Modellprojekt in NRW

Altenheim für Ex-Junkies

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Sabine Lorey (rechts), Leiterin des Seniorenwohnheims für Drogenabhängige, telefoniert beim Nachmittagskaffee. © dpa / picture alliance / Ina Fassbender
Von Lisa von Prondzinski |
Durch Ersatzstoffe wie Methadon ist die Lebenserwartung ehemals Drogensüchtiger gestiegen: Die ersten kommen nun ins Rentenalter. Doch normale Altenheime sind auf diese Gruppe nicht eingestellt. In Unna in Nordrhein-Westfalen gibt es seit Januar eine Art Altenheim speziell für die Generation der alternden Ex-Junkies.
Mann: "Wird ein Kalender."
Autorin:"Fürs Haus hier?"
Mann: "Ja, weil einige unter Demenz oder Korsakow leiden und deshalb schon mal vergessen, was für ein Tag und was für ein Datum wir heute haben. Deswegen machen wir einen Kalender mit großer Schrift, damit die nicht immer fragen müssen. Brennt man das halt an und sieht einigermaßen schick aus. Hab' ich auch die Türschilder mit gemacht. Sieht auch gut aus. Find' ich jedenfalls."
Frau: "Wir machen Hirnleistungstraining."
Autorin: "Was für ein Training?"
Frau: "Das ist so wie Rommé, kennen Sie bestimmt, Rommé ..."
Frau: "Aaa, die hast du allein geschafft."
Mann: "Ja, das Lederband habe ich abgemacht gemacht, da hatte ich vorher einen kleinen Kreuzring dran, so 'nen einen Speckstein ..."
Sich selbst beschäftigen, etwas mit den eigenen Händen machen - das mussten Katja, Stefan und Frank erst lernen. Denn früher drehte sich bei ihnen alles nur um den nächsten Schuss - wie bei anderen Heroinabhängigen auch. Das heißt, Geld beschaffen: Die Männer stehlen, brechen ein, viele Frauen prostituieren sich. Doch die drei haben ihr Leben mit Heroin hinter sich gelassen. Jetzt leben sie mit anderen ehemaligen Drogensüchtigen in einem Bungalow-Komplex in einem ländlichen Ortsteil von Unna, im östlichen Ruhrgebiet. Der jüngste der 14 Bewohner ist 38 Jahre, der älteste 66 Jahre. Die Gebäude waren früher ein Erholungsheim für Nonnen. Drumherum stehen nur wenige Häuser zwischen Feldern, Wiesen und Wald. Manche nennen diese Einrichtung ein Altenwohnheim für Ex-Junkies. Offiziell heißt sie DaWo - das steht abgekürzt für Dauerwohneinrichtung.
"Wir sagen Dauerwohneinrichtung, weil die Leute noch nicht wirklich in dem Alter für ein Altenheim sind, aber in der Verfassung – körperlich und psychisch."
Sagt Sabine Lorey. Die Sozialarbeiterin leitet das Haus. Manche der Bewohner hingen 20, 30 Jahre lang an der Nadel, schluckten Tranquilizer, pushten sich mit Speed und Koks auf, betäubten sich mit Alkohol. Die meisten sind so krank, dass sie wohl nie mehr alleine leben werden.
"Wir haben zwei hier, die echt dement sind, dauernd fragen:' Hab ich meine Tabletten genommen? Wie spät ist es? Wo muss ich hin?' Körperliche Erkrankungen, Hepatitis, HIV, alle Krankheiten im Bewegungsapparat. Wir haben viele schon, die im Rollator fahren, kurz vorm Rollstuhl sind. Und dann die psychischen Erkrankungen. Depression sowieso."
Dazu kommen Bronchial- und Lungenprobleme, Herzkreislauf-Erkrankungen, Leberzirrhose, kaputte Venen und Zähne – ein Sammelsurium an Krankheiten, die mit dem Alter fortschreiten. Im Januar sind die elf Männer und drei Frauen hier eingezogen. Die Einrichtung ist ein Ableger des Projekts LÜSA, das ist die Abkürzung für Langzeit-Überbrückungs- und Stützungsangebot. Bei LÜSA in der Innenstadt von Unna, können schwerstkranke Drogenabhängige vorübergehend wohnen - mit dem Ziel wieder ins normale Leben zurückzufinden. Doch gerade viele ältere Suchtkranke schaffen das nicht mehr. Deswegen entstand in Unna die Idee für ein eigenes Altenheim. So einen Platz für die Generation der alternden Drogenabhängigen gab es bisher nirgends in Deutschland, sagt Sabine Lorey.
