Monopolrecht auf Zeit

Von Matthias Eckoldt |
Dieselmotor, Radio, Fernsehen, Röntgenstrahlen, Aspirin, Staubsauger ... Es gibt kaum eine Erfindung, die sich vom Patentschutz nicht erfassen ließe. Aber es geht nicht nur um Konsumartikel - geschützte Erfindungen gelten als Indikator für die Innovationskraft eines Landes.
Lardong: "Was ich angemeldet habe, das war die Schokoladenschallplatte, die beleuchtete Steckerkupplung, ... die blinkende Pinnnadel, ... dann hier das Heißleimband, der Geldscheinapparat, einen Eierbecher, der aus Schokolade ist und ... dann der klingende Blumenstrauß. ... Das hat 2500 Mark gekostet, weil das vom Patentanwalt gemacht wurde. .... Und hier ist meine Bierdoseneingießmaschine. Das war der stärkste Knaller."

Zimdars: "Patent, was heißt das eigentlich? Patent heißt ja nichts weiter als offene Urkunde."

Der lateinische Wortstamm "patere" bedeutet zu Deutsch: "sie liegen offen dar". Sie – die Erfindungen. Auch das Wort "offen" hat hier seinen guten Sinn, denn als offene Briefe oder offene Urkunden wurden in früheren Zeiten Schriftsätze bezeichnet, die nicht durch ein Siegel verschlossen waren.

Jürgen Zimdars vom Deutschen Patent- und Markenamt:

"Das heißt, jeder Mann ist aufgefordert, sich über das, was in den Patenten dokumentiert ist, zu informieren, es zur Kenntnis zu nehmen und es für sich im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten zu nutzen. Vor allem ist aber die Patentveröffentlichung dazu da, die Öffentlichkeit anzuregen, die Erfindung weiterzuentwickeln. Wenn man sich anguckt, wie viel Pionierpatente es vielleicht im Jahr 1900 gegeben hat und wie viel Patente heute angemeldet werden. Je mehr Patente da sind, desto mehr technische Erfindungen können vervollkommnet und weiterentwickelt werden, so dass man eigentlich davon ausgehen kann – wenn man die Kriegsereignisse mal abzieht – dass die Zahl der Patentanmeldungen kontinuierlich seit 1877 angestiegen ist."

1877 ist das entscheidende Jahr in der Geschichte des deutschen Patentwesens. Anders als in England und Frankreich, wo bereits im 17. beziehungsweise 18. Jahrhundert entsprechende Gesetze erlassen wurden, gab es im Deutschland der Kleinstaaterei keine einheitliche Regelung, wie mit technischen Erfindungen umzugehen ist.

Das erste Patentgesetz allerdings wurde bereits 1474 im Stadtstaat Venedig erlassen. Der Welthandelsmacht an der Adria ging es zuallererst um den Schutz der Erfinderehre:

"Unter uns leben große und geniale Männer, die fähig sind, sinnreiche Vorrichtungen zu erfinden und zu entdecken; und mehr solcher Männer kommen in Anbetracht der Größe und Kraft unserer Stadt täglich von überall her zu uns. Wenn nun Vorsorge getroffen würde, dass andere, die die von diesen Männern entdeckten Vorrichtungen und Werke sehen, sie nicht bauen können und dem Erfinder seine Ehre nehmen, dann würden mehr Männer ihre Talente anwenden, würden entdecken und Vorrichtungen bauen, die sehr nützlich und vorteilhaft für unser Gemeinwesen sind.
Es wird daher Kraft der gesetzmäßigen Macht und Gewalt dieses Rates zum Gesetz erklärt, dass jeder, der in dieser Stadt irgendeine neue und erfinderische Vorrichtung bauen sollte, die bisher in unserem Gemeinwesen noch nicht hergestellt worden ist, hiervon Mitteilung machen soll, wenn die Erfindung so zur Vervollkommnung gebracht ist, dass sie benutzt und betrieben werden kann."

Unter Androhung der beträchtlichen Strafzahlung von 100 Dukaten sowie der Zerstörung der entsprechenden Gerätschaften verbot das venezianische Patentgesetz den unlizensierten Nachbau der Erfindung auf zehn Jahre.
Damit war die Grundidee für den Schutz geistigen Eigentums in der Welt.

