"Mondovino"

Von Anke Leweke · 28.04.2005
Mit einer Kamera und einem Tonmann hat er sich auf den Weg gemacht. Er ist in die alten, traditionsreichen Weingegenden Europas gereist und hat seine weltweite Geschmacksprobe in Chile und im kalifornischem Napa Valley fortgesetzt.
Jonathan Nossiter ist Filmemacher aber auch ausgebildeter Sommelier. In seinem Dokumentarfilm "Mondovino" ist er einer Kontinente umspannenden Weinverschwörung auf der Spur. Dabei geht es um nichts weniger als um den Verlust der Weinkultur. Der Wein, so Nossiter, ist im Begriff zum seelenlosen Massenprodukt zu verkommen. Und wie hat man sich den globalisierten Massengeschmack vorzustellen?

"Eine Orgie mit Pamela Anderson, bei der man ununterbrochen Big Macs isst. Dieser Geschmack ist wie ein Film ohne Drehbuch, aber mit vielen Spezialeffekten, die uns vergessen machen, dass wir dabei nichts empfinden. Dieser globalisierte Wein ist reich an Alkohol, dick und süß. "

Wie konnte es zum Fastfood Wein kommen? Wie ein Kommissar macht sich Nossiter auf, die Schuldigen zu suchen. Zum Beispiel den weltweit operierenden Weinberater Michel Rolland. Zu seinen Kunden gehören selbst anerkannte Weindynastien wie die Rothschilds. Mit technokratischen Tricks hilft ihnen Rolland, ihre Weine an den Massengeschmack anzupassen. Wie ein Banker hetzt er in der Limousine von Weinberg zu Weinberg, während am Handy schon der nächste Kunde wartet.

Doch der Trend zum Einheitswein wird auch von renommierter Kritikerseite befördert. In "Mondovino" begibt sich Jonathan Nossiter zum Hausbesuch bei Robert Parker, dem wohl einflussreichsten Weinkritiker.

" Parker ist ein guter Weinkritiker, in jedem Fall ist er besser als die meisten. Er ist ein sehr netter Mensch. Warum hat er soviel Macht? Weil er zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Und weil er zum Ausdruck des Zeitgeists wurde: Ich rede von der Zeit, als die Amerikaner anfingen, sich für Wein zu interessieren. E war genau die Zeit, als den Bordeaux-Winzern klar wurde, dass sie, wenn sie global erfolgreich bleiben wollten, ihren Geschmack an den kalifornischen Weingeschmack anpassen mussten. "

Robert Parker wurde zum Apostel des amerikanisierten Weins. Und so bemühen sich auch französische Großwinzer tiefrote, süffige, schwere, eingängige Rotweine zu produzieren. Jonathan Nossiter besucht mehrere dieser Weinproduzenten, die das Keltern inzwischen mit der Effizienz von Fabrikbesitzern betreiben.

Aber es gibt sie auch: Die Guten. Die kauzigen, halsstarrigen Winzer, für die der Wein noch eine ganze Lebensphilosophie umfasst. Im Gespräch mit diesen Urgesteinen geht es um Tradition, Familienerbe, Handwerk und das Bekenntnis zum unbedingten Regionalismus eines Weins.

" Mein Film ist eigentlich kein Film über Wein. Er richtet sich auch an Leute, die nichts mit Wein am Hut haben. Wein war auch immer ein Ausdruck von Zivilisation. Wein ist die einzige Sache auf der Welt, die so komplex ist wie Menschen. In seiner unendlichen Vielfalt, seiner Entwicklung, seiner Beziehung zur Zeit und zu dem Raum, in der er entsteht, und in den Feinheiten seiner Identität. "

Es mag sein, dass Jonathan Nossiter angesichts der Fülle von Positionen und Gesprächen immer wieder den Faden verliert. Es mag sein, dass sich seine wackelige Handkamera manchmal zu dilletantisch gebärdet. Dennoch wird anhand der Weinproduktion vieles über die Mechanismen und die Folgen der Globalisierung verdeutlicht. Nicht nur die Identität des Weins, soviel ist klar, steht auf dem Spiel. Was bleibt uns, den Einzelnen zu tun? Wie können wir den Siegeszug des süffigen aber charakterlosen Weins aufhalten?

" Jedes Mal, wenn sie einen Wein im Supermarkt oder in einer Kette kaufen, treffen Sie eine politische Entscheidung. Sie unterstützen das System, das Ihnen Ihre Identität nimmt. Wenn sie aber in ein unabhängiges Weingeschäft gehen, wo ein einzelner Mensch den Wein, den er verkauft, persönlich auswählt. Dann ist es völlig egal, welchen Wein Sie kaufen. Ihr Kauf ist ein politischer Akt, mit dem sie die Menschen, die Wein individuell produzieren, unterstützen."