"Die Besonderheit hier ist, dass sie auf Dauer bleiben können, wenn sie wollen, bis sie versterben. Das ist neu in der Drogenhilfe."
Sechs Jahre dauerte es, bis Planung, Finanzierung und Umbau des 600 Quadratmeter großen Gebäudes fertig waren. Für die Unterbringung der Bewohner kommt hauptsächlich der Landschaftsverband Westfalen-Lippe auf. Das ist eine kommunale Institution, die unter anderem Projekte im sozialen Bereich und der Behindertenhilfe fördert. Um die Suchtkranken kümmert sich rund um die Uhr ein siebenköpfiges Team. Die Sozialarbeiter, Ergotherapeuten, Pfleger und eine Hauswirtschaftlerin sorgen auch für einen geregelten Tagesablauf:
"Also es wird geweckt um halb acht, die nehmen ihre Substitution und ihre Medizin-Substitution ein. Dann ist Frühstück um neun Uhr. Dann haben wir ein Tagesangebot. Wir haben eine Krea-Werkstatt: malen, basteln, Holzgeschichten. Und das ist auf Low-Level. Die können das Angebot annehmen, aber auch sagen: Ich fühl' mich nicht und ich bleib im Bett."
Endlich das Gefühl, so etwas wie "angekommen" zu sein
Die Geschichten der Bewohner ähneln sich. Missbrauch, Schläge, Heimaufenthalt, Ablehnung – alles Gründe, die mit zur Drogenabhängigkeit führten. So auch bei Martin. Der 50-Jährige wirkt sehr angeschlagen. Beim Gehen bewegt er sich so unsicher wie auf einer spiegelglatten Fläche. Er hat Leberzirrhose, Hepatitis C und HIV. Außerdem hat sein Gedächtnis gelitten.
"Ich merk' das, wenn jetzt einer einfach so dazwischen reden würde. Dann kommt es, dass ich den Faden verliere und nicht weiter weiß. Da muss ich erst mal wieder überlegen . Ich sag, ich lebe alles - das auch. (lacht) Aber Spaß beiseite. Das ist wenn man so einen Raubbau an seinem Körper betreibt. Wir waren Sklaven der Sucht. So ist es einfach gewesen."
Seine Haare sind teilweise grau, vorne kurz und hinten lang - eine "Vokuhila"-Frisur, die an die 1970er erinnert. So trug er die Haare schon als Teenager. Als er 13 Jahre alt war, starb seine Mutter. Dass sein Vater bereits einige Monate später neu geheiratet hat, hat der Junge nicht verkraftet. Er fing an zu trinken, setzte sich bald seinen ersten Schuss. Auch seine beiden Brüder hingen an der Nadel. 25 Jahre lang dröhnte Martin sich zu, musste wegen Diebstählen und Einbrüchen immer wieder ins Gefängnis Vor zehn Jahren dann - da war er 40 - hat er entgiftet und stieg ins Methadon-Programm ein. Da konnte er zum ersten Mal aufatmen:
"Man hat so viel Zeit. Man braucht nicht hinter irgendwas hinterher laufen. Irgendwas Kriminelles zu machen."
Und er entdeckte neue Seiten an sich:
"Man lernt ja auch wieder den Respekt gegenüber den Menschen, den man im Drogenfluss nicht hat. Dann wären Sie, wenn ich das mal sagen darf, wenn ich im Rausch wäre, dann wären Sie ein potenzielles Opfer."
Dabei zeigt Martin auf meine Tasche, die auf dem Tisch liegt. Im Rausch hätte er nur dran gedacht, wie er die Tasche klauen und den Inhalt zu Geld machen könnte. Doch mit dem Methadon brauchte er sich keine Gedanken mehr zu machen, wie er wieder zu Geld kommt. Er hatte damals sogar eine eigene Wohnung. Allerdings schaffte er es auf Dauer nicht, sein Leben in geregelten Bahnen zu halten. Deshalb verlor er die Wohnung und wurde obdachlos.
"Ich hab' draußen geschlafen im Winter. Und viel Alkohol. Ich wäre wirklich gestorben, wenn das nicht geklappt hätte ..."
... bei LÜSA in der Innenstadt einzuziehen. Von wo aus er in den Alterswohnsitz gewechselt ist. Und jetzt endlich hat er das Gefühl, so etwas wie "angekommen" zu sein.
