emulsionen, damit sie die Objekte verzerrten und ins Unwirkliche entrückten. In der Dunkelkammer kamen allerhand Tricks und Experimente zum Einsatz, von Chemikalien über Maschinen wie Heizstäbe oder Trockner – der 1879 geborene Edward Steichen war einer der innovativsten Fotografen seiner Zeit. Der Epoche des Spätimpressionismus. Und wie die meisten seiner Kollegen versuchte er, die noch junge Kunst der Fotografie zu nobilitieren. Indem er auf die anerkannte Malerei zurückgriff und seine Fotos mit seinen Labortricks geradezu "malte". Er versuchte, "impressionistische Fotos" zu schaffen. Und er signierte diese Werke selbstbewusst. Tobia Bezzola, der Kurator der Schau.
"Um die Jahrhundertwende war Steichen schon in dieser Gruppe der Piktorialisten. Das war damals die Avantgarde. Das waren die künstlerischen Fotografen. Piktorialismus ist etwas pointiert gesagt: 'Foto ist Kunst, wenn es nicht aussieht wie ein Foto.' Die haben die Fotos halt gerne geweichzeichnet, verschummert gemacht, mit allen möglichen Labortricks, auf verschiedene Bildträger, Textilien gedruckt, sodass Fotos aussahen wie Radierungen oder wie impressionistische Gemälde. Und das war um die Jahrhundertwende die führende künstlerische Fotografie."
Der junge Edward Steichen hatte sich schon durch seine fotografischen Tricks und Manipulationen einen Namen als Fotokünstler gemacht, als er, kaum 43-jährig, das Angebot zum bestbezahlten kommerziellen Fotografen erhält. Die damals angesagtesten Zeitschriften "Vogue" und "Vanity Fair" bieten ihm im Jahr 1923 den Posten des Cheffotografen für beide Magazine an. Steichen kann damit zum Mode- und Konsumfotografen mit enormer Auflage aufsteigen und wird mit seiner 15 Jahre währenden Arbeit zum unsterblichen Mythos. Und zum Vorbild für alle späteren Generationen. Tobia Bezzola, Kurator der Schau im Kunsthaus Zürich:
"Diese Ausstellung ist eine Weltpremiere. Zum ersten Mal überhaupt wird ein ganzer Block, eine ganze Werkgruppe von Fotografien eines der größten Fotografen des 20. Jahrhunderts gezeigt. Er ist ein Künstler, der viele Haken geschlagen hat. Der sich immer häutet und neu erfindet quasi."
Die unerbittliche Präzision in der fotografischen Wahrnehmung und der genaue Blick auf die unverstellte Persönlichkeit der Modelle kam nicht von ungefähr. Steichen hatte 1917 nach dem Kriegseintritt der USA für die Armee eine Fotoeinheit aufgebaut, die in Nordfrankreich operierte und die Deutschen aus der Luft aufnahm. Dies erforderte neue Techniken und Sichtweisen. Und vieles von dem, was Steichen in den Kriegsjahren als Luftbildfotograf entwarf, kam seiner späteren Karriere zugute.
Steichen ließ die deutschen Stellungen wie abstrakte Einheiten aufnehmen, die Gräben und Blocks erinnern in ihrer nüchternen Sachlichkeit an Blossfelds Naturstudien. Und auch bei Steichen sehen die Kriegsmaschinen eher aus wie Pflanzen, Blumen oder Insekten. Lebendige Einheiten, abstrakt gefaßt. Auch für seine spätere Modefotografie beim Verlag Condé-Nast war das bestimmend. Tobia Bezzola:
"Er konnte natürlich Dinge machen, die ihm als Künstler, allein auf sich allein gestellt, nicht möglich gewesen wären. Er hatte plötzlich ganz andere Ressourcen zur Verfügung. Er konnte wie ein Filmregisseur plötzlich eine ganze Crew dirigieren. Da wurden Locations gesucht, da wurden Kulissen gebaut, da standen Make-up-Künstler zur Verfügung, ein Heer von Beleuchtern, ein Chefkameramann. Er hat dann selbst auch nur noch so kurz wie ein Regisseur Richtung Sucher geblickt, die Kamera bediente ein Kameramann, der die Blende einstellte, die Platten wechselte usw. Während Steichen eben das Modell dirigierte, das ganze Set eigentlich kontrollierte und die Inszenierung dirigierte wie die großen Hollywoodregisseure zu der Zeit."
