Moraltheologe: Missbrauchsrisiko bei Schaffung von künstlichen Lebewesen
Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff hält die Gefahren der synthetischen Biologie für nicht abschätzbar. Das Risiko des Missbrauchs bei der Erschaffung von lebendigen Organismen sei hoch, sagte Schockenhoff im Vorfeld des Berliner Forums Bioethik.
Jan-Christoph Kitzler: Die Hoffnungen sind groß, das Forschungsfeld der synthetischen Biologie soll viele unserer ganz großen Probleme lösen. Zum Beispiel das Energieproblem, indem man Organismen baut, die massenhaft Wasserstoff herstellen, mit dem dann irgendwann mal unsere Autos fahren. Zum Beispiel das Nahrungsproblem, indem man ganz neue Pflanzen entwickelt, die auch in Wüstengegenden eine reiche Ernte abwerfen, und zum Beispiel in der Medizin, indem wir Bakterien kreieren, die neue Medikamente für uns herstellen. Weltweit sind Forscher zurzeit dabei, das Leben am Reißbrett zu entwerfen. Damit könnten wir uns die Erde auf eine ganz neue Weise untertan machen. Vielen ist nicht wohl bei dieser Vorstellung, doch kann man die Chancen, die sich bieten, ungenutzt lassen? Gott, wenn man denn an ihn glaubt, hat Konkurrenz bekommen, das ist heute Abend auch Thema in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, und auf dem Podium sitzt dann Eberhard Schockenhoff, Professor für systematische Theologie und Mitglied des Deutschen Ethikrates. Mit ihm bin ich jetzt in Freiburg verbunden. Guten Tag!
Eberhard Schockenhoff: Guten Tag!
Kitzler: Der Deutsche Ethikrat macht die synthetische Biologie zu seinem Thema – wie groß ist denn Ihre Sorge vor den Gefahren dieser Technik?
Schockenhoff: Es ist überhaupt schon eine offene Frage, wie neu die synthetische Biologie tatsächlich ist. Wenn man davon spricht, dass der Mensch nun neue Organismen schaffen könne, dann muss man zunächst daran erinnern, dass er ja keinesfalls etwas aus dem Nichts schafft, so wie das die Theologie und der christliche Glaube vom Schöpfungshandeln Gottes sagt, sondern es werden einfach vorhandene Stoffe genutzt und so neu kombiniert, dass daraus möglicherweise neue Organismen entstehen. Insofern ist das ein neuer Schritt, der über die Manipulation an bestehenden Organismen hinausgeht. Man kann tatsächlich sagen, dass der Mensch damit den Schritt vom Homo faber, der etwas herstellt, etwas produziert und dadurch seine Welt verändert, zum Homo creator, zu dem schöpferischen Menschen, der Neues schafft, vollzogen hat. Wie hoch das Gefahrenpotenzial ist, das lässt sich im Augenblick überhaupt nicht abschätzen. Sicherlich gilt auch hier, dass der Blick nicht allein auf die großen Ziele, die Lösung der Menschheitsprobleme, die Sie in der Anmoderation genannt haben, gerichtet sein darf, sondern dass natürlich auch das Missbrauchspotenzial, das Risikopotenzial eine ganz andere Einschätzung braucht, als wir das bisher bei toten Stoffen oder bei bestehenden Organismen, die nur verändert werden, haben. Denn immerhin, wenn es sich bei diesen neuen Organismen wirklich um Lebendiges handelt, dann haben sie auch die Fähigkeit, sich zu vermehren. Und das ist eine Gefahrendimension, die in eine andere Richtung führt.
Kitzler: Eine Urangst ist ja dabei zum Beispiel, dass man die Schöpfung, die man hervorbringt, irgendwann nicht mehr beherrschen kann. Kann man da überhaupt vorbeugen?
