Pazifismus, das muss man sich auch bis zu einem gewissen Grad leisten können. Wenn ich etwas gelernt habe dann, dass Nazis immer nach unten treten. Ich weiß wie es ist, Morddrohungen zu kriegen. Und das nicht über irgendwelche Social-Media-Plattformen.
Monchi von Feine Sahne Fischfilet
Angst vor dem Jo-Jo-Effekt: Jan Gorkow, Sänger von Feine Sahne Fischfilet, hat 65 Kilo abgenommen. © Bastian Bochinski
"Mit 120 Kilo fühle ich mich wie ein Schmetterling"
37:18 Minuten
Mehr als 30 Jahre lang gab er meist Vollgas. Bis Jan Gorkow alias Monchi feststellte, dass er 182 Kilo wog und ihn sein Gewicht irgendwann umbringen würde. Der Sänger von Feine Sahne Fischfilet verlor ein Drittel davon und erkundete sich dabei selbst.
„Ich esse nahezu nie aus Hunger“, sagt Jan Gorkow, den die meisten unter seinem Spitznamen Monchi kennen. Und das ist wohl ein Grund dafür, warum der Sänger von Feine Sahne Fischfilet 182 Kilo wog, „mehr als meine Mutter und mein Vater zusammen“. Er trug die Größe 6 XL.
7500 Kalorien am Tag hat Gorkow früher zu sich genommen, es können auch mal mehr gewesen sein. Nach dem Abendbrot noch einen Döner, Eis und Schokolade, „Cola und Fanta als Abwechslung“. Einfachste Tätigkeiten wurden ihm zur Tortur oder irgendwann ganz unmöglich.
"Ich bin oft ein richtiger Idiot"
Innerhalb eines Jahres hat er jetzt über 60 Kilo verloren, mit Intervallfasten. Darüber hat Gorkow ein Buch geschrieben: „Niemals satt: Über den Hunger aufs Leben und 182 Kilo auf der Waage.“
Über das Schreiben wollte er auch verstehen, warum er beim Essen keine Grenzen kennt. „Ich habe herausgefunden, dass ich oft ein richtiger Idiot bin“, sagt er. Hätten seine Eltern oder Freunde ihn aufgefordert abzunehmen, er hätte aus Protest noch mehr gegessen. Für Gorkow ist jetzt klar, dass sein Essverhalten vor allem an Emotionen hängt.
„Aus Langeweile, wenn ich wütend bin, wenn ich Stress habe, dann ist es unglaublich, wie viel ich in mich hineinstopfe.“
Angst vor dem Jo-Jo-Effekt
Momentan, mit 120 Kilo, „fühle ich mich wie ein Schmetterling“, sagt Gorkow. Trotzdem hat er auch Angst vor dem Jo-Jo-Effekt. „Ich bin im Kopf den 150 Kilo näher als den 100 Kilo. Ich habe 65 Kilo abgenommen, habe aber trotzdem noch so viel Mist in mir.“
Jan Gorkow hat nach der Schule keine Ausbildung gemacht. Musik und Fußball, das war fortan sein Leben. Schon mit 14, so erzählt er, hatten die Eltern keinen „Zugriff“ mehr. Mit 19 wird er zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Mit anderen Fans von Hansa Rostock hatte er einen Bahnhof verwüstet, er selbst noch dazu einen Polizeiwagen in Brand gesetzt.
„Mein größtes Ziel war nicht, das Abi zu machen, sondern 34 Spiele in der Saison zu sehen. Damals fand ich das total schlau. Jetzt denke ich, auch das war selten dämlich.“
Zusammen mit Schulfreunden gründete Monchi vor 15 Jahren die Punkband Feine Sahne Fischfilet. Es hätte auch jede andere Musikrichtung sein können: Ihm war wichtig, dass etwas passiert in seinem Leben. Gorkow stammt aus Jarmen, einem kleinen Ort in Mecklenburg-Vorpommern: „Da gibt es bis heute noch nicht mal einen Jugendclub.“
"Pazifismus muss man sich leisten können"
Er spielte kein Instrument, konnte keine Noten. Also wurde Monchi der Sänger. Heute kann die Band von ihrer Musik leben und zählt momentan zu den erfolgreichsten in Deutschland. Gorkow und die anderen Bandmitglieder positionieren sich regelmäßig gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Zweimal wurde die Band im Verfassungsschutzbericht erwähnt, als linksextrem eingestuft.
Gewalt, das war und ist bei Gorkow bis heute ein Thema:
In den letzten Wochen war Gorkow wieder unterwegs. Allerdings nicht mit der Band, sondern mit einem Hilfskonvoi. Er fuhr Hilfsgüter an die ukrainische Grenze. Auf der Fahrt zurück brachte er Geflüchtete nach Deutschland, auch in seine mecklenburgische Heimat.
Jetzt brauche es Durchhaltevermögen, sagt er: „Das ist ja nichts irgendwie auf Kurzstrecke, was da gerade passiert, sondern das ist Mittel- und Langstrecke.“
(ful)