"Ausnahmeereignis" und "Riesenproblem"
Das Musikfest Berlin hat in diesem Jahr einen ungewöhnlichen Schwerpunkt. Statt Werken ab dem 19. Jahrhundert steht diesmal Claudio Monteverdi im Mittelpunkt, der vor 1700 komponierte und als Vater der Oper gilt. Diese besondere Chance bringe aber auch Probleme mit sich, erklärt der Festivalleiter.
Das Musikfest Berlin ist seit 2005 der Auftakt und zugleich der erste Höhepunkt im klassischen Konzertkalender der Hauptstadt. Es beginnt am 31. August mit einem Konzert der Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim in der Philharmonie. In den kommenden drei Wochen werden bei dem Festival Spitzenensembles aus der ganzen Welt auftreten: das Concertgebouw Orchestra aus Amsterdam, der Chor und das Orchester von MusicAeterna aus dem russischen Perm und die Filarmonica della Scala aus Mailand; dazu - wie immer - die großen Berliner Klangkörper, die Philharmoniker, die Staatskapelle und das DSO.
Die aktuelle Ausgabe des Musikfests Berlin habe einen ungewöhnlichen Schwerpunkt, sagt Festival-Leiter und Musikwissenschaftler Winrich Hopp: "Wir haben in diesem Jahr zum ersten Mal geballt alte Musik oder älteste Musik im Programm." Eigentlich setzt sich das Orchester- Festival in erster Linie mit Werken aus dem 19. und 20. Jahrhundert auseinander, zum Teil auch mit ganz aktuellen Komponisten. Diesmal steht jedoch mit dem Komponisten Claudio Monteverdi ein Mann im Mittelpunkt, der vor 450 Jahren geboren wurde und der als Vater der Oper gilt.
Sehr alte Instrumente
"So ein Projekt realisieren zu können, mit Sir John Eliot Gardiner alle drei Monteverdi-Opern hier zu haben, das ist ein Ausnahmeereignis auf der einen Seite", so Hopp. Gardiner ist einer der Pioniere der Monteverdi-Interpretation. "Auf der anderen Seite muss man sagen: Für ein Orchester-Festival handelt man sich da ein Riesenproblem mit ein. Denn diese ganze Kultur der Musik von Monteverdi, von den Instrumenten her, das sind alles sehr, sehr alte Instrumente." Dazu gehörten etwa Theorben, eine Form der Laute, oder das Dulzian, eine Frühform des Fagotts. "Das sind alles Instrumente, die heute gar nicht in einem Orchester sind." Der Klangapparat unterscheide sich sehr vom Orchester, wie wir es vom 19. Jahrhundert her kennen und für die das Musikfest Berlin entwickelt worden sei. "Das ist schon eine programmatische Herausforderung."
In jedem Fall gebe es bei den Monteverdi-Opern neue Dinge zu entdecken, meint Hopp.
Präsentation der Erfindung der Oper
"Ich würde mal sagen, dass diese ganze älteste Musikgeschichte, die sich vor 1700 ereignet hat - das ist für uns immer noch neue Musik. Ich würde mich mal soweit herauswagen zu sagen, dass Monteverdi für uns als Musikkultur entfernter ist zum 19. Jahrhundert hin und auch zum frühen 20. Jahrhundert, als die Verbindung von meinetwegen Bruckner und Stockhausen. Da kommt man viel leichter hin als von Bruckner zurück zu Monteverdi. Das sind echte Gegensätze. Was wir hier präsentieren, ist tatsächlich die Erfindung der Oper - das hat es so vorher nicht gegeben."
Bei den Aufführungen von Sir John Eliot Gardiner komme das Opernerlebnis aus dem Singen heraus, erklärt Hopp. "Also man merkt, diese frühe Intention, den Gesang ganz nach vorne zu stellen und das Drama aus dem Singen heraus zu entwickeln. Während wir heute ja einen Opernbegriff haben, der sehr viel komplexer ist, da ist Licht, Requisiten, Bühneneffekte, alles mögliche dabei."