Mörderische Mixtur
In Sao Paulo konsumieren viele Kinder und Jugendliche die Billigdroge Crack. Aber es geht noch schlimmer: Crack wird in Brasilien zunehmend von der neuen Droge "Oxi" verdrängt - Höllentrip und Hirnschädigung inklusive.
Sao Paolo, die größte Stadt Brasiliens. Hektisch gehen die Menschen im Stadtteil Luz über die Straßen. Keiner hält sich hier länger auf, alle wollen sie schnell weiter. In den Seitenstraßen zeigt sich ein anderes Bild. Auf einigen Bürgersteigen sitzen Menschen, manche liegen auf dem Boden. Mit zittrigen Fingern rauchen sie aus kleinen Holzpfeifen. Ausgemergelte Gestalten, heruntergekommen, schmutzig. Manche wackeln auf ihren Beinen herum. Es scheint, als schliefen sie im Stehen.
Wir sind in Crackolandia, was übersetzt Crack-Land bedeutet. Die meisten Menschen auf den Bürgersteigen sind Rauschgiftsüchtige, die der Billigdroge Crack verfallen sind. Die Pastorin Nildes Neri hat mit ihrem Mann das Ausstiegsprojekt "Acao Retorno" - "Aktion Rückkehr" - ins Leben gerufen, sie betreut viele Süchtige aus Crackolandia.
"Die Drogenabhängigen hier in Sao Paolo in Crackolandia sind in einem Stadium angelangt, in dem sie ohne Pause konsumieren. Sie haben keine Hoffnung, sie erwarten auch nichts mehr. Sie sind hier, um zu sterben. Tag und Nacht, an 24 Stunden konsumieren sie Drogen. Die einzige Chance ist, dass ihnen jemand Hilfe anbietet."
Doch nur wenige der Abhängigen in Crackolandia nehmen die Hilfe an. Das Einstiegsalter für den Erstkonsum von Crack liegt in Brasilien bei 13 Jahren. Crack ist eine aus Kokainpaste hergestellte Billigdroge. Die Lebenserwartung der Abhängigen ist gering. Da die Droge extrem gestreckt und unrein ist, leben die jungen Menschen, die sie konsumieren, meist nicht länger als fünf Jahre. Mehr als 1,5 Millionen Brasilianer sind abhängig von Crack. Ein scheinbar kurzes Glücksgefühl, das meist eine lebenslange Anhängigkeit, in vielen Fällen den Tod zur Folge hat. Nildes Neri kennt den Effekt der Droge aus ihrer täglichen Arbeit.
"Sie sagen, dass es toll ist, ein Moment voller Glück. Aber dieses scheinbare Glück, dieser Frieden, der dauert nur zwölf Sekunden, und sie müssen immer mehr konsumieren, damit sich dieses Gefühl wieder einstellt. Immer mehr, immer mehr müssen sie konsumieren. Wenn sie aufhören, Crack zu rauchen, werden sie depressiv. Krankheiten treten auf, die sie sonst, während sie rauchen, nicht mitbekommen. Da spüren sie keine Schmerzen, haben keinen Hunger, werden nicht müde. Manche bleiben zehn Tage wach. Diese Droge ist die reine Zerstörung."
Crackolandia bietet ein jämmerliches Bild, und doch geht es noch schlimmer. Oxi heißt der Höllentrip, der in vielen brasilianischen Städten das herkömmliche, bisher bekannte Crack verdrängt. Wunderdroge, Superdroge wird sie fast schon ehrfurchtsvoll von Dealern und Abhängigen genannt. Auch Nildes Neri kennt sie inzwischen.
"Der Effekt von Oxi ist anders als beim Crack, denn die Zusammensetzung ist unterschiedlich. Sehr viele werden krank, haben Hautverletzungen, große Probleme mit der Verdauung. Die Auswirkungen sind ziemlich heftig. Vieles wird beigemischt, etwa Kerosin. Die Süchtigen selbst sagen, dass diese 'Brise', wie sie es nennen, anders ist. Manche verspüren eine Lust auf den Tod. So stark ist die Droge."
Die Behörden in vielen brasilianischen Städten sind alarmiert, denn Oxi hat eine mörderische Mixtur. Die harte Paste kostet nur ein Viertel vom herkömmlichen Crack, ist aber sechsmal so stark wie etwa Kokain. Das Schlimme an Oxi ist die Zusammensetzung. Die Brocken sind gemixt aus einer Kokainpaste, aus Benzin, Diesel oder Kerosin, Kalk, dem Lösungsmittel Aceton und Kaliumpermanganat. Dazu kommen noch weitere Chemikalien.
