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Die Bachs vor Bach
Wenn sich mit dem Musikernamen Bach einmal nicht der Vorname Johann Sebastian verbindet, sind zumeist seine Söhne gemeint. Zwei von ihnen erlangten Weltruhm. Doch auch frühere Bach-Generationen brachten geniale Komponisten hervor.
"Frage die vorigen Geschlechte / vnd nim dir fur zu forschen ire Veter. Denn wir sind von gestern her vnd wissen nichts / Unser Leben ist ein Schatten auff Erden." So übersetzte Martin Luther aus dem Buch Hiob, und den "Schatten auf Erden" wählte im 17. Jahrhundert Johann Bach als Thema einer Motette.
Unser Leben, heißt es in diesem erlesenen Werk, ist groß, schwer und reich. Aber es ist auch so leicht, dass es verweht. Es ist ein Schatten, ein Nebel: Dies der Inhalt einer der frühesten Kompositionen, die aus der Familie Bach überliefert sind. Und der Urheber war nach seinem Tod 1673 lange selbst nur ein Schatten für die Nachwelt – einer von so vielen musikalischen Bachs, die dem einen, großen Johann Sebastian vorausgegangen waren.
Fundstücke der Vorgeschichte
Angesichts des monumentalen Werks von Johann Sebastian Bach und angesichts des Interesses, das auch dem Œuvre seiner Söhne gilt, zog die familiäre Vorgeschichte – soweit überliefert – nur wenig Aufmerksamkeit auf sich. Immerhin sind in den vergangenen rund vier Jahrzehnten einige Aufnahmen entstanden, die uns hören lassen, was die Bachs einst schrieben, warum uns diese Familie selbst ohne Johann Sebastian etwas zu sagen hat und warum dieser ohne seine Vorfahren auch musikalisch nicht denkbar ist. Zu den Pionieren dieses Repertoires in unserer Zeit zählen Musiker wie John Eliot Gardiner, Reinhard Goebel, Philippe Herreweghe und Konrad Junghänel.
Die Anfänge der Familie liegen – nach einer dürftig dokumentierten Episode auf dem Gebiet der heutigen Slowakei – im thüringischen Wechmar, wo der Bäcker Veit Bach am Ende des 16. Jahrhunderts den "Ursprung der Musicalisch-Bachischen Familie" initiierte. So überschrieb Johann Sebastian Bach eine Genealogie, die seine Faszination für die eigene Familiengeschichte bezeugt. Als Thomaskantor führte er Werke seiner Vorfahren in Leipzig wieder auf, so wie es später auch sein Sohn Carl Philipp Emanuel in Hamburg tun sollte.
Ein besonderes Familienalbum
Das auf diese Weise entstandene "Altbachische Archiv" ist ein einzigartiger musikalischer Schatz, der nicht nur die deutsche Geschichte des 17., sondern auch jene des 20. Jahrhunderts widerspiegelt: Aus den Beständen der Sing-Akademie zu Berlin gelangte es im Zweiten Weltkrieg in die Ukraine, wo es 1999 von dem Musikforscher Christoph Wolff wiederentdeckt wurde. Seitdem werden die 200 Blätter, einen Steinwurf vom einstigen Gebäude der Sing-Akademie entfernt, in der Berliner Staatsbibliothek aufbewahrt.
Diese und viele andere Geschichten trägt Volker Hagedorn in dieser Sendung, die wir aus dem Jahr 2016 wiederholen, zusammen. Wem das und die Musik der Bach-Familie Lust auf mehr macht, findet weitere Anregungen in Hagedorns Buch zum Thema: "Bachs Welt. Die Familiengeschichte eines Genies", erschienen bei Rowohlt, ist das vielstimmige Porträt einer Familie im 17. und 18. Jahrhundert, quellengesättigt und erzählfreudig gleichermaßen, zudem eine Studie über den Einfluss von Krieg und Epidemien auf die Kulturgeschichte.