"Erstaunlicherweise ist das erste gewährte Patent auf der Grundlage dieses Gesetzes dann ein Patent für ein Wasserkraftwerk gewesen. Allerdings war das ein Patentgesetz, das mit dem heutigen Patentgesetz nicht vergleichbar ist. Aber wesentliche Züge des deutschen Patentgesetzes hat dann schon das nächste bekannte Patentgesetz - das ist nämlich das britische – Monopolies von 1623. Da sind also alle wesentlichen Aspekte des heutigen Patentgesetzes – also dass der Erfinder eine besondere Anerkennung bekommt und dass er ein Ausschließlichkeitsrecht für die Nutzung hat und natürlich auch, dass man im Verfahren die Möglichkeit hat sich gegebenenfalls über Entscheidungen zu beschweren also eine zweite Instanz anzurufen."

"Das Erkennen und Erfinden ..."

so schreibt Johann Wolfgang von Goethe ...

"Das Erkennen und Erfinden sehen wir als den vorzüglichsten selbst erworbenen Besitz an und brüsten uns damit. Der kluge Engländer verwandelt ihn durch ein Patent sogleich in Realitäten und überhebt sich dadurch alles verdrießlichen Ehrenstreites."

Das englische Patentgesetz machte jedoch nicht nur mit dem "verdrießlichen Ehrenstreit", sondern auch mit der teils willkürlichen Vergabe von Privilegien und Monopolrechten Schluss. Die englischen Könige hatten im 14. Jahrhundert damit begonnen, fremde Fachleute in das rückständige England zu locken. Sie erteilten ihnen für ihr jeweiliges know how so genannte "letters of protection".

So verbot man etwa landesweit das Tragen von Kleidung aus ausländischem Tuch und gewährte Tuchmachern vom Kontinent Privilegien für die Ausübung ihres Gewerbes, wenn sie nach England kämen. Auf diese Weise konnten dann die Engländer, die bei den privilegierten Ausländern angestellt waren, die entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten bekommen und nach Auslauf des Privilegs inländisches Tuch fabrizieren.

Das Monopolrecht auf Betreiben eines Herstellungsverfahrens wurde vom englischen Königshaus genutzt, um gezielt verschiedene Wirtschaftszweige anzusiedeln. So gab es beispielsweise Monopolrechte für Salz und Essig, für das Trocknen von Heringen, das Pökeln von Fischen, aber auch für die Einfuhr von irischem Garn und spanischer Wolle.

Darüber hinaus war die Vergabe von Monopolen eine Einnahmequelle des Königshauses, denn die Monopolnehmer mussten ihre Gebühren nicht an das Parlament, sondern direkt in die königliche Kasse zahlen.

"Die Schokoladenschallplatte, die ist in Japan angemeldet. Tja, wie werden die hergestellt? Macht man einen Abdruck aus Silikon von der Platte, dann zieht man den Abdruck ab und schüttet heiße Schokolade drauf. Da haben wir über 600.000 Platten gemacht. Da haben wir gearbeitet. Jeder vierhundert Platten pro Tag. Da haben wir Riesenblöcke Schokolade gehabt. Da haben wir eine halbe Fabriketage gehabt. Mit teuerstem Kram drin. Und Kühlschränke – fast so groß wie das Zimmer hier. Da wurden dann die Platten gemacht."

Die Vergabe von Privilegien hielt in Deutschland noch bis weit ins neunzehnte Jahrhundert hinein an. Zu Zeiten der Kleinstaaterei gab es neunundzwanzig patentrechtliche Regelungen mit jeweils territorialer Wirkung.

"Man muss, wenn man heute zurückschaut, sehen, dass Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert sehr rückständig war. Die Kleinstaaterei hat dazu geführt, dass die Nationalstaaten – die Engländer und Franzosen – wissenschaftlich und technisch weit voraus waren. Es gab in Preußen zum Beispiel 1805 noch mal eine neue Fassung des Patentgesetzes. Aber alle Patentgesetze vor dem Patentgesetz von 1877 waren so strukturiert, dass es ein Gnadenakt des Landesherren war, ein Privilegium zu erteilen. Das heißt keiner, der da ein Privilegium beantragt hatte, hatte irgendein Recht der Nachfrage oder Beschwerde oder oder ... Es gab also kein Bürgerrecht, es wurde auch keine Gleichbehandlung realisiert, sondern es war ein Willkürakt."