Schockenhoff: Das lässt sich aus jetziger, aus heutiger Sicht noch gar nicht sicher abschätzen, aber eine Minimalbedingung ist auf jeden Fall, dass man das, was man erzeugt, was man erschafft, auch weiterhin beherrschen kann. Das ist eine Minimalbedingung, sage ich, weil aus ethischer Sicht ist noch eine andere Sorge zu betrachten, dass nämlich dann die Grenze zwischen dem Leblosen und dem Lebendigen verschwindet. Das ist ohnehin eine Gefahr einer rein wissenschaftlichen Betrachtungsweise des Lebendigen, dass wir Lebendiges sozusagen im Zugriff des Erkennens dem assimilieren, was leblos ist. Wir beschreiben es in Begriffen des Leblosen, des Anorganischen. Und wenn man das nun auf das Lebendige überträgt, dann kommt das zu einer verzerrten Wahrnehmung. Es gibt nämlich nicht Lebendiges an sich, sondern Lebendiges gibt es immer nur als ein ganz konkret Lebendiges. Zum Lebendigen gehört einfach der Vorrang der Form vor dem bloßen Stoff, und darin liegt auf lange Sicht die größere Gefahr als nur die reinen sozusagen technischen Sicherheitsaspekte, dass unsere Einstellung zum Lebendigen und letztlich auch unsere humane Selbstverständigung eine andere wird, wenn wir im Lebendigen nur noch den eigenen Produkten begegnen.
Kitzler: Der Mensch selbst wird zum Schöpfer ganz neuer Lebensformen mit scheinbar unbegrenzter Kraft, der Bau von Leben wird zu einer Ingenieursaufgabe, und Leben wird zu einer Frage der Technologie. Was bedeutet das für das Selbstverständnis des Menschen?
Schockenhoff: Also im Lebendigen, etwa in einer Pflanze, in einem Tier, begegnet der Mensch ja schon einem Vorentwurf seiner selbst, und deshalb ist im Respekt, den er vor diesen Formen des Lebendigen erweist, auch etwas von der Achtung, die er seinesgleichen entgegenbringen sollte, angelegt. Und umgekehrt heißt das, je geringer dieser Respekt wird, je mehr er den sozusagen einfachen elementaren Formen des Lebendigen gegenüber in der Haltung, wie man einem Produkt gegenübertritt, begegnet, umso stärker ist auch die Gefahr, dass irgendwann einmal, wenn dieses ingenieurwissenschaftliche Verständnis auch auf den Menschen übertragen wird, der Mensch seinesgleichen nicht mehr mit Achtung begegnet, sondern eher mit dem Stolz über etwas, das er selbst hervorgebracht und hergestellt hat.
Kitzler: Ist der Respekt vor der Schöpfung, den Sie jetzt ansprechen, grundsätzlich in Gefahr, so nach dem Motto, ich sag es mal ein bisschen salopp: Wir können Tiere und Pflanzen ja ruhig aussterben lassen und später bauen wir sie eh wieder neu?
Schockenhoff: Also das sind jetzt sehr fantastische Spekulationen, so weit sind wir noch lange nicht. Es ist auch nicht die primäre Aufgabe der Ethik, immer sofort Gefahren am Horizont abzuzeichnen. Aber man muss sich in dem, was im Augenblick geschieht, in dem Schritt in eine synthetische Biologie, immer fragen, was man wirklich tut und ob man auch in der Lage sein wird, das gestiegene Verantwortungsgefühl zu garantieren. Dessen ist Bedarf, um die Gefahren des neuen Schrittes auf Dauer kontrollieren zu können.
Kitzler: Glauben Sie, dass es eine Konkurrenz geben könnte zwischen natürlichen Organismen und künstlichen Organismen? Was ist, wenn die Welt der künstlichen Lebewesen auf Dauer der Welt der natürlichen überlegen ist?
Schockenhoff: Wenn überhaupt der Schritt in die Erzeugung solcher Organismen ethisch vertretbar sein kann, dann nur, wenn man Vorsorge dafür trifft, dass sozusagen die Handlungsfähigkeit des Menschen gewahrt bleibt. Das ist ja der eigentliche Inhalt der ethischen Ordnung, dass der Mensch als sittliches Subjekt handlungsfähig ist und dass er damit auch die Überlegenheit über die materielle Welt, die ihm zur Gestaltung aufgegeben ist, nicht selbst sozusagen gefährdet, sondern dass er die materiellen Dinge auf sich hin ordnet und dass er in allem, was er tut, seine eigene Handlungsfähigkeit bewahrt. Das ist sozusagen das moralische Grundgebot, und deshalb darf dieses Szenario, das Sie jetzt gerade beschrieben haben, eigentlich aus ethischer Sicht nie entstehen.