"Und dann in so einer Umgebung und so ein Klasse-Haus. Ich möchte einfach nur 'Danke' sagen. Also ich schätze am meisten hier die Ruhe.“
Er hat sich sogar ein Fernglas gekauft, um hinterm Haus die Tiere im Wald zu beobachten. Doch so zufrieden mit dieser Abgeschiedenheit sind nicht alle Bewohner, erzählt die Leiterin Sabine Lorey.
"Wenn die was zu bemäkeln haben, dann ist das eigentlich immer das. Der Nachteil eben ist, dass die sich nicht frei wegbewegen können. Die haben keinen Führerschein, die haben kein Auto. Die würden es mit dem Fahrrad nicht schaffen! Öffentliche Verkehrsmittel sind rar gesät hier. Wir fahren jeden Tag mit dem Shuttle, aber es ist trotzdem was anderes."
Auch jetzt am späten Vormittag, werden zwei Bewohner, die beim Arzt waren, aus der Stadt zurückgebracht. In der Küche laufen derweil die Vorbereitungen für das Mittagessen. Es gibt Nudelauflauf mit Hühnchen. Die Lebensmittel kommen zum Teil als Spende von der Tafel. Die Hauswirtschafterin Annette Petry hat fast alles fertig. Einer der Bewohner hilft ihr.
"Jetzt bereiten wir gleich noch einen Nachtisch vor: Quark. Das macht der Wolfgang. Quarkspeise. Gucken, was wir noch obstmäßig da haben. Und dann ist auch fast so weit: 13.30 Uhr essen wir hier."
"Du wolltest doch noch mal Vanilleschoten holen."
"Ja, damit wir Vanille-Zucker haben."
Mit der Arbeit in der Küche bessert Wolfgang sein Taschengeld von wöchentlich 20 Euro auf. Auch mit Putzen und Aufräumen - im Keller oder dem Aufenthaltsraum - kann jeder etwas dazuverdienen. Viele der Drogensüchtigen haben sich früher alles andere als gesund ernährt. Hier gehört Vitaminreiches zum Speiseplan.
"Also, Salat und Gemüse gibt es eigentlich täglich immer dazu."
"Und wird es auch gerne gegessen?"
"Ja, schon. Also Salat vielleicht eher weniger, aber Gemüse auf jeden Fall. Doch muss ich schon sagen."
"Sind es denn gute Esser?"
"Ich sag mal; 75 Prozent ja. Und die anderen so: na ja. Aber sie essen!"
Ein falsches Wort kann schon zu viel sein
Das Team sorgt auch dafür, dass alle regelmäßig ihr Medikamente und Heroin-Ersatzstoffe bekommen. Die Betäubungsmittel werden vorschriftsmäßig im Tresor gelagert. Dieser steht im Büro von Leiterin Sabine Lorey, in einem Schrank.
"Methadon, Methaddict, Subutex in Tablettenform. Und die Kisten mit den Namen. Und immer für eine Woche ist es hier gelagert."
"Und Sie notieren, wer was bekommt?"
"Ja, das wird immer dokumentiert, wer was rausgibt, wann und für wen. Das sind ja Betäubungsmittel."
Allerdings erzeugen Ersatzstoffe keinen Kick. Doch so ganz ohne Rausch halten es nicht alle Drogenabhängigen aus, die über Jahre ihr Bewusstsein getrübt haben. Sie konsumieren nebenher legale und illegale Substanzen, das wird auch als "Beikonsum" bezeichnet. Den gibt es auch in der Dauerwohneinrichtung in Unna:
"Wobei es hier sogar noch relativ human ist. Wir haben ungefähr zwei Drittel der Leute, die gar nicht beigebrauchen, weil die es gar nicht mehr auf die Reihe kriegen. Und ein Drittel - und da verschärft Tabletten und Alkohol. Und auch schon mal Koks. Auch schon mal Heroin, aber Tabletten und Alkohol am meisten."
Solange die Drogen draußen und nicht im Haus genommen werden, wird das toleriert. Beikonsum wäre kein Grund für einen Rausschmiss.
"Weil, wir arbeiten hier mit Drogenabhängigen. Da wäre es ja Unsinn, die rauszuschmeißen, weil sie Drogen nehmen. Also finde ich unsinnig."
Nicht geduldet werden im Haus Waffen und Gewalt. Die Bewohner müssen auch bereit sein, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Bisher musste in den sechs Monaten, die das Altenheim besteht, ein Bewohner ausziehen.