Diese landesfürstliche Gängelung der Wirtschaft wurde mit dem Siegeszug von Wissenschaft und Technik immer unzeitgemäßer. Trotzdem konnte ein einheitliches deutsches Patentgesetz erst nach der Gründung des Deutschen Reiches unter Reichskanzler Otto von Bismarck in Kraft treten.

Es war besonders der Erfinder und Fabrikant Werner von Siemens, der auf eine verbindliche Regelung der Patentfragen drängte. Als Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften und Vorsitzender des Verbandes der Berliner Kaufleute machte er seinen gesamten gesellschaftlichen Einfluss bei der Erarbeitung der Gesetzesvorlagen geltend.

"... Siemens ... hat also mehrere Stellungnahmen zu den Entwürfen des Patentgesetzes geschrieben, die zum Beispiel darauf hingewiesen haben, dass es nicht ausreicht – was zunächst vorgesehen war – für die Bewertung des Standes der Technik das technische Wissen, das in Deutschland bekannt ist, zugrunde zu legen. Er hat gesagt das ist Humbug. Wenn man eine Erfindung bewertet, ihre Neuheit bewertet, dann muss das weltweite technische Wissen das Kriterium sein. Das hat also Werner Siemens maßgeblich in das Patentgesetz eingeführt. Man kann sagen, dass die wesentlichen Grundzüge des Patentgesetzes von 1877 schon noch gelten."

"Das Patent hat die Wirkung, daß niemand befugt ist, ohne Erlaubniß des Patentinhabers den Gegenstand der Erfindung gewerbsmäßig herzustellen, in Verkehr zu bringen oder feilzuhalten. Eine Erfindung gilt nicht als neu, wenn sie zur Zeit der auf Grund dieses Gesetzes erfolgten Anmeldung in öffentlichen Druckschriften bereits derart beschrieben oder im Inlande bereits so offenkundig benutzt ist, daß danach die Benutzung durch andere Sachverständige möglich erscheint. Die Ertheilung, die Erklärung der Nichtigkeit und die Zurücknahme der Patente erfolgt durch das Patentamt."

"Und so kam es dazu, dass in Deutschland dieses Gesetz in Kraft trat und in Berlin das Deutsche Patentamt seinen Betrieb aufnahm."

"Ja, ich habe hier vorliegen die Patentschrift Nummer eins. Das ist also das allererste Patent, das beim kaiserlichen Patentamt angemeldet wurde. Und diese Anwendung betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer roten Ultramarinfarbe. Die ist also dann als Patentschrift Nummer eins veröffentlicht worden."

Bis 1945 arbeitete das Patentamt in Berlin, dann zog es nach München um, wo es heute als Deutsches Patent- und Markenamt residiert. Doch auch das Berliner Patentamt gibt es noch als gleichberechtigte Außenstelle.

Das deutsche Patentgesetz hat sich bis heute nur wenig modifiziert. Entscheidend für die Erteilung eines Patentes ist und bleibt, inwiefern die Erfindung tatsächlich den Stand der Technik überbietet. Insofern kann man sogar Teile des Fahrrads mit dem Segen des Patentamtes noch einmal neu erfinden.

Dazu Eva Franke, Leiterin des Berliner Patentamts.

"Das Fahrrad ist sehr alt. Es gibt ganz viele Patente zum Fahrrad. Aber worauf richtet sich denn nun Ihre Erfindung? Auf die Antriebe, auf den Sattel, auf den Schutz vor Dieben, auf die Beleuchtung? Es gibt ... überhaupt keine Beschränkung. Die Entwicklung geht immer weiter. Wir haben jetzt ja das Zeitalter der Kunststoffe und vor allem der Kohlenstofftechnik auch im Fahrrad, um die leichter zu machen. ... Leichter, schneller, effektiver von der Kraftübertragung her. Es gibt tausend Varianten. Man kann sagen: Die Entwicklung hört nie auf. Eine Lösung kann immer nur ein spezielles Detail betreffen, weil das Fahrrad an sich ja schon sehr komplex ist. Und es gibt nicht das Fahrrad als Erfindung, sondern nur Teile davon, die das Fahrrad betreffen."