Kitzler: Neues, bisher unbekanntes Leben verspricht uns die synthetische Biologie und die Lösung vieler Probleme. Über die ethischen Bedenken sprach ich mit dem Theologen Eberhard Schockenhoff. Er ist Mitglied im Deutschen Ethikrat. Vielen Dank dafür!
Schockenhoff: Bitte schön, einen schönen Tag!
Eberhard Schockenhoff: Guten Tag!
Kitzler: Der Deutsche Ethikrat macht die synthetische Biologie zu seinem Thema – wie groß ist denn Ihre Sorge vor den Gefahren dieser Technik?
Schockenhoff: Es ist überhaupt schon eine offene Frage, wie neu die synthetische Biologie tatsächlich ist. Wenn man davon spricht, dass der Mensch nun neue Organismen schaffen könne, dann muss man zunächst daran erinnern, dass er ja keinesfalls etwas aus dem Nichts schafft, so wie das die Theologie und der christliche Glaube vom Schöpfungshandeln Gottes sagt, sondern es werden einfach vorhandene Stoffe genutzt und so neu kombiniert, dass daraus möglicherweise neue Organismen entstehen. Insofern ist das ein neuer Schritt, der über die Manipulation an bestehenden Organismen hinausgeht. Man kann tatsächlich sagen, dass der Mensch damit den Schritt vom Homo faber, der etwas herstellt, etwas produziert und dadurch seine Welt verändert, zum Homo creator, zu dem schöpferischen Menschen, der Neues schafft, vollzogen hat. Wie hoch das Gefahrenpotenzial ist, das lässt sich im Augenblick überhaupt nicht abschätzen. Sicherlich gilt auch hier, dass der Blick nicht allein auf die großen Ziele, die Lösung der Menschheitsprobleme, die Sie in der Anmoderation genannt haben, gerichtet sein darf, sondern dass natürlich auch das Missbrauchspotenzial, das Risikopotenzial eine ganz andere Einschätzung braucht, als wir das bisher bei toten Stoffen oder bei bestehenden Organismen, die nur verändert werden, haben. Denn immerhin, wenn es sich bei diesen neuen Organismen wirklich um Lebendiges handelt, dann haben sie auch die Fähigkeit, sich zu vermehren. Und das ist eine Gefahrendimension, die in eine andere Richtung führt.
Kitzler: Eine Urangst ist ja dabei zum Beispiel, dass man die Schöpfung, die man hervorbringt, irgendwann nicht mehr beherrschen kann. Kann man da überhaupt vorbeugen?
Schockenhoff: Das lässt sich aus jetziger, aus heutiger Sicht noch gar nicht sicher abschätzen, aber eine Minimalbedingung ist auf jeden Fall, dass man das, was man erzeugt, was man erschafft, auch weiterhin beherrschen kann. Das ist eine Minimalbedingung, sage ich, weil aus ethischer Sicht ist noch eine andere Sorge zu betrachten, dass nämlich dann die Grenze zwischen dem Leblosen und dem Lebendigen verschwindet. Das ist ohnehin eine Gefahr einer rein wissenschaftlichen Betrachtungsweise des Lebendigen, dass wir Lebendiges sozusagen im Zugriff des Erkennens dem assimilieren, was leblos ist. Wir beschreiben es in Begriffen des Leblosen, des Anorganischen. Und wenn man das nun auf das Lebendige überträgt, dann kommt das zu einer verzerrten Wahrnehmung. Es gibt nämlich nicht Lebendiges an sich, sondern Lebendiges gibt es immer nur als ein ganz konkret Lebendiges. Zum Lebendigen gehört einfach der Vorrang der Form vor dem bloßen Stoff, und darin liegt auf lange Sicht die größere Gefahr als nur die reinen sozusagen technischen Sicherheitsaspekte, dass unsere Einstellung zum Lebendigen und letztlich auch unsere humane Selbstverständigung eine andere wird, wenn wir im Lebendigen nur noch den eigenen Produkten begegnen.
