Monika Roscher Bigband: Of Monsters and Birds, Enja Records
Das Record-Release-Konzert findet am 16. April 2016 im Ampere in München statt.
Vogeltirili und Glissandi
Für ihr neues Album "Of Monsters and Birds" hat Monika Roscher Vogelgesänge in Noten übersetzt. Das klingt überraschend und verspielt - präsentiert von einer jungen Big Band mit charmantem Pop-Appeal.
"Das war so seltsam - ich war mir nicht sicher, ob das jetzt das Nachmachen eines Klingeltons ist."
Vögel in der Stadt sind keine Seltenheit. Aber je nachdem, wer sie wie hört und wahrnimmt, kann das mitunter interessante Auswirkungen haben:
"Irgendwie bin ich dann rum gelaufen und hab ständig den Sensor offen gehabt und hab alle Vögel gehört, die ganze Zeit. Und das hat nicht mehr aufgehört seitdem. Und ich denk mir immer so, wie kann denn das sein, dass ich das vorher überhaupt nicht verstanden habe, dass die überall sind und dass die total verrückt sind? Und dann habe ich angefangen, die aufzunehmen, und versucht, das am Klavier mal nachzuspielen. Aber die sind ja teilweise oberhalb vom Klavier. Das heißt, ich muss die irgendwie runter transponieren und dann sind die so schnell, diese kleinen Sounds... Tirilili... Allein das in Noten zu schreiben, ist wirklich schwer. Da macht man einen Triller drüber oder noch so Glissandi und hier schneller und hier langsamer."
Für ihr neues Album "Of Monsters and Birds" hat Monika Roscher nicht nur Vogelstimmen in Noten übersetzt, sondern auf ihre eigene unkonventionelle Weise die 17 Musiker ihrer Big Band dazu animiert, die kleinen gefiederten Gesellen zu imitieren.
Wie schon bei ihrem Debüt hat Monika Roscher auch auf ihrem neuen Album große Freude daran, verschiedene Stile miteinander zu vermischen, und versteht das Musizieren als an- und aufregendes Experimentierfeld.
Techno-Protestsong und Trommeldelirium
Es gibt Vogelgesänge, die sich nach und nach in einem hypnotischen Trommeldelirium entladen wie bei der Suite "Full Moon Theatre", kraftvolle Bläsersätze im Kontrast zu lieblichen Melodien und verzerrten Gitarrenriffs und kabarettartige Gesänge, teilweise mit Vocoder verfremdet, die auf orchestrales Pathos und schräge elektronische Sounds treffen. Mit "New Ghosts of the Century" findet sich sogar ein Protestsong auf der neuen CD - getarnt als harmloses tanzbares Technolied:
"Das war auch bewusst so! Da war die Vorgeschichte, dass ich irgendwo gelesen habe, dass sich unsere Generation nicht interessiert, für irgendetwas. Die sind gar nicht politisch, die engagieren sich für nichts - das war der Tenor dieses Artikels. Die hören nur Techno. Und da habe ich mir gedacht, ach geil, dann mach ich so ein Technolied. Und natürlich ist das überhaupt nicht richtig, was der da gesagt hat, weil: Es gibt wohl sehr viele Leute auch in unserer Generation, die sich engagieren, nur eben auf einer anderen Art, als das früher gemacht wurde. Und das ist genau dieses Lied. Im Refrain singe ich immer: Ach, wenn ich es nur gewusst hätte, dann hätte ich was gemacht, aber ich hab's ja nicht gewusst."
Trotz der musikalischen Vielfalt und Abwechslung gibt es einen roten Faden, der sich durch das gesamte Album hindurchzieht: Vögel kommen immer wieder vor und manchmal - Bezug nehmend auf den Albumtitel - auch als Monster. Und die Vögel werden nicht nur imitiert: in einem Song erzählt Monika Roscher zum Beispiel die Geschichte von einem Greifvogel, der eines Tages vor ihrer Tür saß.
Die Rückkehr des Raben Nevermore
"Das war so ein Riesending. Und dann haben wir uns ewig angestarrt. Das war wirklich komisch. Weil, man denkt das nicht. Man wohnt in der Stadt und macht die Tür auf, und dann sitzt dieses Viech da. Und wenn man sich so anstarrt, der hat nämlich nicht weggeguckt und ich wollte auch nicht wegschauen, dann ist das sehr skurril. Der hat so lange Krallen gehabt und bewegte sich nicht. Da gibt es doch dieses Gedicht von Edgar Alan Poe mit dem Raben, der da oben über seiner Tür sitzt - und das ist ein bisschen ähnlich. Der geht nämlich nie weg, der Rabe Nevermore... Und das ist auch so gruselig."
"Wie schon bei Failure in Wonderland" gibt es auch auf dem neuen Album von Monika Roscher wieder Instrumentalstücke und ein paar Songs, die sie mit ihrer klaren Altstimme selbst singt. Auch diesmal sind es Fragmente mit und ohne Gesang, die sich direkt in den Gehörgang einnisten und von dort immer wieder auftauchen. Die Kompositionen sind überraschend und verspielt, und es gibt immer wieder Momente, in denen es schwer fällt, aufgrund der mitreißenden Rhythmen und der Dynamik der Band still sitzen zu bleiben. "Of Monsters and Birds" ist kein Jazz im klassischen, dafür aber im eigentlichen Sinn. Die Freiheit als Grundprinzip, präsentiert von einer jungen Big-Band mit charmantem Pop-Appeal.