Edward Steichen nahm seine Modelle so auf als wären sie Persönlichkeiten. Damit brach er mit der bis dahin gängigen Auffassung in der Modefotografie. Die das Kleid, und nicht das Modell herausstellen wollte. Steichen macht beides. Er stellt seine Modelle in inszenierte Räume, arrangiert surrealistische Szenerien, in denen Stammesplastiken auftauchen oder in denen einmal eine Frau vor einem tiefschwarzen Flügel steht wie Meret Oppenheim bei Man Ray vor der Druckerpresse. Steichens Modelle sind keine steifen Schaufensterpuppen mehr, die Kleider tragen, sondern lebendige Charaktere. In Kleidern. Das war revolutionär. Und nur von einem Fotografen zu erwarten, der ein Künstler war.
Den jungen Gary Cooper setzt er mit diabolischem Blick und mit den Händen tief in den Taschen in Szene wie einen gefährlichen Beau. Joan Crowford hüllt er in ein nach oben hin konisch zulaufenden schwarzen Hosenanzug und schält ihr Gesicht heraus wie eine Blume. Edward Steichen schafft künstlerische Modefotos und er signiert sie auch noch. Auch das war gewagt. Denn die Modefotografie galt gegenüber der künstlerischen Fotografie als minderwertig, als schales Auftragswerk. Mit Edward Steichen wurde das anders. Bis heute! Jeder Modefotograf, ob die nachkommenden Horst, Beaton, Penn, Avedon oder noch später Newton oder Mapplethorpe – sie alle setzen ihre Modelle in ihren Kleidern in arrangierte Situationen. In denen die Charaktere der Dargestellten herauskommen und nicht nur die Klasse und Extravaganz eines Kleids. All das, was heute selbstverständlich ist, haben wir Edward Steichen zu verdanken!
"Das war schon ein qualitativer Sprung, dass man plötzlich in der Modefotografie diesen Ernst, diese Arbeit investiert. Dass man das als künstlerisches Betätigungsfeld überhaupt ernst nimmt. Heute ist das selbstverständlich. Die teuersten, besten, berühmtesten Fotografen arbeiten für die höchsten Honorare für diese Magazine. Sind Stars geworden durch Modefotografie. Eben weil Steichen diese Tür geöffnet hat und gezeigt hat, dass man auch da künstlerisch tätig sein kann."
Edward Steichen. In High Fashion
Kunsthaus Zürich
Vom 11. Januar – 30. März 2008
"Um die Jahrhundertwende war Steichen schon in dieser Gruppe der Piktorialisten. Das war damals die Avantgarde. Das waren die künstlerischen Fotografen. Piktorialismus ist etwas pointiert gesagt: 'Foto ist Kunst, wenn es nicht aussieht wie ein Foto.' Die haben die Fotos halt gerne geweichzeichnet, verschummert gemacht, mit allen möglichen Labortricks, auf verschiedene Bildträger, Textilien gedruckt, sodass Fotos aussahen wie Radierungen oder wie impressionistische Gemälde. Und das war um die Jahrhundertwende die führende künstlerische Fotografie."
Der junge Edward Steichen hatte sich schon durch seine fotografischen Tricks und Manipulationen einen Namen als Fotokünstler gemacht, als er, kaum 43-jährig, das Angebot zum bestbezahlten kommerziellen Fotografen erhält. Die damals angesagtesten Zeitschriften "Vogue" und "Vanity Fair" bieten ihm im Jahr 1923 den Posten des Cheffotografen für beide Magazine an. Steichen kann damit zum Mode- und Konsumfotografen mit enormer Auflage aufsteigen und wird mit seiner 15 Jahre währenden Arbeit zum unsterblichen Mythos. Und zum Vorbild für alle späteren Generationen. Tobia Bezzola, Kurator der Schau im Kunsthaus Zürich:
"Diese Ausstellung ist eine Weltpremiere. Zum ersten Mal überhaupt wird ein ganzer Block, eine ganze Werkgruppe von Fotografien eines der größten Fotografen des 20. Jahrhunderts gezeigt. Er ist ein Künstler, der viele Haken geschlagen hat. Der sich immer häutet und neu erfindet quasi."
