Die Kurse des New Yorker Museum of Modern Art sind gratis. Es sei denn, man möchte ein Zertifikat erhalten; das kostet 44 Euro.
Weck den Pollock in dir!
06:35 Minuten
Wie kann man Kunst erlebbar machen, wenn alle Museen geschlossen sind? Das New Yorker MoMA vermittelt jetzt in fünf Onlinekursen die Praxis zeitgenössischer Kunst. Unsere Autorin weiß jetzt, wie man in sieben Minuten einen Jackson Pollock kleckst.
Einmal die Farbe auf die Leinwand tropfen lassen wie Jackson Pollock, einmal der Unendlichkeit so nahe sein wie Mark Rothko oder die Überwältigung aller Sinne erreichen wie Barnett Newman. Dazu lädt der virtuelle Lehrgang des New Yorker Museum of Modern Art ein, der sich der abstrakten amerikanischen Malerei der 50er Jahre widmet.
Die erste Videoeinführung gibt einen kurzen Überblick über die Entstehung der New York School. In einer Zeit, als Paris das Kunstzentrum der Welt war, wollten die amerikanischen Künstler von der Moderne ernst genommen werden.
"The question here was, how as Americans can we be taken seriously as modern artists. Because at that time, the idea of a modern American art movement was almost laughable. And Paris was the unquestioned centre of modern creative activity."
Als würde man jemandem beim Kochen zugucken
Ein Foto zeigt das typische Gruppenbild mit Dame, in der Mitte Jackson Pollock. Im Hintergrund als einzige Frau Agnes Martin, lange vergessen und in Deutschland erst 2007 auf der documenta 12 wiederentdeckt.
Nach dem kurzen Theorieteil geht es ins Atelier. Der Konservator, Kunsthistoriker und Künstler Corey D’Augustine leitet den Workshop mit nie versiegendem Enthusiasmus.
Wie bei einer Kochschau steht er hinter dem Werktisch und macht uns mit den Utensilien vertraut. Vom Backblech als Palette über Leinwand und Spannrahmen bis hin zu detaillierten Informationen über die Zusammensetzung der Farben.
"Now, medium I mentioned is this stuff. Linseed oil. Linseed oil yellows slightly on drying, it yellows slightly over time. But it is relatively clear. And this is useful for making paint more fluid, but on the canvas making glazes."
Als Bindemittel, erklärt Corey D’Augustine, fungiert Leinöl, das bekomme zwar einen etwas gelblichen Ton, wenn es trocknet, mache die Farbe aber flüssiger und glänzender.
Für jeden der sieben Künstler veranschlagt D’Augustine eine Woche. Beispiele aus der exquisiten Sammlung des MoMA geben jeweils einen Eindruck von der Entwicklung des Werkes, zumal das Museum auch über kaum bekannte frühe Arbeiten verfügt.
Die ersten praktischen Schritte auf dem Weg zur Malerei sind noch etwas mühselig. Da muss die Leinwand auf dem Spannrahmen befestigt und die Ecken sauber umgeklappt werden.
"So the trickiest part now is how to do the corners. Some people get really lazy, and staple that back and it’s a pretty crampy corner, if you ask me."
Wer sich an das hoffnungslos matte Schwarz von Ad Reinhardt wagen will, sollte die Farbe schon zu Beginn des Kurses ansetzen, denn die Pigmente sollen sich wochenlang setzen, damit die Farbe ihren Glanz verliert.
Rühren, testen – und wieder verwerfen
Dafür gelingt der erste Jackson Pollock schon in sieben Minuten. Der Künstler hat fertige Farbe aus der Tube verwendet und Industrielack mit dem Rührstab auf die Leinwand geträufelt.
"Here we can see, it is flowing, it is wrinkling, because my hand is not moving very quickly, and I am giving this line a very, very different quality, than that red, which I allow to run much more quickly."
Aber danach ist Heimarbeit gefragt, Erproben und Verwerfen. Natürlich – wir sind beim seriösen MoMA – räumt der Trainer ein, dass niemand Pollocks unergründlich verzweifeltes Farbchaos aus dem Ärmel schütteln könne.
Was ist das gängigste Bindemittel für Ölfarben?
Das Mitreißende an diesem Kurs besteht darin, dass er inhaltlich anspruchsvoll bleibt und doch die Malerei nachvollziehbar macht. So kommt man zum Beispiel den meditativen Wiederholungen von Agnes Martin ganz nahe, wenn man beobachtet, wie ihre Raster auf der Leinwand entstehen. Mal als präzise Linien, mal als winzige Markierungen, die bis heute auf dem Bildrand zu erkennen sind.
"Other times she made these little lines right on the edge of the canvas. And the next time, you go to an Agnes Martin exhibition, take a look at the edges, and you often see these small pencil lines, and you are just peaking over her shoulders, as you are over mine right now, as to how she was able to make these grids."
Am Ende eines jeden Kapitels prüft ein Fragebogen, ob alle gut aufgepasst haben. Was war noch einmal das gängigste Bindemittel für Ölfarben? Genau: Leinöl. Es empfiehlt sich, den Kurs nicht während der Bürozeit im Homeoffice zu testen – die Sogwirkung dieses sinnlichen Angebots ist zu groß.
Auch sind nach erfolgreichem Abschluss vielleicht nicht alle der bislang 65.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer große Maler geworden. Aber der Kurs ist getragen von dem künstlerischen Prinzip der Verwandlung. Er löst Stillstand auf in Produktivität.