"Es gab einen, der war einfach überhaupt nicht gruppenkompatibel. Es ging gar nicht. Der ist jeden Tag zigmal angeeckt mit jedem Bewohner, mit uns. Der war unsauber, der hat uns die Hütte in Brand gesteckt. Es hat gebrannt hier in einem Raum.“"
Ansonsten gibt es selten Krach. Wenn, dann wegen Kleinigkeiten, erzählt Sabine Lorey. Dann kann ein falsches Wort schon zu viel sein. Denn die Drogenabhängigen haben jede Menge Kränkungen erlebt.
"Man sagt irgendwie: 'Du musst heute zum Arzt? Warum hast du mir das gestern nichts gesagt?' Und daraus entsteht dann ein Riesenstreit. Und am Ende dann: 'Du kannst mich sowieso nicht leiden." Und 'ne Stunde später wird sich entschuldigend und alles wieder gut. Aber erst mal ist Theater. Die wollen ihre Ruhe haben. Die gehen nicht mehr über Tische und Bänke. Das haben die ihr Leben lang getan."
Ein Bewohner spült in einem Seniorenwohnheim für Drogenabhängige in Unna (Nordrhein-Westfalen) in der Küche am 14.01.2015.
Ein Bewohner spült in einem Seniorenwohnheim für Drogenabhängige in Unna (Nordrhein-Westfalen) in der Küche am 14.01.2015.© dpa / picture alliance / Ina Fassbender
Davon mussten vorab allerdings auch die Einwohner im dem kleinen Ortsteil überzeugt werden. Denn anfangs wollten sie die alternden Drogenabhängigen nicht in ihrer Nähe haben. Sie hatten Angst vor Einbrüchen, und dass Dealer angezogen werden. Doch die Initiatoren konnten solche Bedenken zerstreuen.
"Und dann hat sich das komplett gewandelt. Also, wir haben ein Superverhältnis. Wir haben immer wieder hier Leute hier aus dem Ort, die uns Sachen, die uns Kuchen bringen, Blumen, irgendwelche Rollatoren oder sonst irgendwas .Wir haben auch schon 'ne Spende bekommen aus dem Ort. Es läuft super .Und ältere Damen kommen und kümmern sich hier um die Leute. Ist toll."
Stefan konnte mit den Bewohnern des "normalen" Altenheims nichts anfangen
Nach Schätzungen von Suchtforschern leben in Deutschland rund 50.000 Männer und Frauen, die älter als 40 Jahre sind und Ersatzstoffe bekommen. Durch unreinen Stoff und Folgeerkrankungen wie Hepatitis und HIV altern Drogenabhängige einfach schneller. Ihre Organe werden früher geschädigt, sagt die Suchtmedizinerin Nanette Sagert. Einmal die Woche werden die Bewohner des Altenheims zu ihr nach Unna ins Haupthaus gebracht:
"Die Leber muss natürlich wesentlich mehr verarbeiten an Tabletten, an Drogen, also an Gift und außerdem ist die Versorgung des Körpers beim Drogenabhängigen - also der isst nicht gut, der schläft nicht gut, der ist vielleicht jahrelang obdachlos. Stress ist natürlich auch ein sehr wichtiger Faktor zum Altern."
Und wenn die Ex-Junkies dauerhaft Hilfe brauchen, nicht nur ambulant, sondern stationär, weiß man häufig nicht wohin mit ihnen. In welche Institution? Denn normale Altenheime sind auf diese Gruppe nicht eingestellt.
"Das ist, weil die Sucht immer noch eine Rolle spielt. Suchtbehandlung, das ist ein Problem im normalen Altersheim. Es ginge vielleicht, wenn genügend Personal da wäre, das sich auskennen würde und auch die Ärzte, die die Leute betreuen, die müssen sich auch mit harten Drogen auskennen und mit Substitution. Ja, das ist nicht der Fall."
Das weiß der 40 Jahre alte Dirk aus eigener Erfahrung. Der schmächtige Mann war vorher zwei Jahre lang in einem Altenheim. Es gab sonst nirgends einen Platz für ihn. Das erzählt er auf dem Weg in sein Zimmer.
"Ich konnte nicht mehr allein wohnen. Ich hab so Zusammenbrüche gehabt."