Die unerbittliche Präzision in der fotografischen Wahrnehmung und der genaue Blick auf die unverstellte Persönlichkeit der Modelle kam nicht von ungefähr. Steichen hatte 1917 nach dem Kriegseintritt der USA für die Armee eine Fotoeinheit aufgebaut, die in Nordfrankreich operierte und die Deutschen aus der Luft aufnahm. Dies erforderte neue Techniken und Sichtweisen. Und vieles von dem, was Steichen in den Kriegsjahren als Luftbildfotograf entwarf, kam seiner späteren Karriere zugute.
Steichen ließ die deutschen Stellungen wie abstrakte Einheiten aufnehmen, die Gräben und Blocks erinnern in ihrer nüchternen Sachlichkeit an Blossfelds Naturstudien. Und auch bei Steichen sehen die Kriegsmaschinen eher aus wie Pflanzen, Blumen oder Insekten. Lebendige Einheiten, abstrakt gefaßt. Auch für seine spätere Modefotografie beim Verlag Condé-Nast war das bestimmend. Tobia Bezzola:
"Er konnte natürlich Dinge machen, die ihm als Künstler, allein auf sich allein gestellt, nicht möglich gewesen wären. Er hatte plötzlich ganz andere Ressourcen zur Verfügung. Er konnte wie ein Filmregisseur plötzlich eine ganze Crew dirigieren. Da wurden Locations gesucht, da wurden Kulissen gebaut, da standen Make-up-Künstler zur Verfügung, ein Heer von Beleuchtern, ein Chefkameramann. Er hat dann selbst auch nur noch so kurz wie ein Regisseur Richtung Sucher geblickt, die Kamera bediente ein Kameramann, der die Blende einstellte, die Platten wechselte usw. Während Steichen eben das Modell dirigierte, das ganze Set eigentlich kontrollierte und die Inszenierung dirigierte wie die großen Hollywoodregisseure zu der Zeit."
Edward Steichen nahm seine Modelle so auf als wären sie Persönlichkeiten. Damit brach er mit der bis dahin gängigen Auffassung in der Modefotografie. Die das Kleid, und nicht das Modell herausstellen wollte. Steichen macht beides. Er stellt seine Modelle in inszenierte Räume, arrangiert surrealistische Szenerien, in denen Stammesplastiken auftauchen oder in denen einmal eine Frau vor einem tiefschwarzen Flügel steht wie Meret Oppenheim bei Man Ray vor der Druckerpresse. Steichens Modelle sind keine steifen Schaufensterpuppen mehr, die Kleider tragen, sondern lebendige Charaktere. In Kleidern. Das war revolutionär. Und nur von einem Fotografen zu erwarten, der ein Künstler war.
Den jungen Gary Cooper setzt er mit diabolischem Blick und mit den Händen tief in den Taschen in Szene wie einen gefährlichen Beau. Joan Crowford hüllt er in ein nach oben hin konisch zulaufenden schwarzen Hosenanzug und schält ihr Gesicht heraus wie eine Blume. Edward Steichen schafft künstlerische Modefotos und er signiert sie auch noch. Auch das war gewagt. Denn die Modefotografie galt gegenüber der künstlerischen Fotografie als minderwertig, als schales Auftragswerk. Mit Edward Steichen wurde das anders. Bis heute! Jeder Modefotograf, ob die nachkommenden Horst, Beaton, Penn, Avedon oder noch später Newton oder Mapplethorpe – sie alle setzen ihre Modelle in ihren Kleidern in arrangierte Situationen. In denen die Charaktere der Dargestellten herauskommen und nicht nur die Klasse und Extravaganz eines Kleids. All das, was heute selbstverständlich ist, haben wir Edward Steichen zu verdanken!
"Das war schon ein qualitativer Sprung, dass man plötzlich in der Modefotografie diesen Ernst, diese Arbeit investiert. Dass man das als künstlerisches Betätigungsfeld überhaupt ernst nimmt. Heute ist das selbstverständlich. Die teuersten, besten, berühmtesten Fotografen arbeiten für die höchsten Honorare für diese Magazine. Sind Stars geworden durch Modefotografie. Eben weil Steichen diese Tür geöffnet hat und gezeigt hat, dass man auch da künstlerisch tätig sein kann."
Edward Steichen. In High Fashion
Kunsthaus Zürich
Vom 11. Januar – 30. März 2008