Moderne oder Rekonstruktion?
Trotz Parlamentsbeschluss und Kostenvoranschlag ist immer noch nicht klar: Wird das Berliner Stadtschloss nun wirklich wieder aufgebaut und zum "Humboldt-Forum" umbenannt, oder wird - ganz anders - ein "Humboldt-Forum" errichtet, das über das Berliner Stadtschloss Auskunft gibt, sagen wir, indem ein wenig historische Fassade angeklebt wird?
"Foren" tauchen in Berlin ja allenthalben auf. Im Wedding etwa entstand das "Lichtburg-Forum", das an einen imposanten Kinopalast der Berliner Architekturmoderne erinnern soll. Das Ergebnis stimmt eher traurig.
Ob der Niedergang der Baukunst vom Berliner Stadtschloss zum geplantem "Humboldtforum" ähnlich dramatisch sein wird, ist zwar nicht ausgemacht, doch auch nicht auszuschließen. Längst hat der Streit begonnen, wie tief die Fassade rekonstruiert werden muss. Genügt eine Anmutung des alten Schlosses, so dass es von Weitem so aussieht wie einst? Oder erstreckt sich die Fassade viele Meter tief bis ins Innere des Baus? "Die würden am liebsten des ganze Schloss wieder aufbauen!" sagt der Herausgeber der renommierten Architekturzeitschrift Arch Plus, Nikolaus Kuhnert, und er meint dies als Vorwurf - etwa an die Adresse von Hans Kollhoff. Dieser wiederum stellt heraus, dass die Arbeit des Architekten in erster Linie den Traditionen des Stadtraumes und nicht irgendeinem Architekturtrend zu dienen habe.
Hier die Architekturmoderne – und dort die deutsche "Rekonstruktivitis" - dazwischen die zerlegten Teile des alten Palastes der Republik und die ausgegrabenen Schlossfundamente? Dieter Bartetzko hat in der FAZ Traditionalismus und Moderne als "Doppelwesen gegenseitigen Hasses" bezeichnet, das das zeitgenössische Bauen bestimme. Doch – wie steht es überhaupt um diesen vermeintlichen Gegensatz von "ewig gestrigen" Schlossfreunden und "aufgeklärten" Anhängern der Architekturmoderne?
Die Architekturmoderne - Gropius, Mies van der Rohe und Kollegen - hat im Wesentlichen neu gebaut; ganz unabhängig von Rekonstruktionen, die in den Zwanzigern vielleicht hier und da auch nötig waren. Die Anhänger der Schlossrekonstruktion sind, folgt man etwa dem Symposium der internationalen Bauakademie Berlin, kaum Traditionalisten. Schon eher sind sie der Ansicht, das Schloss habe gewissermaßen eine unüberbietbare Qualität gehabt, weswegen man nicht einfach einen Neubau dorthin stellen und mit Fassadenresten schmücken sollte.
Will man hier den wahren Konflikt markieren, so wäre er wohl zu suchen zwischen dem öffentlichen Interesse an einer Rekonstruktion des Schlosses, das immerhin einen Parlamentsbeschluss auf seiner Seite hat - und den Interessen einer Anzahl von Architekten, die nicht rekonstruieren wollen, aber doch trotzdem gern dabei wären.
Das Problem heißt also gar nicht Modernes Bauen contra Traditionalismus. Es heißt viel mehr Rekonstruktion unter Akzeptanz des ehemaligen Bauwerkes und seines Wertes oder Scheinrekonstruktion unter Berücksichtigung von Interessen, die das Schloss dann zu einer Art vorgeführtem Stück Vergangenheit innerhalb eines vielleicht guten, vielleicht aber auch schlechten "Humboldtforums" machen.
Nichts gegen ein Forum und auch nichts gegen moderne Architektur, ja, ich bekenne mich sogar zu ihr. Und doch sollte der Raum einer historischen Stadt kein beliebiges Verfügungsstück sein. Selbst die Kopie eines guten historischen Gebäudes könnte besser sein als Architektur, die gar nicht baut, sondern das zu Rekonstruierende nur zum Vorführobjekt macht.