Clemente Calvo von der Drogenbekämpfungsbehörde DENARC kennt Oxi seit wenigen Monaten. Er spricht von einem sehr unreinen, minderwertigen Crack, das für viele fatale Folgen hat.
"Der Drogenrausch kommt sehr schnell, die Wirkung ist praktisch sofort da. Aber es kommt immer darauf an, was man in die Droge gesteckt hat. Wir haben schon Brocken der Paste gefunden, die mit allen möglichen Substanzen versetzt waren, sogar mit einer Chemikalie, mit der man Schwimmbäder reinigt. Die Droge ist unterschiedlich, und je nachdem, was der Produzent reingemixt hat, kann sie sehr schlimme Folgen haben."
Hartgesottene Sozialarbeiter und Drogenfahnder berichten, dass die Oxi-Trips schlimmer sind als alles andere, was sie bisher gesehen haben. Unmittelbar nachdem sie den Stoff geraucht haben, übergeben sich die Abhängigen, werden inkontinent. Doch das ist nur der Beginn der Tragödie. Das Infarktrisiko steigt, das Gehirn wird irreversibel geschädigt. Drogenfahnder Clemente Calvo gibt den Oxi-Opfern maximal ein Jahr, bevor sie sterben.
"Ich kenne Menschen, die Kokain nehmen und trotzdem ein einigermaßen produktives Leben führen. Aber diejenigen, die dieses Zeug rauchen, Oxi, die sind sozusagen nicht mehr in die Gesellschaft integrierbar. Sie schaffen es nicht mehr an einem sozialen Leben teilzunehmen. Sie leben nur noch für die Droge, sie leben, um die Droge zu bekommen. Und deshalb degenerieren sie so schnell."
Marivaldo da Silva Santos ist 36 Jahre alt. Zwischen 2002 und 2004 lebte er auf den Gehwegen in Crackolandia. Jahrelang war er abhängig von Alkohol, Kokain, schließlich Crack. Sozialarbeiter der Kirche holten ihn von der Straße. Er ist einer der wenigen schwer Drogenabhängigen, die es nach jahrelangem Entzug gerade noch geschafft haben. Inzwischen ist er drogenfrei. An seine Zeit auf der Straße in Crackolandia erinnert er sich mit Schaudern.
"Die Droge gibt dir das Gefühl von Freiheit. Du verlierst die Angst, und es ist dir vollkommen egal, was um dich herum passiert. Es macht dir nichts aus, ob dich die Leute ignorieren, sie dir ein Glas Wasser verweigern oder sie dich nicht auf ihre Toilette lassen. Durch die Drogen verlierst du die Scham, in der Öffentlichkeit dein Geschäft zu verrichten. Als obdachloser Abhängiger musst du die Angst verlieren, dich mit einer Flasche Wasser in der Öffentlichkeit zu waschen. Wenn du nüchtern bist, kannst du so etwas nicht machen."
In dem Videoüberwachungsraum der Policia Militar bekommen die Beamten das Drama der Drogenabhängigen von Crackolandia hautnah mit. Einige Dutzend Überwachungskameras sind im Stadtteil Luz aufgebaut. Die Drogenpolizei weiß um die dramatischen Folgen von Crack und Oxi. Cleodato Moises do Nascimento zeigt stolz den Raum mit den vielen Bildschirmen, verweist auf die deutsche Technik, die eingesetzt wird.
"Die Kameras können 360 Grad gedreht werden, wir können auf maximal 3 Kilometer Entfernung zoomen, wobei man auf 600 Meter Entfernung noch klar ein Autokennzeichen lesen kann. Oder aber das Gesicht und die Hände einer Person. Dadurch können wir den Polizeistreifen, die auf der Straße patrouillieren, wichtige Hilfestellungen geben. Sobald wir eine anormale Situation haben, wird alles gefilmt, und ein Streifenwagen direkt dorthin geschickt."
Die Drogen-Polizei in Sao Paolo sieht das Elend der Süchtigen in Crackolandia, ist aber relativ hilflos. Die Hintermänner der Drogenkartelle lassen sich im Stadtteil Luz kaum blicken. Und die Kleindealer und Drogenabhängigen helfen als kleine Fische im Kampf gegen die Drogenkriminalität nicht unbedingt entscheidend weiter, meint Cleodato Moises do Nascimento.
