Archäologin der eigenen Familiengeschichte
33:06 Minuten
Als Kind hatte sie einen schweren Stand zwischen ihren rebellierenden Brüdern und ihrem Vater, in der DDR ein hoher Funktionär. Später, als Erwachsene, schrieb Marion Brasch dann ein Buch über ihre berühmte Familie: für sie auch ein Akt der Befreiung.
Als die jüdischen Eltern von Marion Brasch nach dem Krieg aus dem Exil in London zurückkehrten und in die DDR gingen, taten sie das aus einer tiefen Überzeugung heraus: Sie wollten das bessere Deutschland mit aufbauen. Die Autorin und Musikjournalistin Marion Brasch ist das jüngste von vier Kindern des Paars.
Zwei der drei älteren Brüder von Marion Brasch waren bekannte Schriftsteller in der DDR, der dritte war Schauspieler. Alles starke Charaktere − und alle früh auf tragische Weise gestorben. Als die einzige Überlebende der Familie hat Marion Brasch schon vor einigen Jahren die Geschichte der Braschs aufgeschrieben: "Ab jetzt ist Ruhe" heißt das Buch. Im vergangenen Jahr kam dann ein Dokumentarfilm über die Familie in die Kinos.
Horst Brasch, ihr Vater, gehörte zur Nomenklatura der DDR und wollte nicht wahrhaben, dass der Staat sich in eine Richtung entwickelte, die nur noch wenig mit seinen ursprünglichen Idealen zu tun hatte. Das führte zu permanenten Auseinandersetzungen mit seinen Söhnen. So saß Marion Brasch in ihrer Familie buchstäblich zwischen den Stühlen.
In die Rolle der Diplomatin geschlüpft
Sie sei zwischen die Fronten geraten und dann "in die Rolle der Diplomatin geschlüpft", sagte sie im Deutschlandfunk Kultur: "Einerseits das Leben meiner großen Brüder bewundernd und faszinierend findend. Und auf der anderen Seite meinem Vater das Gefühl geben: Bei mir hat er alles richtig gemacht. Das war mitunter eine schwierige Rolle, die ich da spielen musste."
Dass sie keine künstlerische Laufbahn einschlug wie ihre Brüder, sondern zunächst Schriftsetzerin lernte, war für den Vater eine Freude. Um seinetwillen sei sie sogar in die SED eingetreten, berichtete sie: "Ich habe das eine Weile vor meinen Brüdern geheim gehalten, weil ich wusste, was sie davon halten. Ich habe das ja nicht aus Überzeugung getan, sondern um meinem Vater das Gefühl zu geben, hier funktioniert alles."
Bei ihren Recherchen für das Buch über ihre Familie habe sie ihren Vater viel besser verstehen gelernt. Die Auseinandersetzung mit ihrer Familie sei wie eine Therapie für sie gewesen, sagte Marion Brasch: "Es haben wirklich Leute gesagt: Andere gehen zum Therapeuten und legen sich auf die Couch, und Du hast dieses Buch geschrieben." Heute sagt sie über ihre Familie: "Ich bin dankbar, dass die da waren und dass ich mit ihnen verwandt bin."
Surreal und magisch
Marion Brasch kam Ende der 1980er-Jahre zum Radio und wurde Musikjournalistin beim DDR-Jugendsender DT64, der für seine kritische Haltung bekannt war. Nach der Wende ging sie zu Radio Brandenburg, dem Vorgänger von Radio 1, wo sie bis heute moderiert.
Und sie arbeitet auch weiter als Autorin. So sind Fantasiefiguren, die sie früher durch ihre Musiksendungen wandern ließ, inzwischen zu Romanstoff geworden: "Wunderlich fährt nach Norden - Die irrtümlichen Abenteuer des Herrn Godot". Demnächst erscheint ihr dritter Roman.
Sie sei fasziniert vom Magischen Realismus, sagte die Autorin: "Das Märchenhafte, etwas Fantastische vor einer normalen Kulisse. Es spielen sich dann Dinge ab, die vielleicht ein bisschen surreal, ein bisschen magisch sind, das macht mir Spaß."