Montagsproteste
Proteste gehören in einer Demokratie dazu. Eine Einteilung in gute und schlechte Demoziele sei daher nicht zielführend, sagt der Journalist Martin Machowecz. © picture alliance / JOKER / Martin Fejer / est&ost
Gute Demo, schlechte Demo
08:30 Minuten
Seit den 80ern geht man in Deutschland besonders gern montags auf die Straße, um zu demonstrieren. Rechts wie links hat sich dieser Protesttag etabliert. Doch wem gehört er? Woher kommt die Neigung, den Unmut zu Wochenbeginn kundzutun?
Montagsdemonstrationen, Montagsproteste, Montagsspaziergänge: Der Montag ist ein gern gewählter Tag für politischen Protest. Der Ostbeauftragte der Linksfraktion im Bundestag, Sören Pellmann, rief gerade zu Protesten am Wochenanfang gegen die steigenden Energiepreise und die Gasumlage auf.
Doch auch das politisch rechte Lager nutzt den Montag für Demonstrationszüge: Die "Pegida"-Bewegung marschierte immer an diesem Tag, ebenso wie aktuell die Corona-Leugner. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hält diese symbolische Nähe der politischen Lager für unangebracht und fordert eine klare Abgrenzung.
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Doch wer darf den Montag denn nun für sich beanspruchen: links oder rechts? "Kaum wird von Montagsdemos geredet, hat jeder eine andere Fantasie und eine andere Vorstellung, was sich dahinter verbergen könnte", sagt Martin Machowecz, Redaktionsleiter bei der "Zeit". Historisch entstammen die Montagsdemonstrationen der DDR-Geschichte und haben letztlich mit zum Fall des Regimes beigetragen. "Es ist sehr verlockend, sich diese ganze Aufladung zu eigen zu machen", meint Machowecz.
Dass diese Tradition nun mit rechtem Gedankengut aufgeladen wird, befürchtet der Journalist nicht. Interessanter findet er die Frage, welche politische Gruppierung im Herbst oder Winter überhaupt am Montag auf die Straße gehen könnte. "Proteste gegen Inflation, gegen hohe Energiepreise, gegen Gasmangel und Regierungspolitik sind nicht per se links oder rechts", sagt Machowecz. Diese Probleme kämen auf ganz Deutschland zu.
Dennoch ist die Bereitschaft für Proteste in Osten höher, was historisch begründet ist. "Soziologische Untersuchungen zeigen, dass man in Ostdeutschland ein geringeres Urvertrauen in die Institutionen und politische Entscheidungsträger hat. Man stellt die Dinge tendenziell früher in Frage", sagt Machowecz.
Demokratie heißt auch, zu demonstrieren
Demonstrationen seien eine legitime Ausdrucksform in einer Demokratie. Doch: "Ich würde nicht ganz sicher davon ausgehen, nur weil es Zumutungen gibt, dass die Leute auf die Straße gehen und wir ein völliges Chaos erleben werden." Politische Transparenz bei Entscheidungen könne beispielsweise auch zu Verständnis in der Bevölkerung führen und Proteste unnötig machen.
Generell mahnt Machowecz zur Vorsicht: Man müsse aufpassen, nicht ständig "gute" von "schlechten" Demozielen zu unterscheiden. "Wir können uns nicht einerseits total über eine große Fridays-for-Future-Demo freuen und andererseits total skeptisch sein, wenn die Leute angesichts hoher Energiepreise und einer Politik, mit der sie unzufrieden sind, auf die Straße gehen." Beides habe seine Berechtigung und sei wichtig in einer Demokratie.
(lsc)