"Unsere Hauptzielgruppe sind die Drogenhändler. Denn bei den Konsumenten handelt es sich ja in Wirklichkeit um kranke Personen. Wenn wir also nach Crackolandia kommen, nützt es nichts, den Drogenkonsumenten festzunehmen, der vielleicht über einen Brocken Crack verfügt. Den müssten wir sowieso wieder laufen lassen. Deshalb interessieren wir uns für die Händler."
Nur gehen die den Drogenfahndern selten ins Netz. Und es gibt auch Zweifel an der Arbeit der Drogenpolizei. Pater Julio Lancelotti leitet in Sao Paolo die Obdachlosenpastorale der Katholischen Kirche. Er hat jeden Tag mit den Drogenabhängigen von Crackolandia zu tun und sieht mit Entsetzen, wie brutal Oxi die Lage der Süchtigen noch verschlechtert. Indes: Pater Julio Lancelotti gibt der Polizei eine Mitschuld an der Situation. Immer wieder komme es zu Razzien, bei denen die Beamten kräftig mitkassierten, berichtet der Geistliche.
"Während des Tages erscheint die Polizei und lässt die Drogenabhängigen auf dem Bürgersteig sich in einer Reihe aufstellen. Dann holen sie sich drinnen ihren Anteil ab und sagen zu den Süchtigen: Ihr könnt weiter machen. Heutzutage ist der Drogenkonsum institutionalisiert. Das ist organisiertes Verbrechen. Darunter verstehe ich ein System, in dem die Verbrechen unter der Beteiligung von Staatsbediensteten begangen werden."
Es sind nur wenige wie Pater Julio Lancelotti, die die Süchtigen von Crackolandia nicht ihrem Schicksal überlassen. Die neue Droge Oxi ist für den Geistlichen eine neue Herausforderung, die ihn aber auch an Grenzen bringt. Ebenso Nildes und Jair Neri mit ihrem Projekt Acao Retorno – "Aktion Rückkehr". Nicht viele schaffen die Rückkehr in ein normales, drogenfreies Leben. Nildes Neri gibt dennoch keinen einzigen auf.
"Ich bemühe mich an ihrer Seite zu sein. Und ich glaube daran, dass Freundschaft sehr viel hilft. Und die Liebe. Ich habe zwischen diesen Menschen gelebt, habe ihnen zugehört. Habe ihnen meine Hand gereicht, sie umarmt und ihnen gesagt, dass unsere Türe für sie offen steht. Sie können herkommen, wie in einer Familie bei uns leben. Und ich kenne einige, die Crackolandia schon entkommen sind. Aber nur durch Liebe und Einsatz. Oft werden sie rückfällig, aber man kann durch Nächstenliebe viel bewirken, man muss sich diesen Menschen ganz hingeben."
Wir sind in Crackolandia, was übersetzt Crack-Land bedeutet. Die meisten Menschen auf den Bürgersteigen sind Rauschgiftsüchtige, die der Billigdroge Crack verfallen sind. Die Pastorin Nildes Neri hat mit ihrem Mann das Ausstiegsprojekt "Acao Retorno" - "Aktion Rückkehr" - ins Leben gerufen, sie betreut viele Süchtige aus Crackolandia.
"Die Drogenabhängigen hier in Sao Paolo in Crackolandia sind in einem Stadium angelangt, in dem sie ohne Pause konsumieren. Sie haben keine Hoffnung, sie erwarten auch nichts mehr. Sie sind hier, um zu sterben. Tag und Nacht, an 24 Stunden konsumieren sie Drogen. Die einzige Chance ist, dass ihnen jemand Hilfe anbietet."
Doch nur wenige der Abhängigen in Crackolandia nehmen die Hilfe an. Das Einstiegsalter für den Erstkonsum von Crack liegt in Brasilien bei 13 Jahren. Crack ist eine aus Kokainpaste hergestellte Billigdroge. Die Lebenserwartung der Abhängigen ist gering. Da die Droge extrem gestreckt und unrein ist, leben die jungen Menschen, die sie konsumieren, meist nicht länger als fünf Jahre. Mehr als 1,5 Millionen Brasilianer sind abhängig von Crack. Ein scheinbar kurzes Glücksgefühl, das meist eine lebenslange Anhängigkeit, in vielen Fällen den Tod zur Folge hat. Nildes Neri kennt den Effekt der Droge aus ihrer täglichen Arbeit.
