"Das nähert sich stark dem Trumpismus"
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Nach der Trennung des S. Fischer-Verlags von Monika Maron verglich die Autorin ihre früheren Herausgeber mit der DDR-Zensurbehörde. Dabei geht es nur um ganz normales Verlagsgeschäft, sagen Helmut Böttiger und Felicitas Hoppe.
Andrea Gerk: Die Trennung des Fischer-Verlags von Monika Maron hat eine größere Debatte ausgelöst. Der Verlag hatte sich nach vier Jahrzehnten von seiner Autorin getrennt, nachdem sie eine Sammlung mit Essays in einer Schriftenreihe namens "Exil" veröffentlicht hat, die der neurechte Antaios-Verlag vertreibt. Am Montag wurde nun bekannt, dass Monika Maron einen neuen Verlag gefunden hat, Hoffmann & Campe. Schon Anfang Dezember soll dort die Erzählung "Bonnie Propeller" erscheinen, im April dann ein Band mit Essays.
Herr Böttiger, Monika Maron hat verlauten lassen, der frühere Hoffmann-und-Campe-Autor Heinrich Heine sei ihre Jugendliebe und werde nun offenbar ihre Altersliebe. Wonach klingt das für Sie, wenn da ausgerechnet der jüdische Republikaner Heinrich Heine ins Spiel gebracht wird?
Heinrich Heines Freiheitsbegriff
Helmut Böttiger: Das ist schon sehr interessant. Monika Maron hat ja den Freiheitsbegriff von Heinrich Heine genannt und sich damit identifiziert. Heinrich Heine ist dafür bekannt, dass er sich vor allem gegen den deutschen Michel gewandt hat, gegen diese Ressentiments des deutschen Kleinbürgers, der alles Fremde und andere ablehnt. Er hat sich stark gegen rassistische Verfolgungen engagiert, gegen Antisemitismus. Ich weiß nicht, ob Monika Maron das mit Heines Freiheitsbegriff meint.
Gerk: Felicitas Hoppe, Sie sind ja selbst Fischer-Autorin, das ist also vielleicht ein bisschen heikel, mit Ihnen darüber zu sprechen. Wie nehmen Sie den ganzen Vorgang wahr?
Es gibt keinen verlegerischen Notstand
Felicitas Hoppe: Die ganze Geschichte ist sehr hochgekocht und beherrscht die Feuilletons schon viel zu lange. Da ich selber Autorin bin, sage ich jenseits der politischen Fragestellung – wobei ich finde, dass Autorinnen und Autoren sich durchaus mit dem Vertrieb ihrer Bücher beschäftigen sollten – ist das Verhältnis zwischen Autoren, Autorinnen und ihren Verlagen natürlich immer auch heikel.
Ich weiß das aus eigener Erfahrung, ich habe auch Verlagswechsel hinter mir. Und was dann da wirklich vor sich geht, das bleibt immer ein bisschen im Dunkeln. Ich muss allerdings sagen, die Tatsache, dass Monika Maron jetzt einen neuen Verlag gefunden hat, und zwar nach drei Wochen, spricht dafür, dass wir hier in unserem Land keinen verlegerischen Notstand haben.
Äußerst bedenkliches Verhalten
Gerk: Monika Maron hat bei uns in der Sendung "Fazit" eine interessante Einordnung gegeben und an den Umgang damals mit ihrem Buch "Flugasche" erinnert. Sie sagte:
"Meine Situation ist der vor 40 Jahren ähnlich, als 'Flugasche' im Osten nicht gedruckt werden konnte. Wobei der Unterschied ist, dass damals mein Verlag zu mir gehalten hat. Das Buch ist gescheitert an der Zensurbehörde im Kulturministerium und nicht im Verlag. Insofern kann ich gar nicht anders als denken: Du lieber Gott, das habe ich vor 40 Jahren schon mal erlebt."
Helmut Böttiger, finden Sie, das ist ein passender Vergleich, den Frau Maron da zieht?
Böttiger: Das bewegt sich natürlich in einem bestimmten Umfeld. Diese Dresdner Buchhandlung, die mit dem Antaios-Verlag sehr eng kooperiert, die hat natürlich genau diese Haltung: Man kann nicht mehr alles sagen, man fühlt sich in der Opposition, man nennt eine Buchreihe "Exil".
Es erinnert auch sehr stark an das, was auch die Demonstranten gegen die Corona-Maßnahmen immer sagen: "Wir leben genauso in einer Diktatur wie in der DDR." Dieser Vergleich von Monika Maron mit der Zensur des Buches "Flugasche" in der DDR und dass der S. Fischer Verlag sie als Autorin nicht mehr haben will, das läuft darauf hinaus, dass man die Diktatur der DDR mit der Öffentlichkeitsstruktur in der Bundesrepublik gleichsetzt. Und das finde ich äußerst bedenklich, und das müsste man auch genauso benennen.
Es nähert sich dem Trumpismus
Die DDR war natürlich eine Diktatur, und die Bundesrepublik ist keine Diktatur. Wenn man über diese Voraussetzungen hinweggeht, dann nähert sich das schon sehr stark dem Trumpismus, dass Dinge verwischt werden, die einfach unabdingbare Voraussetzungen dafür sind, ein normales Gespräch zu führen.