Das Rad als solches kann man sich nicht patentieren lassen, denn das ist der Stand der Technik – seit der Bronzezeit schon. Also seit mehreren tausend Jahren. Um ein Patent für ein Rad zu bekommen, muss es einen technischen Neuigkeitswert geben.

Das Rad, mit dem man beim Patentamt vorstellig werden sollte, müsste also aus einem speziellen Material sein und müsste besondere Eigenschaften haben oder eine noch nicht da gewesene Funktion erfüllen.

So verhielt es sich auch bei Peter Lardong, dem passionierten Erfinder und ehemaligen Bierkutscher aus Berlin-Neukölln. Lardong, dessen Wohnung so aussieht, wie man sich vielleicht das Lager eines großen Flohmarktes vorstellt, hat ein Patent auf seine Schallplatte bekommen.

Zwar war die Schallplatte schon lange patentiert worden, aber sie wurde aus Vinyl hergestellt. Der Neuigkeitswert von Lardongs Scheibe bestand nun darin, dass sie aus Schokolade war. Darauf bekam er ein Patent.

"So hört sich jetzt eine Schokoladenschallplate an. Bisschen lauter mache ich’s noch."

Auch die Schokolade ist natürlich Stand der Technik. Aber das Zusammenspiel von Schallplatte und ihrem besonderen Material macht den patentwürdigen Neuigkeitswert aus.

"Und dann kann man die natürlich noch essen. So wird eine Schallplatte beseitigt."

Im Deutschen Patent- und Markenamt werden noch drei weitere Schutzrechte vergeben.

Das Gebrauchsmuster – der kleine Bruder des Patents:

"Ein Patent wird vom Deutschen Patent- und Markenamt nur erteilt, nachdem eine Prüfung auf Neuheit und Erfindungshöhe stattgefunden hat. Das Gebrauchsmuster wird ohne eine solche Prüfung in einem Registrierverfahren eingetragen. Die Erlangung eines Gebrauchsmusters kann daher wesentlich kostengünstiger und schneller erfolgen als die Erteilung eines Patents. Wegen der fehlenden Prüfung ist die Rechtsbeständigkeit des Gebrauchsmusters allerdings oft fraglich, und man kann es in einem Löschungsverfahren eventuell wieder verlieren."

Die Marke:

"Wenn Sie einen Namen oder ein Logo für bestimmte Produkte oder Dienstleistungen schützen lassen wollen, können Sie dies über eine Markenanmeldung tun. Wenn Ihrer Marke nach der Prüfung durch unsere Markenstellen keine Schutzhindernisse entgegen stehen, genießt sie für die nächsten zehn Jahre Schutz in Deutschland."

Das Geschmacksmuster:

"Im Sinne des § 1 Nr. 1 Geschmacksmustergesetz ist ein Muster die zweidimensionale oder dreidimensionale Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon, welches sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst ergibt."

Das Hauptaugenmerk der Erfinder, die bei Carmen Wilfert in der Anmeldung des Patentamts auftauchen, gilt jedoch dem Patent – so abseitig die Apparaturen auch sein mögen, die sie sich ausgedacht haben.

"Also wir haben hier ziemlich viel mit kuriosen Sachen zu tun. Beispielsweise ist es immer so, wenn irgendeine Katastrophe passiert – also Flugzeugentführungen zum Beispiel – dann kommt garantiert am nächsten Tag jemand an und hat irgendwas Kurioses erfunden, was sicherlich dann kein Patent sein wird. ... Es wird schon eine ganze Menge manchmal hier angebracht. Es kommen auch Leute mit irgendwelchen umgebauten Fönen, was weiß ich. Oder Sie laden uns auch ein, wir sollen uns das Modell mal bei Ihnen zu Hause angucken. Das sind dann Leute, die nicht so recht wissen, was ein Patent ist."

