Trauer um Jo Cox
Nach dem tödlichen Angriff auf die Parlamentsabgeordnete Jo Cox hält die Politik in Großbritannien inne. Eine Woche vor dem Referendum über den Verbleib des Landes in der EU sagten die Vertreter beider Lager für Freitag alle Veranstaltungen ab. Der 52 Jahre alte Tatverdächtige soll psychisch krank sein.
Der Bruder des festgenommenen mutmaßlichen Mörders sagte dem "Daily Telegraph", der 52-Jährige habe eine Vorgeschichte psychischer Erkrankungen und sei in Behandlung gewesen. Er sei aber nicht als gewalttätig oder besonders politisch aufgefallen.
Ob die Tat im Zusammenhang mit der "Brexit"-Diskussion in Großbritannien steht, ist noch unklar. Nach Angaben eines Augenzeugen hatte der Mann "Großbritannien zuerst" gerufen, bevor er die Labour-Politikerin Jo Cox am Donnerstag im nordenglischen Birstall niederschoss und mit einem Messer attackierte. Cox erlag wenig später ihren schweren Verletzungen.
Dieser Mord könnte Europa verändern, vor allem aber Großbritannien. Innehalten, nachdenken, trauern – und Fehler erkennen. In Großbritannien wurde die Stimmung aufgeheizt, bis zur gefährlichen Glut,
kommentiert Andreas Meyer-Feist
(MP3).
Mahnwachen und Blumen
Die 41 Jahre alte Abgeordnete und zweifache Mutter war pro-europäisch eingestellt und setzte sich für den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union ein. Die Briten stimmen am 23. Juni in einem Referendum über einen möglichen Austritt ab. Nach der Bluttat setzten beide Wahlkampflager ihre Aktivitäten für den Rest des Tages aus. Auch für Freitag sagten sowohl Befürworter als auch Gegner eines "Brexit" alle Veranstaltungen ab. Premierminister David Cameron und andere führende britische Politiker zeigten sich erschüttert. Cameron würdigte Cox als "Politikerin mit großer Leidenschaft und großem Herzen". Labour-Chef Jeremy Corbyn sagte bei einer Mahnwache für seine getötete Parteikollegin: "Hass wird niemals Probleme lösen."
Vor dem Westminster-Palast legten in der Nacht zu Freitag Hunderte von Menschen Blumen ab und zündeten Kerzen an. Die Flaggen vor dem Regierungsgebäude in London wurden auf Halbmast gesetzt, um der ermordeten Politikerin zu gedenken.
Auch Reaktionen von Reker und Giffords
Über Twitter bekundeten auch zwei Politikerinnen ihre Trauer, die selbst Opfer von Attentaten waren: die US-Abgeordnete Gabrielle Giffords und Kölns parteilose Oberbürgermeisteirn Henriette Reker.
Reker wurde vor ihrer Wahl zur Kölner Oberbürgermeisterin niedergestochen. Der früher zur rechten Szene gehörende Angreifer erklärte, er habe damit ein Zeichen gegen Rekers Flüchtlingspolitik setzen wollen. Giffords überlebte 2011 einen Kopfschuss.
Welche Schuld haben Politiker?
Der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann warf auch die Frage nach der Schuld von Politikern an derartigen Attentaten vor: "Wenn englische Politiker, auch konservative Politiker wie Boris Johnson, hingehen und die EU mit Adolf Hitler vergleichen, dann darf man sich nicht wundern, wenn irgendwelche Wirrköpfe zur Selbstjustiz greifen", sagte Wellmann im Deutschlandfunk. Die "Brexit"-Kampagne müsste nun aufhören.
(nin/fun)