"Sie sagen, dass es toll ist, ein Moment voller Glück. Aber dieses scheinbare Glück, dieser Frieden, der dauert nur zwölf Sekunden, und sie müssen immer mehr konsumieren, damit sich dieses Gefühl wieder einstellt. Immer mehr, immer mehr müssen sie konsumieren. Wenn sie aufhören, Crack zu rauchen, werden sie depressiv. Krankheiten treten auf, die sie sonst, während sie rauchen, nicht mitbekommen. Da spüren sie keine Schmerzen, haben keinen Hunger, werden nicht müde. Manche bleiben zehn Tage wach. Diese Droge ist die reine Zerstörung."
Crackolandia bietet ein jämmerliches Bild, und doch geht es noch schlimmer. Oxi heißt der Höllentrip, der in vielen brasilianischen Städten das herkömmliche, bisher bekannte Crack verdrängt. Wunderdroge, Superdroge wird sie fast schon ehrfurchtsvoll von Dealern und Abhängigen genannt. Auch Nildes Neri kennt sie inzwischen.
"Der Effekt von Oxi ist anders als beim Crack, denn die Zusammensetzung ist unterschiedlich. Sehr viele werden krank, haben Hautverletzungen, große Probleme mit der Verdauung. Die Auswirkungen sind ziemlich heftig. Vieles wird beigemischt, etwa Kerosin. Die Süchtigen selbst sagen, dass diese 'Brise', wie sie es nennen, anders ist. Manche verspüren eine Lust auf den Tod. So stark ist die Droge."
Die Behörden in vielen brasilianischen Städten sind alarmiert, denn Oxi hat eine mörderische Mixtur. Die harte Paste kostet nur ein Viertel vom herkömmlichen Crack, ist aber sechsmal so stark wie etwa Kokain. Das Schlimme an Oxi ist die Zusammensetzung. Die Brocken sind gemixt aus einer Kokainpaste, aus Benzin, Diesel oder Kerosin, Kalk, dem Lösungsmittel Aceton und Kaliumpermanganat. Dazu kommen noch weitere Chemikalien.
Clemente Calvo von der Drogenbekämpfungsbehörde DENARC kennt Oxi seit wenigen Monaten. Er spricht von einem sehr unreinen, minderwertigen Crack, das für viele fatale Folgen hat.
"Der Drogenrausch kommt sehr schnell, die Wirkung ist praktisch sofort da. Aber es kommt immer darauf an, was man in die Droge gesteckt hat. Wir haben schon Brocken der Paste gefunden, die mit allen möglichen Substanzen versetzt waren, sogar mit einer Chemikalie, mit der man Schwimmbäder reinigt. Die Droge ist unterschiedlich, und je nachdem, was der Produzent reingemixt hat, kann sie sehr schlimme Folgen haben."
Hartgesottene Sozialarbeiter und Drogenfahnder berichten, dass die Oxi-Trips schlimmer sind als alles andere, was sie bisher gesehen haben. Unmittelbar nachdem sie den Stoff geraucht haben, übergeben sich die Abhängigen, werden inkontinent. Doch das ist nur der Beginn der Tragödie. Das Infarktrisiko steigt, das Gehirn wird irreversibel geschädigt. Drogenfahnder Clemente Calvo gibt den Oxi-Opfern maximal ein Jahr, bevor sie sterben.
"Ich kenne Menschen, die Kokain nehmen und trotzdem ein einigermaßen produktives Leben führen. Aber diejenigen, die dieses Zeug rauchen, Oxi, die sind sozusagen nicht mehr in die Gesellschaft integrierbar. Sie schaffen es nicht mehr an einem sozialen Leben teilzunehmen. Sie leben nur noch für die Droge, sie leben, um die Droge zu bekommen. Und deshalb degenerieren sie so schnell."
Marivaldo da Silva Santos ist 36 Jahre alt. Zwischen 2002 und 2004 lebte er auf den Gehwegen in Crackolandia. Jahrelang war er abhängig von Alkohol, Kokain, schließlich Crack. Sozialarbeiter der Kirche holten ihn von der Straße. Er ist einer der wenigen schwer Drogenabhängigen, die es nach jahrelangem Entzug gerade noch geschafft haben. Inzwischen ist er drogenfrei. An seine Zeit auf der Straße in Crackolandia erinnert er sich mit Schaudern.
"Die Droge gibt dir das Gefühl von Freiheit. Du verlierst die Angst, und es ist dir vollkommen egal, was um dich herum passiert. Es macht dir nichts aus, ob dich die Leute ignorieren, sie dir ein Glas Wasser verweigern oder sie dich nicht auf ihre Toilette lassen. Durch die Drogen verlierst du die Scham, in der Öffentlichkeit dein Geschäft zu verrichten. Als obdachloser Abhängiger musst du die Angst verlieren, dich mit einer Flasche Wasser in der Öffentlichkeit zu waschen. Wenn du nüchtern bist, kannst du so etwas nicht machen."