Dass dafür das Geld im Moment noch nicht so richtig fließen mag, ist sehr verständlich. Immerhin versucht sich Berlin nun schon zum Dritten mal am selben Ort. Vielleicht eignet sich diese Stelle einfach nicht! Wer weiß, vielleicht genügt am Ende auch ein schöner grüner Rasen. Einige Stahlträger des zerlegten Palasts der Republik könnte man dann gleich dort liegen lassen – als Mahnmal gegen ideologisches Bauen sozusagen.
Vor vierzig Jahren hatte man weder im Westen noch im Osten große Probleme mit der Rekonstruktion des Alten. Damals hieß das Wiederaufbau. Der Herkulessaal in München, die großen deutschen Dome, die Berliner Staatsoper, das Kronprinzenpalais, wo wären wir heute, wenn bei all diesen Bauten jedes Mal sozusagen das "Prinzip Forum" geherrscht hätte?
Einmal übrigens korrigierte man dieses Prinzip. In Hildesheim waren nach dem Krieg die Trümmer des sogenannten Knochenhauer Amtshauses beseitigt worden, um einem Hotelbau Platz zu machen, der an das Gebäude erinnern sollte. Inzwischen ist das Hotel abgerissen und das Knochenhauer Amtshaus steht wieder an seinem Platz. Originalgetreu rekonstruiert.
Reinhard Knodt, geboren 1951 in Dinkelsbühl, Musikausbildung, Studium der Philosophie (Gadamer, Kaulbach, Riedel) in Heidelberg, Erlangen und Trinity College Dublin; viele Universitätsengagements in Europa und den USA (Collège International Paris, New School New York, Penn-State-University, KH Kassel, HDK Berlin u.a.). Herausgeber der Nürnberger Blätter, Rundfunkautor, freischaffend seit 1992. Begründung der Nürnberger Autorengespräche zusammen mit Peter Horst Neumann. Reinhard Knodt, der mehrere Preise erhielt, verfasste Essays, Kritiken (Architektur, bildende Kunst) und Vorträge sowie über 50 Hörspiele, Hörbilder und Stundensendungen und Aufsätze, Kurzgeschichten, Essays und Kritiken. Reinhard Knodt lehrt seit 2005 an der UDK Berlin Kunstphilosophie. 2007 erhielt er von der bayerischen Akademie der Künste den Friedrich Baur Preis für Literatur zugesprochen.
Ob der Niedergang der Baukunst vom Berliner Stadtschloss zum geplantem "Humboldtforum" ähnlich dramatisch sein wird, ist zwar nicht ausgemacht, doch auch nicht auszuschließen. Längst hat der Streit begonnen, wie tief die Fassade rekonstruiert werden muss. Genügt eine Anmutung des alten Schlosses, so dass es von Weitem so aussieht wie einst? Oder erstreckt sich die Fassade viele Meter tief bis ins Innere des Baus? "Die würden am liebsten des ganze Schloss wieder aufbauen!" sagt der Herausgeber der renommierten Architekturzeitschrift Arch Plus, Nikolaus Kuhnert, und er meint dies als Vorwurf - etwa an die Adresse von Hans Kollhoff. Dieser wiederum stellt heraus, dass die Arbeit des Architekten in erster Linie den Traditionen des Stadtraumes und nicht irgendeinem Architekturtrend zu dienen habe.
Hier die Architekturmoderne – und dort die deutsche "Rekonstruktivitis" - dazwischen die zerlegten Teile des alten Palastes der Republik und die ausgegrabenen Schlossfundamente? Dieter Bartetzko hat in der FAZ Traditionalismus und Moderne als "Doppelwesen gegenseitigen Hasses" bezeichnet, das das zeitgenössische Bauen bestimme. Doch – wie steht es überhaupt um diesen vermeintlichen Gegensatz von "ewig gestrigen" Schlossfreunden und "aufgeklärten" Anhängern der Architekturmoderne?
