Vertreibung, Folter und Mord
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Zur Walpurgisnacht verkleiden sich Menschen gern als Hexen. Dem Ethnologen Felix Riedel behagt das fröhliche Treiben nicht: Reale Hexenjagden gebe es auch heute noch - mit grausamen Folgen für die Opfer.
Wenn nicht gerade Corona ist, feiern wild verkleidete "Hexen" in Teilen Europas gern die Walpurgisnacht. Auch in Deutschland hat das Tradition, zum Beispiel auf dem Brocken im Harz. Derzeit geht das freilich nur digital.
Doch was hierzulande für viele Menschen purer Spaß ist, sieht der Ethnologe Felix Riedel aus einem ganz anderen Blickwinkel: Frühere Hexenjagden gehörten zu den "extremsten Menschenrechtsverletzungen, die wir kennen", betont er: "Mit Folter über Tage, manchmal über Jahre hinweg. 500 Jahre später macht man daraus dann ein buntes Spektakel, bei dem man Hexenmasken trägt und so tut, als wäre man genauso, wie die Täter der Hexenjagden sich Hexen vorgestellt haben."
Riedel wirft den Feiernden Gleichgültigkeit gegenüber den "konkreten Opfern" vor: "Da will man von den Opfern profitieren und sich daran aufwerten."
Auch heute noch gebe es Hexenglauben in fast jedem Land der Welt, berichtet der Ethnologe; Hexenjagden hingegen seien viel seltener und lokal begrenzt. "Hotspots" seien afrikanische Länder wie etwa Tansania, Kenia, Nigeria oder die Demokratische Republik Kongo, aber auch Ostindien und Papua-Neuguinea. Eine Untersuchung in einer ghanaischen Ortschaft habe ergeben, dass 90 Prozent der Bevölkerung dort schon einmal wegen Hexerei angeklagt worden waren oder selbst jemand anderen angeklagt hatten.
Menschen werden auf offener Straße verbrannt
Hexenprozesse bedeuteten für die Opfer auch heute noch oft tagelange Isolation und Folter. Um ein Geständnis zu erpressen, werde den Angeklagten Gift, Pflanzendrogen oder Alkohol eingeflößt. "Das andere Phänomen sind Lynchmobs", sagt Riedel. "Da werden Menschen auf offener Straße verbrannt oder zu Tode geprügelt." Andere würden durch die Androhung von Gewalt vertrieben und müssten ins Exil gehen.
(bth)