Monika Maron: "DDR-Literatur" als Begriff abschaffen

Von Hilde Weeg |
Für ihre literarischen Verdienste um das Verständnis deutscher Geschichte wurden Monika Maron, Erich Loest und Uwe Tellkamp von der Deutschen Nationalstiftung in Weimar geehrt. Die Dankesrede nutzte Monika Maron zu einem Plädoyer dafür, den Begriff "DDR-Literatur" endlich aus den Feuilletons zu verbannen.
Monika Maron: "Der Preis der Deutschen Nationalstiftung ist kein Literatur-Preis. Er ist ein politischer Preis, der vor allem dem politischen Wirken unserer Arbeit im Sinne der Stiftung gilt, deren Ziel es ist, die Fremdheit zwischen Ost und West zu überwinden und die nationale Identität der Deutschen in einem vereinten Europa zu stärken."

Damit begann Monika Maron heute ihre Dankesrede in Weimar. Dass ihr wie auch Erich Loest und Uwe Tellkamp bewusst war, dass die Preisstifter Politiker sind – wie auch Laudator Kurt Biedenkopf, machte es verzeihlich, dass vom literarischen Werk dieser drei herausragenden Schriftsteller kaum die Rede war. Maron hielt ihre Rede zugleich für die anderen mit – und eigentlich für alle Schriftsteller, deren Schaffen vor allem mit ihrer Herkunft erklärt wird:

Maron: " Dass die gesamte literarische Produktion Ostdeutschlands zwischen 1949 und 1990 und sogar darüber hinaus sowohl in der Germanistik als auch im Feuilleton bis heute unter der Bezeichnung DDR-Literatur abgehandelt wird, ist nicht nur ein Ärgernis, sondern führt auch zu einer verengten Wahrnehmung der Texte, die vor allem auf ihren DDR-Bezug gelesen und damit ihrer Übertragbarkeit auf andere Lebenswelten beraubt werden." "

Allen, die auf einen Schlüsselroman zur jüngsten deutschen Geschichte warten, erteilte sie eine Absage – und erklärte zugleich, was Literatur im Kern ausmacht:

"Wenn meine Arbeit mir nicht misslungen ist, habe ich also nicht die DDR erklärt, sondern ich habe erzählt, was mit Menschen geschieht, wenn sie Verhältnissen unterworfen sind, in denen sie eine relative materielle Sorglosigkeit mit ihrer geistigen Freiheit bezahlen und in denen der Versuch, sich aus der Unmündigkeit zu befreien, die Existenz und sogar die leibliche Freiheit kosten kann."

Literatur habe nicht die Aufgabe, eine Zeit zu erklären, sondern die Begegnung mit Menschen zu ermöglichen – und in dieser Begegnung im glücklichsten Fall auch sich selbst zu erkennen und zu verstehen:

"Die DDR war das Ergebnis der gemeinsamen Geschichte, sie gehört zur deutschen Geschichte. Und die Literatur, die in ihr geschrieben wurde, ist deutsche Literatur - gute oder schlechte, wahrhaftige und verlogene. Vieles, was schon vergessen wurde, und anderes, das vermutlich vergessen wird, wie zu allen Zeiten. Vielleicht wird manches überleben, aber das entscheiden nicht wir."

Der Vorstandsvorsitzende der 1993 gegründeten Deutschen Nationalstiftung, Richard Schröder, würdigte die Preisträger so:

"Ich habe beobachtet, die schärfste Urteilsfähigkeit in den hier verhandelten Fragen legen diejenigen an den Tag, die beide Deutschländer, zurzeit der Teilung oder eben auch danach, erlebt haben. Unsere drei Autoren verbindet das. Sie neigen deshalb - weil sie beides kennen - am wenigsten zu DDR-Nostalgie oder herablassender Verharmlosung."

Dass der Nationalpreis, mit insgesamt 60.000 Euro dotiert, kein literarischer Preis ist, wurde besonders beim Laudator Kurt Biedenkopf deutlich. Beim Lob des Werkes von Erich Loest war er offenbar noch auf sicherem Boden:

"Für mich Erich bist du ein Beispiel der Aufrichtigkeit, des Mutes und des letztendlichen Triumphes über die Unfreiheit."

Aber bei Monika Maron verirrte er sich in seinem Manuskript:

"Monika Maron, 1968 geboren … Nein Entschuldigung, gnädige Frau, ich wollte Sie nicht noch jünger machen, als Sie ohnehin sind!"

Trotz der Pannen fühlten sich Maron, Erich Loest, aber auch Uwe Tellkamp durchaus gewürdigt.

Maron: "Ich fühle mich insofern als Schriftstellerin geehrt, als eben der politische Aspekt dessen, was ich gearbeitet habe, dabei geehrt wurde. Und das ist ja auch schön."

Tellkamp: "Es ist grundsätzlich eine Anerkennung und eine Wertschätzung meiner Arbeit."