Kitzler: Der Mensch selbst wird zum Schöpfer ganz neuer Lebensformen mit scheinbar unbegrenzter Kraft, der Bau von Leben wird zu einer Ingenieursaufgabe, und Leben wird zu einer Frage der Technologie. Was bedeutet das für das Selbstverständnis des Menschen?
Schockenhoff: Also im Lebendigen, etwa in einer Pflanze, in einem Tier, begegnet der Mensch ja schon einem Vorentwurf seiner selbst, und deshalb ist im Respekt, den er vor diesen Formen des Lebendigen erweist, auch etwas von der Achtung, die er seinesgleichen entgegenbringen sollte, angelegt. Und umgekehrt heißt das, je geringer dieser Respekt wird, je mehr er den sozusagen einfachen elementaren Formen des Lebendigen gegenüber in der Haltung, wie man einem Produkt gegenübertritt, begegnet, umso stärker ist auch die Gefahr, dass irgendwann einmal, wenn dieses ingenieurwissenschaftliche Verständnis auch auf den Menschen übertragen wird, der Mensch seinesgleichen nicht mehr mit Achtung begegnet, sondern eher mit dem Stolz über etwas, das er selbst hervorgebracht und hergestellt hat.
Kitzler: Ist der Respekt vor der Schöpfung, den Sie jetzt ansprechen, grundsätzlich in Gefahr, so nach dem Motto, ich sag es mal ein bisschen salopp: Wir können Tiere und Pflanzen ja ruhig aussterben lassen und später bauen wir sie eh wieder neu?
Schockenhoff: Also das sind jetzt sehr fantastische Spekulationen, so weit sind wir noch lange nicht. Es ist auch nicht die primäre Aufgabe der Ethik, immer sofort Gefahren am Horizont abzuzeichnen. Aber man muss sich in dem, was im Augenblick geschieht, in dem Schritt in eine synthetische Biologie, immer fragen, was man wirklich tut und ob man auch in der Lage sein wird, das gestiegene Verantwortungsgefühl zu garantieren. Dessen ist Bedarf, um die Gefahren des neuen Schrittes auf Dauer kontrollieren zu können.
Kitzler: Glauben Sie, dass es eine Konkurrenz geben könnte zwischen natürlichen Organismen und künstlichen Organismen? Was ist, wenn die Welt der künstlichen Lebewesen auf Dauer der Welt der natürlichen überlegen ist?
Schockenhoff: Wenn überhaupt der Schritt in die Erzeugung solcher Organismen ethisch vertretbar sein kann, dann nur, wenn man Vorsorge dafür trifft, dass sozusagen die Handlungsfähigkeit des Menschen gewahrt bleibt. Das ist ja der eigentliche Inhalt der ethischen Ordnung, dass der Mensch als sittliches Subjekt handlungsfähig ist und dass er damit auch die Überlegenheit über die materielle Welt, die ihm zur Gestaltung aufgegeben ist, nicht selbst sozusagen gefährdet, sondern dass er die materiellen Dinge auf sich hin ordnet und dass er in allem, was er tut, seine eigene Handlungsfähigkeit bewahrt. Das ist sozusagen das moralische Grundgebot, und deshalb darf dieses Szenario, das Sie jetzt gerade beschrieben haben, eigentlich aus ethischer Sicht nie entstehen.
Kitzler: Neues, bisher unbekanntes Leben verspricht uns die synthetische Biologie und die Lösung vieler Probleme. Über die ethischen Bedenken sprach ich mit dem Theologen Eberhard Schockenhoff. Er ist Mitglied im Deutschen Ethikrat. Vielen Dank dafür!
Schockenhoff: Bitte schön, einen schönen Tag!