Gerk: Maron selbst sagt, sie sei nicht neurechts, sondern freiheitlich. Sie publiziert aber gleichzeitig in einem neurechten Verlag und hat auch erst letzte Woche wieder davon gesprochen, dass sich Afrika vermehrt und der Islam aufrüstet. Was ist das Problem an so einer Haltung?
Böttiger: Das Problem sehe ich darin, dass man in diesen bürgerlichen Diskurs eindringt und dass so etwas übernommen wird. Auch im Feuilleton – und ich stimme Felicitas Hoppe zu, das wird viel zu sehr hochgekocht – wurde das schon übernommen.
Wenn ich einen Leitartikel zu politischen Fragen in der "FAZ" mit einem Leitartikel in der "Süddeutschen" vergleiche, da ist es oft so, dass da wirklich das gesamte denkbare Meinungsspektrum dazwischenliegt. Was nicht geht, ist eben Rechtsradikalismus oder völkisches Denken. Und das finde ich auch in Ordnung so, dass das nicht geht.
Marons Wandel passte nicht mehr zu Fischer
Und wenn man das verwischt mit Mainstream, dann passiert etwas, was wir in den letzten Jahren in den USA verfolgen konnten: dass Voraussetzungen des Gesprächs negiert werden. Genauso hat sich Monika Maron darüber aufgeregt, dass die Geschäftsführerin von S. Fischer sie als Erstes gefragt hat bei ihrem Gespräch: Was verbindet Sie mit S. Fischer? Ich finde das eine durchaus angemessene Frage, da kann man dann ins Gespräch kommen.
Natürlich ist die Frage auch aufgrund dessen berechtigt, dass in den letzten zwei, drei Büchern von Monika Maron schon erkennbar ist, dass sie sich sehr stark an diesen Genderthemen abarbeitet. Sie arbeitet sich an der Masseneinwanderung ab, am Islam, und da kann man darüber reden, was sie genau darunter versteht. Sie hat dann äußerst aggressiv reagiert: Das könne man sie doch gar nicht fragen. Natürlich verbinde sie etwas mit S. Fischer, sie sei seit 40 Jahren Verlagsautorin.
Aber das war ein Gesprächsangebot aufgrund der Irritation, dass sie diese Traditionen des Hauses doch anders zu interpretieren scheint. Verlagsgründer Samuel Fischer war ein bürgerlicher deutscher Jude, der Fischer-Verlag war ein wichtiger Exilverlag.
Fruchtloser Diskurs
Wenn Monika Maron jetzt in einer Schriftenreihe veröffentlicht, die sich "Exil" nennt, dann kann man fragen: Was versteht sie darunter? Sich innerhalb der Bundesrepublik als Exilant zu gebärden, das finde ich einfach skandalös, ich kann das nicht anders sagen. Es geht nicht, dass man nur, weil es andere Meinungen gibt, das negiert und alles dann als Mainstreammedien dann abkanzelt. Also darüber sollte man schon ernsthaft sprechen.
Gerk: Felicitas Hoppe, hat der Verlag Fischer vielleicht nicht deutlich genug gemacht, wovon er sich da eigentlich absetzt, wenn er sich von Frau Maron verabschiedet?
Hoppe: Ich glaube, der Verlag hat sich klar und deutlich davon abgesetzt. Er verhält sich ja insgesamt relativ ruhig – das ist vielleicht auch nicht das Schlechteste. Ich möchte nur sagen, dass ich Helmut Böttiger darin folge, dass dieser Diskurs, der sich leider vollkommen von der Sache abgespalten hat, unglaublich schwarzweiß ist. Der ist sehr fruchtlos.
Ich möchte auch noch zu bedenken geben, dass hier über politisch sehr große Themen gesprochen wird. Es handelt sich aber auch um eine ganz praktische Angelegenheit, nämlich um das Verhältnis einer Autorin zu ihrem Verlag. Um es mal in der Beziehungssprache zu sagen: Wenn das Verhältnis zwischen einer Autorin und ihrem Verlag zerrüttet ist, dann ist Trennung angezeigt. Und Monika Maron ist nicht die Erste, die sich von ihrem Verlag trennt oder von der ein Verlag sich trennt, das gehört zum Geschäft.
Das richtige Umfeld für Maron
Auch das große Sprechen über Verlagsgeschichten, über Programme, wie jetzt auch bei Hoffmann & Campe, oder das Aufrufen von Heinrich Heine – seien wir doch mal ganz ehrlich: Es geht auch um Geschäfte, und darüber wird kaum gesprochen.
Gerk: Dazu wollte ich Helmut Böttiger jetzt noch fragen: Was denken Sie denn, was das bedeutet, dass der Hoffmann-und-Campe-Verleger Tim Jung jetzt Monika Maron aufgenommen hat? Passt das auch in irgendeiner Weise in die Entwicklung dieses Verlags?
Böttiger: Das ist ein ganz normaler Vorgang. Es war völlig klar, dass Monika Maron einen Verlag findet. Monika Maron ist eine Autorin, die gut Bücher verkauft hat, die durchaus ein Publikum hat. Wenn die Möglichkeit besteht, so eine Autorin zu verlegen, dann macht so ein geschäftsorientierter Verleger das.
Hoffmann & Campe, das ist eigentlich der Verlag, der Siegfried Lenz als Hausautor hatte. Und Siegfried Lenz ist ein sehr redlicher, sozialdemokratischer Autor. Das ist vielleicht auch genau das richtige Umfeld für Monika Maron.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.