Monika Helfer: "Vati"
Hanser, München 2021
176 Seiten, 20 Euro
Vom Krieg gezeichnet, süchtig nach Büchern und rätselhaft
10:05 Minuten
Nach dem Bestseller "Bagage" ein weiteres Familienbuch von Monika Helfer: "Vati". Die Vorarlbergerin beschreibt darin einen Mann, der schwer zu durchschauen war und eine tiefe Leidenschaft hatte: Bücher. Allerdings hegte er auch ein antiquiertes Familienbild.
Mit ihrem Roman "Die Bagage" hat Monika Helfer eine außergewöhnliche Familien-Erzählung geschrieben, die viel gelesen und gelobt wurde. In dem Buch war eine der Großmütter von Monika Helfer die Hauptfigur, in ihrem neuen Werk ist es ihr Vater – und so heißt das Buch dann auch: "Vati".
Helfers Vater war Soldat im Zweiten Weltkrieg und hat dort ein Bein verloren. "Jeder ist im Krieg beschädigt worden, körperlich oder seelisch", sagt Helfer. Ihr Vater habe allerdings nicht darüber gesprochen. "Die Männer, die im Krieg waren, die sind alle sehr verletzt zurückgekommen und haben das, glaub ich, ihr ganzes Leben nie verloren."
"Das Geld ist für die Bücher"
Ihr Vater sei ein nach Büchern süchtiger Mann gewesen, erinnert sich Monika Helfer. In einer Schlüsselszene des neuen Romans nimmt er sie mit, um mit ihr zusammen wasserdicht verpackte Bücher zu vergraben. "Wir hatten ein spezielles Buch-Verhältnis miteinander. Er hat mir immer wieder seine Lieblingsbücher vorgelegt: Als ich ein Kind war natürlich die bebilderten, die Tierbücher, und mir die Bilder gezeigt. Ich war fasziniert."
Die Büchersucht des Vaters sei allerdings sehr weit gegangen. "Er hat jeden Groschen auf die Seite getan, hat halt das Nötigste zu Hause abgegeben, sein Gehalt", erinnert sich Helfer. Daneben habe er noch schwarz gearbeitet und Buchhaltung für Betriebe gemacht: "Und das hat er alles für Bücher verwendet."
Wenn man zu einem besonderen Anlass Geld gebraucht habe, sei man bei ihm aufgelaufen: "Dann hat er nichts hergegeben, hat gesagt: 'Nein, das habe ich jetzt für mich verdient. Das ist für die Bücher'."
Doch den Vater plagte wegen der vielen bestellten Bücher manchmal auch ein schlechtes Gewissen. Er habe dann neue Bücher im Kohlenkeller versteckt und sie einzeln hinaufgebracht in die Wohnung, sagt die Österreicherin. Für die habe er ein tiefes Regal gebaut, in das er zwei Reihen Bücher hineinstellen konnte – "sodass man nur eine Reihe gesehen hat".
Aufgeschlossen, und zugleich stockkonservativ
Während ihr Vater politisch modern gedacht habe und aufgeschlossen gewesen sei, sei sein Familienbild sehr antiquiert gewesen: "Was die Frauen angeht, war er hinterm Mond. Er wollte, dass die Mädchen kochen und nähen lernen. Er wollte partout nicht, dass meine Schwester und ich studieren." Ihr Bruder sei der absolute Liebling des Vaters gewesen. "Er wollte unbedingt, dass er alles macht, war er nicht machen konnte."
Jener Bruder wird nun auch zur literarischen Figur: "Ich habe jetzt in der Corona-Zeit angefangen, ein Buch über meinen Bruder zu schreiben, über Richard, der sich mit 30 das Leben genommen hat. Ich war sehr eng mit ihm und er ist auch eine erzählenswerte Figur. Ich denke, wenn es gut geht, dann kann es im nächsten Frühjahr erscheinen, und es wird 'Löwenherz' heißen."
(mfu)