Mohamed Mbougar Sarr: "Die geheimste Erinnerung der Menschen"
Aus dem Französischen übersetzt von Holger Fock und Sabine Müller
Hanser Verlag, 2022
448 Seiten, 27 Euro
Mohamed Mbougar Sarr: "Die geheimste Erinnerung der Menschen"
Afrikanisch oder nicht afrikanisch genug? Autor Mohamed Mbougar Sarr nimmt in seinem Roman auch die Erwartungshaltung gegenüber Schriftstellern mit afrikanischen Wurzeln satirisch aufs Korn. © Philippe Rey
Schreiben über das Schreiben
17:02 Minuten
Ein Roman über einen Roman: Der Senegalese Mohamed Mbougar Sarr würzt dieses bekannte Motiv mit satirischen Blicken auf den Literaturbetrieb. Sein Buch ist auch eine spannende Auseinandersetzung mit den Erwartungen an "afrikanisches Schreiben".
Er ist einer der jüngsten Gewinner in der Geschichte des französischen Literaturpreises Prix Goncourt: Der senegalesische Autor Mohamed Mbougar Sarr war 31, als er die Jury 2021 mit seinem Roman "La plus secrète mémoire des hommes" überzeugte, einer Mischung aus Satire auf den Literaturbetrieb und Krimi über die Suche nach einem verschwundenen Autor.
Der Roman ist jetzt unter dem Titel "Die geheimste Erinnerung der Menschen" auch auf Deutsch erschienen. Und darum geht es: Als dem jungen Senegalesen Diégane ein verloren geglaubtes Kultbuch in die Hände fällt, begibt er sich auf die Spur des rätselhaften Verfassers T.C. Elimane.
Reales Vorbild aus Mali
Elimane wurde in den 1930er-Jahren als „schwarzer Rimbaud“ gefeiert, nach rassistischen Anfeindungen und einem Skandal tauchte er jedoch unter. Wer war er? Die Figur des Elimane nimmt Bezug auf einen anderen Autor und dessen Buch: den malischen Schriftsteller Yambo Ouologuem (1940 - 2017), der sein Werk allerdings erst Ende der 60er-Jahre veröffentlichte.
Sarr beschreibt Diéganes Reise und Suche auf drei Kontinenten und setzt sich dabei zugleich mit dem komplexen Erbe des Kolonialismus auseinander. So beschäftigt ihn etwa, "wie sich afrikanische Schriftsteller in Frankreich positionieren und wie mit ihnen umgegangen wird".
Fragen von Kolonialismus und Dekolonialismus
Der geheimnisvolle Elimane stehe somit stellvertretend "für zahlreiche Fragen, die im Zusammenhang mit afrikanischer Literatur in Frankreich zu stellen sind". Er habe die Handlung aber um 30 Jahre – in die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen – vorverlegt, weil es ihm wichtig gewesen sei, Fragen des Kolonialismus, Postkolonialismus und Dekolonialismus mitzuverhandeln.
In diesem Zusammenhang beschäftigt sich Sarr auch mit der Frage, was eigentlich das Afrikanische in den Büchern seines Protagonisten (und in seinen eigenen) ausmacht. "Ist das jetzt afrikanisch genug oder ist es nicht afrikanisch genug?", das werde ihm "von außen übergestülpt".
Die eigene Sprache finden
Im Roman macht Sarr sich genau über diese Stereotype im Zusammenhang mit afrikanischen Autoren lustig. Für ihn steht fest: "Es geht bei jedem afrikanischen Schriftsteller – wie bei jedem anderen Autor auch – vor allem darum, dass er seine ganz eigene, literarische Sprache findet."
Natürlich habe man als afrikanischer Schriftsteller eine gewisse Verwurzelung und Verortung in Afrika. Gleichzeitig gebe es aber in jedem Schreibenden den Traum von der großen Weltbibliothek, in die er sich einschreiben wolle und die auf ihn zurückwirke.
(mkn)