"Das Patentamt ist natürlich eine ernsthafte Behörde, die sich also mit den neuesten wissenschaftlichen Lösungen beschäftigt, aber es gibt natürlich in der Patentsamtgeschichte auch eine ganze Menge von Patentanmeldung, denen man durchaus zugestehen kann, dass sie kurios sind. ... Ich habe hier eine Patentamtsschrift aus dem Jahr 1902. Da wurde angemeldet eine Vorrichtung zum Scheiteln des Kopfhaars. Das ist also ein Gerät, das sehr kompliziert aussieht. Es sieht sehr nach Folter aus und es ist eigentlich nur dazu da, dass man den Mittelscheitel gerade ziehen kann. ... Hier haben wir ein anderes Patent. Das ist ein am Hutrand anzubringender, verstellbarer Kontrollspiegel. Das ist ein Patent aus dem Jahr 1909. Damals war es selbstverständlich, dass man mit einem Hut auf die Straße ging. Und da war es durchaus möglich, diesen Kontrollspiegel anzuklemmen, damit man sehen konnte, wer hinter einem herläuft. ... Eines der schönsten Patentschriften ist das Patent mit der Nummer 155652. Da geht es nämlich um einen Reisekoffer, den man in ein überdachtes Bett verwandeln kann. ... Schöne Erfindungen gibt es aber auch in Verbindung mit so einer menschlichen Schwäche wie dem morgendlichen Aufstehen. ... Das schönste Patent in diesem Zusammenhang ist vielleicht, ein Patent, wo man nur geweckt wird, wenn die Aussicht auf schönes Wetter besteht. Da hat man also den Wecker komboniert mit einem Barometer. Und wenn das Barometer gutes Wetter anzeigt, nur dann hat der Wecker geklingelt."

Das Kuriositätenkabinett im Patentamt sollte jedoch kein schlechtes Licht auf die deutsche Erfinderszene werfen. Neunzig Prozent der jährlich etwa sechzigtausend Patentanmeldungen kommen aus den Forschungsabteilungen der Industrie. Unumstritten auf Platz eins mit zweitausendfünfhundertundeiner Anmeldung lag die Siemens AG im Jahr 2006. Gefolgt von Bosch, DaimlerChrysler, Infineon und Volkswagen. Auf Platz elf findet sich mit immerhin noch 396 Patentanmeldungen die Frauenhofer-Gesellschaft als erste Forschungsorganisation.

Wenn man die Anmeldungen auf die einzelnen Bundesländer herunterrechnet, bekommt man ein Spiegelbild der auf Deutschland verteilten Wirtschaftskraft. Während in ganz Mecklenburg-Vorpommern 2006 gerade einmal hundertdreiundachtzig Patente angemeldet wurden, lag die Zahl in Baden-Württemberg bei 13347 und in Bayern sogar bei 14010.

Unterteilt man die Statistik des Deutschen Patent- und Markenamtes nach Branchen, so steht das Auto eindeutig im Fokus der Erfinder. Danach folgen Mess- und Maschinentechnik, elektrische Bauteile, Medizin, Nachrichtentechnik und Brennkraftmaschinen.

Auch international steht Deutschland sehr gut da. In Europa ist man bei den Patentanmeldungen die absolute Nummer eins. Im Weltmaßstab muss man nur die USA und Japan passieren lassen.

Neben den High-tech-Patenten, gibt es aber auch ganz einfache Erfindungen, die einen großen Effekt haben.

"Ein Paradebeispiel ist ja Arthur Fischer, unser fleißigste, intensivster deutscher Erfinder, der wahrscheinlich die meisten Patente angemeldet hat in Deutschland und international. Und der hat ja damit angefangen, dass er sich Gedanken gemacht hat, wie man die damals bekannten Dübel verbessern kann. Er hat aus den damals bekannten Dübel Spreizdübel gemacht, hat noch ein anderes Material benutzt, dass das ein bisschen beweglicher war und hat dann die Fischer Werke gegründet. Die Fischer Werke haben sich später mit allen möglichen Befestigungselementen beschäftigt. Die haben aber natürlich auch Baukästen gemacht für Kinder und vieles andere. Aber eine relativ kleine Erfindung – wie gesagt: einen schon bekannten Dübel aufschneiden und noch ein anderes Material benutzen – hat dazu geführt, dass Arthur Fischer ein vermögender Mann wurde."