Er hat wie alle anderen ein Einzelzimmer mit Bad. Mehr als ein Bett, Schrank, Fernseher und ein Regal passt dort nicht hinein. Dass er ein Borussia-Dortmund-Fan ist, sieht man beim ersten Blick: An den Wänden hängen Poster von Fußballstars wie Marco Reus. Dirk fühlt sich in der Einrichtung wohl und lobt das Team. Beim Personal im Altenheim dagegen fühlte er sich nicht so gut aufgehoben:
"Die Leute haben ja keine Ahnung gehabt, was ich durchgemacht hab' mit Drogen. Aber die kennen sich hier ja aus damit, die wissen besser, was uns fehlt und wie uns geholfen werden kann."
Außerdem konnte er mit den 70- und 80-Jährigen Bewohnern so gut wie nichts anfangen. Sie hatten weder was mit Fußball zu tun, noch einen ähnlichen Musik-Geschmack:
"Sind alles alte Menschen. Haben ein ganz anderes Leben geführt als ich. Kann ich mich gar nicht mit unterhalten großartig."
Das ähnliche Schicksal verbindet die Suchtkranken. Trotzdem ist es nicht immer einfach mit den unterschiedlichen Charakteren in dem Haus zurechtzukommen, erzählt der 51-jährige Stefan. Für ihn war es ein großer Einschnitt aus seiner eigenen Wohnung in diese Groß-WG zu ziehen.
"Wir haben zwar jeder ein eigenes Zimmer, in das man sich durchaus zurückziehen kann. Und die Teamer hier geben sich auch viel Mühe, den Tag abwechslungsreich und ausgefüllt zu gestalten. Aber trotz allem ist es schwierig. Machbar, aber schwierig. Aber insgesamt war es trotzdem richtig hierhin zu gehen – für mich jedenfalls."
Denn bei Stefan ziehen sich die Sucht und der Kampf dagegen wie ein roter Faden durch sein Leben. Und das fast seit 30 Jahren. An den ersten Schuss ist er über eine Freundin gekommen. Valium, Cannabis und Alkohol kannte er da schon längst. Er wusste genau, was Heroin ist.
"Ich hab' mir eingebildet, ich kann das ruhig mal ausprobieren. Ich kann jederzeit damit aufhören. Das war natürlich ein Trugschluss und hat dann relativ schnell zu einer starken Abhängigkeit geführt. Und zu der dann typischen Drogenkarriere."
Zwischendurch war immer wieder für eine Weile clean. Auch nach zwei abgeschlossenen Langzeittherapien, wo er neue Freunde gefunden hatte. Problematisch wurde es anschließend, wenn er wieder ins normale Leben musste. Denn die neuen Freunde wohnten weit weg oder wurden selbst wieder rückfällig:
"Und dann fing das wieder an, dass man langsam wieder vereinsamte. Denn wenn Sie in der Drogenszene leben, dann haben sie meistens nur Zweckbeziehungen, die sich immer wieder um Geld oder Drogenbeschaffung drehen. Das steht da also im Vordergrund. Freunde oder Beziehungen, die etwas in die Tiefe gehen, werden Sie in der Drogenszene normalerweise nicht finden. Das ist so 'ne Art Spirale, ein Teufelskreis, der immer weiter in die Sucht führt."
Heute hat Stefan Krankheiten, um die er sich regelmäßig kümmern muss: Bluthochdruck und Diabetes. Deshalb wäre ihm zwei Mal fast der Fuß abgenommen worden. Zum Glück war es dann nur ein Zeh und ein Stück von Knochen dahinter, so dass er noch einigermaßen laufen kann. Das fiel ihm schwer, als er allein lebte. Er hofft jetzt, seinen Zustand verbessern und vielleicht irgendwann wieder ausziehen zu können.
"Hier kann ich bleiben so lange, ich will. Bin aber nicht gezwungen, hier zu bleiben. Ich kann also durchaus irgendwann mal, wenn es mir körperlich und psychisch besser geh, in 'ne eigene Wohnung gehen. Ins betreute Wohnen gehen. Die Möglichkeiten stehen mir ja durchaus offen."
Doch davon kann jetzt noch keine Rede sein. Jetzt will er erst mal seine Katze zu sich holen, die er bei Bekannten abgegeben hatte. Die Leiterin Sabine Lorey hat sich beim Tierarzt erkundigt, was alles dafür nötig ist.
"Tollwut war jetzt in diesen drei Impfungen drin."
"Ja."
"Also die drei Impfungen kosten 40 Euro. Also holen wir die her …"
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