Wassereimer im hochheiligen Kupferstichkabinett
Ein mit Tüten bepacktes "Obdachlosenfahrrad“ als Störfaktor im Museum. Der Hamburger Andreas Slominski schafft künstlerische Irritationen. Teile seiner Arbeiten werden jetzt in Bremen gezeigt.
Fast verschämt steht der kleine Eisenofen in dem großen Foyer. Er besteht aus einem länglichen Rumpf, vier Beinen und einem langen Ofenrohr. Neben ihm liegen allerhand Holzstücke, genauer: Astgabeln. Denn der Ofen ist kein normaler Ofen. Er ist ein "Ofen zum Verbrennen von Astgabeln“, weshalb vorn aus seinem Eisenrumpf zwei aufklappbare Rohre ragen - gleich einer Astgabel.
Kuratorin Sabine Maria Schmidt: "Das heißt, er hat zwei auseinandergespreizte Winkel, die es dem Heizer ermöglichen, die Astgabeln in ihrer kompletten Form und unversehrt in den Ofen zu schieben, ohne sie zu zerbrechen - und damit für neuen Wind im Museum zu sorgen."
Etwas weiter liegt auf einem winzigen Wandregal etwas vermeintlich so Belangloses wie ein zusammengeklappter Zollstock. Daneben lehnt eine 1,70 Meter lange Papprolle mit Adressaufkleber, in der Slominski den Zollstock per Post verschickte. Ausgeklappt. In seiner ganzen Länge.
Ob gängige Denkmuster, Verhaltensweisen oder gesellschaftliche Machtverhältnisse: Die Arbeiten des 54-Jährigen machen bewusst, was uns alles als "normal“ gilt, was wir als gegeben hinnehmen oder ignorieren, obwohl es fragwürdig ist, wenn nicht skandalös. Zum Beispiel die Widersprüche zwischen arm und reich. Slominski reagiert darauf mit Störfaktoren, die sich nicht mehr ignorieren lassen: So stellt er schon mal ein mit Plastiktüten bepacktes "Obdachlosenfahrrad“ ins Museum, wo die meisten Besucher noch immer von der unschönen Wirklichkeit verschont bleiben möchten.
Umwege und Irrwege mitdenken
Oder er führt mit absichtlich umständlichen und zeitfressenden Aktionen die vorherrschende neoliberale Ideologie ad absurdum, jegliches Tun müsse "ökonomisch effektiv“ sein und "sich rechnen“.
"Unsere gesamten Vorstellungen von Ökonomie, also auch der Fragestellung, 'In welchem Verhältnis steht eigentlich der Aufwand zum Ergebnis?' - das wird hier mit einer sehr radikalen und auch sehr vielschichtigen Arbeitsweise immer wieder hinterfragt."
Etwa in der Wassereimer-Aktion. Eine haarsträubende Angelegenheit, umständlich und wahnsinnig zugleich - und damit typisch für Andreas Slominski. Da führt ein dicker roter Schlauch von einem Wasserhahn im Treppenhaus des Museums ins Kupferstichkabinett. Dort ringelt er sich am Geländer einer Empore entlang wie eine Lichterkette, um dann - befestigt an einem schwenkbaren Metallträger - von oben in einen Eimer zu fallen, der auf einem Tisch zur Ansicht von Grafiken steht. Dieser Eimer, inmitten des Kupferstichkabinetts, wird sich im Laufe der Ausstellung mit Wasser füllen.
Sabine Maria Schmidt: "Jemandem, dem es gelingt, in ein hochheiliges Kupferstichkabinett eine Wasserleitung zu ziehen, um einen weißen Eimer zu befüllen, ... der lässt natürlich einen ganz anderen Umgang, oder Fragestellungen mit unserem System, oder systemischer Kultur, zu: 'Wie werden Dinge gemacht? Warum eigentlich? Warum gibt es immer nur den Weg von A nach B? Ist das der beste Weg? Gibt es nicht eigentlich viel interessantere Dinge zu erfragen und zu erforschen, wenn ich den Umweg gehe? Wenn ich den Irrweg gehe?'"
Harmlose Blechdose als übler Vogelschlucker
Die Ausstellung umfasst Werke aus der Sammlung Bärbel und Manfred Holtfrerich, die Slominskis Arbeiten seit Mitte der 80er-Jahre sammeln, und dem Museum als Dauerleihgabe überlassen haben. Darunter sind zahlreiche seiner Tierfallen für Vögel, Katzen, Mäuse und Schmetterlinge. Die allesamt fangbereiten, perfiden Konstruktionen geben sich mal als minimalistisches Objekt, und scheinen den Betrachter in die Falle der "schönen Kunst“ zu locken. Mal entpuppen sich harmlose Blechdosen als üble Vogelschlucker. Außerdem sorgen Badekappen-Verpackungen, ein Handfeger, oder Wein aus Werder für im besten Sinne irritierende Anregung.
"Ein ganz wichtiges Thema ... ist das Verhältnis von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit. Das, was uns als Objekt entgegensteht, verblüfft uns, fordert uns, hinterfragt etwas, da wir mit unserer rein visuellen Information diesem Objekt und dieser Geschichte nicht Herr werden. Immer wieder ist es auch die Frage, etwas in der Schwebe zu halten, etwas nicht zu lösen.
So wie bei dem Fladenbrot, das als Kunst in einer Vitrine landete, weil ein Sportschuh während eines Fußballspiels Löcher in den Brotteig drückte. - Nur weshalb das Ganze?
"Aber wie er darauf gekommen ist, und warum - darüber können wir uns jetzt bestimmte Geschichten erzählen oder überlegen."
In solchen Fällen werden Slominskis Arbeiten manchmal beliebig. Oft aber sind sie auf eine Weise böse und abgründig, dass sie neue Sichtweisen auf das provozieren, was uns umgibt.
Mehr Informationen finden Sie auf der Homepage der Kunsthalle Bremen.