Das Patentamt betreut nur die rechtliche Seite von Erfindungen. Mit der marktwirtschaftlichen Umsetzung hat es nichts zu tun. Hierfür gibt es sogenannte Technologieagenturen.

Die Patentwert GmbH beispielsweise. Alexander von Stahl hat die Agentur gemeinsam mit seinem Partner Tobias Assies gegründet, nachdem er mit seiner Erfindung keine Abnehmer fand. Niemand wollte seine Idee für einen Stecker, der sich von selbst aus einer Steckdose herausdrücken kann, produzieren, vermarkten oder zumindest patentieren lassen.

Nach dem Prinzip des American way of life wurde das Schicksal in die eigenen Hände genommen und die Agentur zur Vermarktung von Alltagslösungen gegründet. In Zusammenarbeit mit Patentanwälten werden Patentierungen angeboten. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf der Umsetzung von Erfindungen. Alexander von Stahl:

"Wir kriegen verschiedene Einsendungen, und ein Mal in der Woche setzen wir uns zusammen. Und dann werden neue Sachen vorgestellt. Man muss ganz klar sagen: Wir entscheiden das rein aus dem Bauch heraus. Wir nehmen ins Programm nur alltagstaugliche Gegenstände. ... Dinge für den Massenmarkt. Was jeder gebrauchen kann. ... Selbst wenn wir ein Produkt ablehnen, heißt das noch lange nicht, dass das schlecht ist, wobei man fairer Weise sagen muss: Auch wenn wir ein Produkt annehmen, heißt das noch nicht, dass es ein Verkaufsschlager werden muss. ... Ein Einkäufer von einem Flächenmarkt von einer großen Handelskette will was in der Hand haben. Das bedeutet, vor jedem Verkauf steht – leider muss ich sagen, weil viel Geld investiert werden muss – der Prototyp. Ansonsten können wir es nicht verkaufen. Die Kosten des Prototyps gehen komplett zu Lasten der Patentwert, weil wenn wir uns für ein Produkt entscheiden, übernehmen wir alle weiteren Kosten."

Zur Fußball WM in Deutschland konnte sich die Patentwert GmbH vor Angeboten kaum retten.

"Das ist die Jubelkugel. Die Jubelkugel wurde produziert zur WM im letzten Jahr. Da ging's relativ fix. Der Erfinder kam etwas sechs Monate bevor wir den Auftrag hatten zu uns. Also das ist ein Fußball, den Sie in den Kühlschrank stellen. Über einen Lichtsensor wird dieser aktiviert. Und dann passiert folgendes: 'Tor, Tor, Tor, Tor, Tor. Das Spiel ist aus. Deutschland ist Weltmeister.' Das heißt also: Was ist bei diesem Produkt passiert. Es kam ein Erfinder an und sagte: Man müsste irgendwas über einen Lichtsensor und einem Fußball machen. Wir haben gesagt, wenn dieser Fußball irgendetwas sagt, reicht das nicht. Wir sind dann soweit gegangen und haben gesagt: Da muss eigentlich ein O-Ton von Herbert Zimmermann drauf. Haben recherchiert, wo kriegen wir den Spruch her? Wo kriegen wir die Rechte dazu her? Und haben uns dann einen Produzenten gesucht, der uns einen Prototyp hergestellt hat und haben das dann 150.000 Mal verkauft."

Für die Zukunft steht die Patentgesetzgebung vor allem vor einer zentralen Aufgabe: Einen an die spezifischen Verhältnisse angepassten Rahmen für Softwarepatente zu schaffen.

Bislang scheuen Softwareentwickler den Weg zum Patentamt, weil Software nicht patentierbar ist. Man kann sich zwar den Namen einer entwickelten Software schützen lassen, aber nicht den Inhalt.