In dem Videoüberwachungsraum der Policia Militar bekommen die Beamten das Drama der Drogenabhängigen von Crackolandia hautnah mit. Einige Dutzend Überwachungskameras sind im Stadtteil Luz aufgebaut. Die Drogenpolizei weiß um die dramatischen Folgen von Crack und Oxi. Cleodato Moises do Nascimento zeigt stolz den Raum mit den vielen Bildschirmen, verweist auf die deutsche Technik, die eingesetzt wird.
"Die Kameras können 360 Grad gedreht werden, wir können auf maximal 3 Kilometer Entfernung zoomen, wobei man auf 600 Meter Entfernung noch klar ein Autokennzeichen lesen kann. Oder aber das Gesicht und die Hände einer Person. Dadurch können wir den Polizeistreifen, die auf der Straße patrouillieren, wichtige Hilfestellungen geben. Sobald wir eine anormale Situation haben, wird alles gefilmt, und ein Streifenwagen direkt dorthin geschickt."
Die Drogen-Polizei in Sao Paolo sieht das Elend der Süchtigen in Crackolandia, ist aber relativ hilflos. Die Hintermänner der Drogenkartelle lassen sich im Stadtteil Luz kaum blicken. Und die Kleindealer und Drogenabhängigen helfen als kleine Fische im Kampf gegen die Drogenkriminalität nicht unbedingt entscheidend weiter, meint Cleodato Moises do Nascimento.
"Unsere Hauptzielgruppe sind die Drogenhändler. Denn bei den Konsumenten handelt es sich ja in Wirklichkeit um kranke Personen. Wenn wir also nach Crackolandia kommen, nützt es nichts, den Drogenkonsumenten festzunehmen, der vielleicht über einen Brocken Crack verfügt. Den müssten wir sowieso wieder laufen lassen. Deshalb interessieren wir uns für die Händler."
Nur gehen die den Drogenfahndern selten ins Netz. Und es gibt auch Zweifel an der Arbeit der Drogenpolizei. Pater Julio Lancelotti leitet in Sao Paolo die Obdachlosenpastorale der Katholischen Kirche. Er hat jeden Tag mit den Drogenabhängigen von Crackolandia zu tun und sieht mit Entsetzen, wie brutal Oxi die Lage der Süchtigen noch verschlechtert. Indes: Pater Julio Lancelotti gibt der Polizei eine Mitschuld an der Situation. Immer wieder komme es zu Razzien, bei denen die Beamten kräftig mitkassierten, berichtet der Geistliche.
"Während des Tages erscheint die Polizei und lässt die Drogenabhängigen auf dem Bürgersteig sich in einer Reihe aufstellen. Dann holen sie sich drinnen ihren Anteil ab und sagen zu den Süchtigen: Ihr könnt weiter machen. Heutzutage ist der Drogenkonsum institutionalisiert. Das ist organisiertes Verbrechen. Darunter verstehe ich ein System, in dem die Verbrechen unter der Beteiligung von Staatsbediensteten begangen werden."
Es sind nur wenige wie Pater Julio Lancelotti, die die Süchtigen von Crackolandia nicht ihrem Schicksal überlassen. Die neue Droge Oxi ist für den Geistlichen eine neue Herausforderung, die ihn aber auch an Grenzen bringt. Ebenso Nildes und Jair Neri mit ihrem Projekt Acao Retorno – "Aktion Rückkehr". Nicht viele schaffen die Rückkehr in ein normales, drogenfreies Leben. Nildes Neri gibt dennoch keinen einzigen auf.
"Ich bemühe mich an ihrer Seite zu sein. Und ich glaube daran, dass Freundschaft sehr viel hilft. Und die Liebe. Ich habe zwischen diesen Menschen gelebt, habe ihnen zugehört. Habe ihnen meine Hand gereicht, sie umarmt und ihnen gesagt, dass unsere Türe für sie offen steht. Sie können herkommen, wie in einer Familie bei uns leben. Und ich kenne einige, die Crackolandia schon entkommen sind. Aber nur durch Liebe und Einsatz. Oft werden sie rückfällig, aber man kann durch Nächstenliebe viel bewirken, man muss sich diesen Menschen ganz hingeben."