Die Architekturmoderne - Gropius, Mies van der Rohe und Kollegen - hat im Wesentlichen neu gebaut; ganz unabhängig von Rekonstruktionen, die in den Zwanzigern vielleicht hier und da auch nötig waren. Die Anhänger der Schlossrekonstruktion sind, folgt man etwa dem Symposium der internationalen Bauakademie Berlin, kaum Traditionalisten. Schon eher sind sie der Ansicht, das Schloss habe gewissermaßen eine unüberbietbare Qualität gehabt, weswegen man nicht einfach einen Neubau dorthin stellen und mit Fassadenresten schmücken sollte.
Will man hier den wahren Konflikt markieren, so wäre er wohl zu suchen zwischen dem öffentlichen Interesse an einer Rekonstruktion des Schlosses, das immerhin einen Parlamentsbeschluss auf seiner Seite hat - und den Interessen einer Anzahl von Architekten, die nicht rekonstruieren wollen, aber doch trotzdem gern dabei wären.
Das Problem heißt also gar nicht Modernes Bauen contra Traditionalismus. Es heißt viel mehr Rekonstruktion unter Akzeptanz des ehemaligen Bauwerkes und seines Wertes oder Scheinrekonstruktion unter Berücksichtigung von Interessen, die das Schloss dann zu einer Art vorgeführtem Stück Vergangenheit innerhalb eines vielleicht guten, vielleicht aber auch schlechten "Humboldtforums" machen.
Nichts gegen ein Forum und auch nichts gegen moderne Architektur, ja, ich bekenne mich sogar zu ihr. Und doch sollte der Raum einer historischen Stadt kein beliebiges Verfügungsstück sein. Selbst die Kopie eines guten historischen Gebäudes könnte besser sein als Architektur, die gar nicht baut, sondern das zu Rekonstruierende nur zum Vorführobjekt macht.
Dass dafür das Geld im Moment noch nicht so richtig fließen mag, ist sehr verständlich. Immerhin versucht sich Berlin nun schon zum Dritten mal am selben Ort. Vielleicht eignet sich diese Stelle einfach nicht! Wer weiß, vielleicht genügt am Ende auch ein schöner grüner Rasen. Einige Stahlträger des zerlegten Palasts der Republik könnte man dann gleich dort liegen lassen – als Mahnmal gegen ideologisches Bauen sozusagen.
Vor vierzig Jahren hatte man weder im Westen noch im Osten große Probleme mit der Rekonstruktion des Alten. Damals hieß das Wiederaufbau. Der Herkulessaal in München, die großen deutschen Dome, die Berliner Staatsoper, das Kronprinzenpalais, wo wären wir heute, wenn bei all diesen Bauten jedes Mal sozusagen das "Prinzip Forum" geherrscht hätte?
Einmal übrigens korrigierte man dieses Prinzip. In Hildesheim waren nach dem Krieg die Trümmer des sogenannten Knochenhauer Amtshauses beseitigt worden, um einem Hotelbau Platz zu machen, der an das Gebäude erinnern sollte. Inzwischen ist das Hotel abgerissen und das Knochenhauer Amtshaus steht wieder an seinem Platz. Originalgetreu rekonstruiert.
Reinhard Knodt, geboren 1951 in Dinkelsbühl, Musikausbildung, Studium der Philosophie (Gadamer, Kaulbach, Riedel) in Heidelberg, Erlangen und Trinity College Dublin; viele Universitätsengagements in Europa und den USA (Collège International Paris, New School New York, Penn-State-University, KH Kassel, HDK Berlin u.a.). Herausgeber der Nürnberger Blätter, Rundfunkautor, freischaffend seit 1992. Begründung der Nürnberger Autorengespräche zusammen mit Peter Horst Neumann. Reinhard Knodt, der mehrere Preise erhielt, verfasste Essays, Kritiken (Architektur, bildende Kunst) und Vorträge sowie über 50 Hörspiele, Hörbilder und Stundensendungen und Aufsätze, Kurzgeschichten, Essays und Kritiken. Reinhard Knodt lehrt seit 2005 an der UDK Berlin Kunstphilosophie. 2007 erhielt er von der bayerischen Akademie der Künste den Friedrich Baur Preis für Literatur zugesprochen.