Im Rahmen des Musikfest Berlin 2018 eröffnet das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin am 14. September um 20.00 Uhr im Konzerthaus Berlin unter der Leitung von Frank Strobel seine Saison 2018/2019.
"Ein Raum, in dem der Film sich bewegen kann"
"J'accuse" aus dem Jahre 1918 von Abel Gance ist der erste Anti-Kriegsfilm seiner Art. Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin präsentiert den Stummfilm unter der Leitung von Frank Strobel am 14. September im Rahmen des Musikfests im Konzerthaus Berlin.
Der Schriftsteller Émile Zola klagt 1898 in einem öffentlichen Brief an den damaligen französischen Präsidenten die skandalöse Verurteilung des jüdischen Offiziers Alfred Dreyfus an. 20 Jahre später, im letzten Jahr des Ersten Weltkriegs, greift Abel Gance den Titel für eine Dreiecksgeschichte einer Frau zwischen zwei Männern zu Zeiten des Krieges auf. Angeklagt wird dieses Mal nicht nur die Staatsmacht, sondern die gesamte Gesellschaft für ihr Verschulden des Elends durch den Krieg.
Ein Film, der seiner Zeit voraus ist
Zu erleben ist der Film nun in restaurierter Fassung, zu dem der ebenfalls aus Frankreich stammende Philippe Schoeller 2014 eine neue Filmmusik komponierte. Dirigent Frank Strobel schätzt den Film vor allem für die angesichts der Zeit überraschend modernen Filmtechniken wie Split-Screen, Überblendungen oder Spiegelungen.
Mit seiner Komposition bringt Philippe Schoeller eine neue Ebene hinein und versucht mit dem Blick des 21. Jahrhunderts eine Sprache dafür zu finden: "Philippe Schoeller hat versucht, einen Raum zu bilden, in dem der Film sich bewegen kann."
"Es ist wie ein Ping-Pong-Spiel"
Auch die Aufführung des Stummfilms mit dem Orchester ließe sich als beweglich beschreiben – zwar handelt es sich um ein durchkomponiertes Stück, doch ist es maßgeblich geprägt von Momenten des Dialogs zwischen dem Dirigenten und dem Komponisten. Schoeller befindet sich mit im Saal, führt Klangregie und kreiert eine Collage: ein virtueller Chor, der zuvor aufgenommen wurde, sowie überlagernde Orchesteraufnahmen dienen als Versatzstücke, die er live einspielt – stets im Kontakt mit Strobel.
Statt nur zu illustrieren, wird durch die Musik eine neue Ebene hinzugefügt, die kommentiert oder kontrapunktiert. Besonders eindrucksvoll geschieht dies in einer Szene mit 2.000 echten Soldaten, die für die Dreharbeiten Fronturlaub nahmen und danach in den Krieg zurückkehrten. "Was, glaube ich, gerade für die Leute in Frankreich damals ganz hart gewesen sein muss, ist, dass man nicht wusste, ob man plötzlich seine eigenen Angehörigen auf der Leinwand sieht, die dann vielleicht schon ums Leben gekommen waren", so Strobel.
Die 100 Jahre merke man dem Film nicht an. Auch heute sei das Thema noch aktuell, findet Strobel: "Der Film ist ein Fanal gegen den Krieg und gegen Gewalt." (jb)