"Moonrise Kingdom"

Von Hannelore Heider |
Suzy und Sam lieben sich und sie sehen nicht ein, getrennt zu werden. Sie sind zwölf Jahre alt, leben auf einer kleinen Insel und flüchten ins "Moonrise Kingdom", eine einsame Bucht. Die Erwachsenen verfolgen sie zwar, müssen aber am Ende einsehen, dass die Kleinen vernünftiger sind.
"Moonrise Kingdom" ist ein realer Ort, auch wenn die einsame Bucht an der Küste Neuenglands in der Sprache der Geologen einen ganz nüchternen Namen hat - aber genau darum geht es ja! Suzy und Sam, die beiden Helden in Wes Andersons neuem Film, haben die Bucht zu ihrem Königreich erkoren und sie sind auf der Flucht dorthin. Verfolgt werden sie von den wenigen Autoritäten der kleinen Insel, von Suzys Eltern (Bill Murray und Frances McDormand), dem Dorfsheriff (Bruce Willis), dem Chef des örtlichen Pfadfinderlagers (Edward Norton) und seinen eifrigen Scouts sowie einer Dame vom Jugendamt (Tilda Swinton).

Im weiteren Geschehen kommt auch noch die Pfadfindertruppe eines anderen Camps dazu, das von Harvey Keitel geführt wird. Erzählt wird uns die Geschichte vom Inselexperten (Bob Balaban), der das Jahr 1965 nennt, das den Bewohnern wegen eines großen Sturms und der sich genau zu diesem Zeitpunkt ereignenden, dramatischen Liebesgeschichte der beiden 12-Jährigen - Suzy und Sam - ewig in Erinnerung bleiben wird.

Wes Anderson beginnt seinen Film mit einer Führung durch ein Puppenhaus, in dem auf drei Etagen eines ehemaligen Leuchtturms Suzys kinderreiche Familie ihr exotisches Leben führt und damit wissen Anderson Fans, dass sie auch diesmal auf den geliebten Kosmos aus skurrilen Helden und witzigen Details nicht verzichten müssen. Suzys kleine Brüder hören klassische Musik, sie selbst beobachtet die Welt nur durch ein Fernglas, die Mutter ruft zum Essen mit einem Megafon und der Vater frönt seinen Depressionen.

Derweil im Pfadfindercamp nebenan trimmt Scout Master Ward seine Zöglinge auf eiserne Pflichterfüllung und Dorfsheriff Sharp pflegt eine sanfte Affäre mit Suzys Mum. Kein Leben für die beiden, die sich bei einer Dorfaufführung kennen gelernt, verliebt, hunderte von Briefen geschrieben und zur gemeinsamen Flucht ins Moonrise Kingdom verabredet haben. Sie sind bestens für das große Abenteuer gerüstet mit Luftgewehr, Kanu und Kompass. Für die Unterhaltung unterwegs sorgen Suzys Katze, Kassettenrekorder und Fantasybücher.

Nicht nur, dass sie durchaus in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt zu sichern, sie führen auch ernsthafte Gespräche über Poesie, Liebe und andere wichtige Dinge, die in der Erwachsenenwelt längst keine Rolle mehr spielen. Sie sind entschlossen, ihre Liebe und die Flucht in ein anderes Leben mit allen Mitteln zu verwirklichen und trotzen in turbulenten, urkomischen Szenen der Armada von Verfolgern. Die Natur selbst zürnt und schickt den großen Sturm und langsam verändert sich die Welt. Das macht Wes Andersons Film über den Spaß hinaus sehr anrührend, denn die Aussicht, zwei Liebende zu trennen und den elternlosen Sam in ein Waisenhaus zu schicken, bringt die Erwachsenen zur Einkehr.

Sie entdecken ihr menschliches Mitgefühl und dürfen sich so aus skurrilen Witzfiguren in reiche Filmhelden wandeln, für die Wes Anderson grandiose Darsteller gefunden hat. Der Film eröffnete als Weltpremiere den Wettbewerb der 65. Internationalen Filmfestspiele in Cannes.

USA 2012. Regie: Wes Anderson. Darsteller: Edward Norton, Bruce Willis, Bill Murray, Frances McDormand, Tilda Swinton, Harvey Keitel, Jared Gilman, Kara Hayward. Länge: 98 Minuten. Altersfreigabe ab 12 Jahren

Weiterführende Informationen:
Filmhomepage "Moonrise Kingdom"
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