"Montagsdemo" in Leipzig

Schwierige Abgrenzung der Linken von rechten Gruppen

08:00 Minuten
Montagsspaziergang von Gegnern der Corona-Politik und Impfverweigerern. Demonstranten mit einem dekorierten Schirm.
Die "Montagsspaziergänge" gegen die Corona-Politik waren bisher kleinere Protestveranstaltungen rechter Gruppen. Nun ruft die Linke zur "Montagsdemo" in Leipzig auf. © picture alliance / Geisler-Fotopress / Dwi Anoraganingrum
Piotr Kocyba im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 05.09.2022
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„Die Linke“ will heute Abend in Leipzig mit einer „Montagsdemo“ gegen die Energiepolitik der Bundesregierung demonstrieren. Der Titel sei nicht gut gewählt, findet Sozialwissenschaftler Piotr Kocyba, denn der Name sei bereits von Rechten besetzt.
Die Partei "Die Linke" hat heute eine „Montagsdemo“ in Leipzig gegen die Energiepolitik der Bundesregierung angekündigt. Das Motto lautet: "Heißer Herbst gegen soziale Kälte. Energie und Essen müssen bezahlbar sein." Aber auch die AfD und die rechtsextremen "Freien Sachsen" reklamieren die "Montagsdemo" für sich und wollen sich anschließen.
Es werde schwierig, die Proteste glaubhaft voneinander abzugrenzen, sagt der Sozialwissenschaftler Piotr Kocyba vom Europa-Institut an der TU-Chemnitz. Es gebe die rhetorische Distanzierung bei der Linken, aber die Corona-Proteste hätten gezeigt, dass es nicht so einfach sei, einen Rassisten oder Demokratiefeind zu identifizieren. Baseball-Schläger oder Glatzen seien nicht mehr wie früher klare Erkennungsmerkmale.

Unglückliche Symbolik

Schon die Wahl des Montags für den linken Protest sei nicht gut gewählt, findet Kocyba. Als "Montagsspaziergänge" bezeichneten rechte Gruppierungen bereits ihre Proteste gegen die Corona-Politik. "Man versucht hier, in Konkurrenz zu treten, das finde ich sehr unglücklich", sagt Kocyba.
Er findet vor allem problematisch, dass man sich dabei auf die Proteste in der DDR der Wendezeit gegen ein tatsächliches Unrechtsregime berufe. "Damals teilweise unter Lebensgefahr." Die Symbolik sei deshalb nicht gut gewählt.

Späte Proteste der Linken

Die Linke sei außerdem spät dran mit ihrem Protest, findet der Sozialwissenschaftler. "Wir befinden uns in der x-ten Krise mittlerweile, die soziale Kosten verursacht und Die Linke geht jetzt auf die Straße. Das ist sehr viele Jahre zu spät."
Andererseits sei es auch nicht verkehrt, dass eine demokratische Partei versuche, die Stimmung für sich zu nutzen. Es sei besser, wenn der Protest von einer linken Kraft organisiert werde als von den "Freien Sachsen".
Der Unmut in der Bevölkerung sei politisch nicht bearbeitet worden, kritisiert Kocyba. "Es gab keine andere politische Kraft aus dem demokratischen Spektrum, die beispielsweise auf die Straße gegangen wäre, um etwa auf die sozialen Kosten der Corona-Politik hinzuweisen."
Schließlich seien das nicht alles verlorene "Kinder für die Demokratie", die an Protesten teilnahmen. "Es gab Personen, die durch die Corona-Krise an ihre Existenzgrenze geraten sind."

Sympathie für Putin?

Wer an den aktuellen Protesten teilnehme, werde sich erst heute Abend und in den kommenden Wochen zeigen, so Kocyba. In Sachsen werde sich seiner Erwartung nach auch eine Abneigung gegen die liberale Demokratie ausdrücken und eine Zuneigung gegenüber einem autoritären Herrscher wie Russlands Präsident Wladimir Putin.
Die Proteste könnten sich damit auch gegen angebliche "Kriegstreiberei" richten. "Das ist schon etwas, was hier mitschwingt."
Der Politik rät der Sozialwissenschaftler, die Proteste auf keinen Fall verbieten zu wollen oder öffentlich zu stigmatisieren, sondern sich damit auseinanderzusetzen. Es müsse auch darüber nachgedacht werden, wie damit in der politischen Bildungsarbeit umgegangen werden könne, "um es den Demokratieverächtern schwerer zu machen".
(gem)

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