Der Hintergrund dieses auf den ersten Blick merkwürdigen Sachverhaltes ist folgender: Software-Entwicklungen wie der Mausklick, Buttons oder Fenster dürfen nicht patentierbar sein, da im Prinzip jede Software auf solche Basics zurückgreifen muss. Ein Patent darauf würde die Softwareentwicklung lähmen oder ganz kollabieren lassen, da bei jedem sich öffnenden Fenster Gebühren fällig wären.

Was im Softwarebereich hingegen patentierbar ist, sind sogenannte Algorithmen. Dazu Jörg Binas von der Potsdamer AquaSoft GmbH:

"Auf der anderen Seite gibt’s natürlich Algorithmen – wir haben einen entwickelt, den wir mit dem Namen Intelli-Load bezeichnen, der – ganz grob gesagt – ein Vorherladen eines Präsentationsablaufs darstellt. Den könnten wir vielleicht patentieren, aber dann gibt’s natürlich eine Abwägung von Aufwand und Nutzen. ... Wenn man eine Patentidee anmeldet, muss man sie natürlich offen legen, weil sonst niemand sagen kann: Eh, die Idee hatte ich ja auch schon. Wenn ich also jetzt dafür Geld bezahle, dass sie veröffentlicht wird, dann ist es natürlich so, dass in der Softwaretechnik so viele Varianten existieren, einen Weg zu beschreiten, dass man nur eine kleine Änderung machen müsste, und ein anderer könnte dann die Idee wieder als seine eigene verwenden, ohne Lizenzgebühren an uns bezahlen zu müssen. Das bedeutet also: Die Veröffentlichung unserer Idee würde dazu führen, dass wir Geld dafür investieren, dass unsere Konkurrenz schneller aufholt, als sie es so könnte. Für mich stößt eigentlich die Patent-Idee an ihre Grenzen, weil die Patent-Idee für mich beinhaltet, dass es einen Schutz geben soll von Entwicklungsleistung. Und wenn die Entwicklungsleistung eigentlich nicht geschützt werden kann, weil es im Gegenstand der Idee liegt, muss man sich andere Formen überlegen, wie man seine Idee schützt, und dann ist der Weg des Patents nicht der richtige."

Der Weg den Aqua-Soft und andere Softwareentwicklern beschreiten, um ihr geistiges Eigentum zu schützen, führt interessanterweise zurück zu den Anfängen. Vor der Patentschutzregelung war die einzige Möglichkeit, sich vor dem Diebstahl seiner Ideen zu schützen die der Geheimhaltung.

Und genau das tun die Programmierer heute auch. Die Algorithmen, die den Kern einer Software ausmachen, gehören zu den am besten gehüteten Geheimnissen überhaupt. Ein Unding nach 130 Jahren Patentgesetz, das durch die Veröffentlichung der Erfindung gerade den Ideen-Diebstahl verhindern und die Weiterentwicklung der Technik befördern sollte.

Doch auch die Angst vor dem Ideen-Diebstahl kann als Innovationsmotor wirken:

"Es ist so ein bisschen ein ungeschriebenes Gesetz, dass alte Software eigentlich nicht nachgebaut wird. Wenn wir also eine neue Version rausbringen mit neuer Oberfläche und neuer Funktion, dann ist die vorhergehende Software nicht obsolet in dem Sinne, dass sie nicht mehr funktioniert, aber sie ist einfach nicht mehr up to date und deshalb wird sie nicht mehr nachgebaut. Man würde sich in der Softwareentwicklung immer an dem modernsten Stand orientieren und demzufolge ist ein Schutz vor Raubkopie – nicht der Software, sondern der Idee – schneller zu sein als die anderen."

"Das ist eine Schallplatte aus Eis. Habe ich Wasser in so eine Matritze gegossen. Und wenn es gefroren ist, kann man das auf so nen Drehteller legen und mit der Hand drehen. ... Dann nimmt man ein Blatt Schreibmaschinenpapier, rollt das zu einem Trichter zusammen, steckt vorne eine Stecknadel durch und denn kann man hier, mal sehen, ob noch was kommt."

"Ich hab die schon aus Butter gemacht, aus Käse gemacht, aus Salamiwurst habe ich Schallplatten gemacht – für die Ungläubigen. Aus Bier. Das gibt einen Trick dabei. Das Frieren von Bier, das muss gekonnt sein."