Mojib Latif: „Heißzeit"

Der Zorn des Klimaforschers

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Buchcover von Mojib Latif "Heisszeit", Herder Verlag, 2020.
Klimaforscher Mojib Latif setzt sich detailliert mit den Argumenten derer auseinander, die sich als Klimaskeptiker bezeichnen. © Herder Verlag
Von Günther Wessel |
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Manchmal muss die Wut wohl einfach raus: Klimaforscher Mojib Latif hat ein Buch geschrieben, in dem neben seiner Expertise viel Zorn steckt. Darüber, dass die Politik immer noch nicht entschieden gegen die Klimakrise vorgeht. Ein beeindruckendes Plädoyer.
Ungebremst steuert, so Mojib Latif, die Menschheit auf die Klimakatastrophe zu. Die ersten Vorboten seien deutlich zu erkennen: Extremwetter, die im Jahr 2018 allein in Deutschland zu wirtschaftlichen Schäden von 4,5 Milliarden Euro sorgte. Hitze und Trockenheit legten die Binnenschifffahrt lahm, beschädigten Autobahnen und sorgten für große Waldbrände.
Die Bilder der monatelangen Buschbrände in Australien gingen um die Welt. Auch statistisch lässt sich nachweisen, dass generell und weltweit die Temperaturen steigen: Das vergangene Jahrzehnt war das wärmste seit dem Beginn systematischer Temperaturmessungen im Jahr 1880.

Thesen der "Klimaskeptiker" widerlegt

Die Gründe dafür sind bekannt: Der Klimawandel ist menschengemacht, vor allem durch einen übergroßen Ausstoß von Kohlendioxid in die Atmosphäre. Darüber herrscht in der Klimaforschung kein Zweifel, auch wenn es zahlreiche Lobbyorganisationen gibt, die anderes behaupten.
Latif setzt sich detailliert mit den Argumenten der sich selbst so nennenden Klimaskeptiker auseinander. Beispielsweise dem, es habe schon immer Klimawandel gegeben und auch einen natürlichen Treibhauseffekt. Er widerlegt sie in einer gut lesbaren und verständlichen Sprache.
Latif erläutert, wie Treibhausgase in der Atmosphäre einerseits dafür sorgten, dass auf der Erde Temperaturen herrschen, die Leben erst möglich machen. Doch andererseits befinde sich die Atmosphäre in einem sensiblen Gleichgewicht, das vor allem seit den vergangenen 50 Jahren durch das Verbrennen fossiler Energieträger empfindlich gestört sei.
Er erklärt auch, wie die wissenschaftlichen Klimamodelle funktionieren. Selbst Wissenschaftler des Ölkonzerns Exxon, heute übrigens einer der größten Finanziers der "Klimaskeptiker", hätten schon 1982 in einer Studie den heutigen CO2-Gehalt der Atmosphäre und die heutige globale Durchschnittstemperatur erstaunlich präzise vorhergesagt.

Eine Streitschrift, die Mut machen will

Das Störfeuer der Lobbyorganisationen und einzelner Politiker, Latif nennt für Deutschland vor allem die AfD und Teile der sogenannten "Werteunion", habe allerdings dazu geführt, dass Klimapolitik nicht den Stellenwert habe, der ihr gebühre.
Physikalische Gesetze, so Latif, seien aber nicht verhandelbar. Auch die Politik müsse sich endlich von einem marktradikalen Neoliberalismus lösen, um sinnvolle Regulierungen zum Schutze der Umwelt durchzusetzen. Diese böten auch Chancen für eine wirtschaftliche Weiterentwicklung.
Mojib Latifs Buch ist das Musterbeispiel einer engagierten Streitschrift eines über sein reines Fachgebiet hinausschauenden kritischen Wissenschaftlers. Eine Aufforderung, endlich zu handeln, verbunden mit klaren Empfehlungen. Und Latif macht Mut: Die Innovationskraft der Menschheit sei grenzenlos. Sie müsse nur wollen.

Mojib Latif: "Heißzeit. Mit Vollgas in die Klimakatastrophe – und wie wir auf die Bremse treten"
Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2020
221 Seiten, 20 Euro

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