Mord im Niemandsland
Der Roman "Totenzimmer" bildet den Auftakt zu einer Thrillerreihe um die exzentrische Rechtsmedizinerin Maria Krause, die sich in Parks zu gespielten Vergewaltigungen verabredet. Normale Charaktere seien ihr einfach zu langweilig, sagt die dänische Autorin Susanne Staun.
Ein Sommerabend im Hafen von Kopenhagen. Susanne Staun empfiehlt als Snack eine dänische Spezialität: Smørebrød mit Kartoffeln. Klingt schrecklich, sagt sie, sei aber wirklich gut. Draußen auf der Straße kann sie ungestört rauchen, während sie ihren Werdegang skizziert: Erster Roman mit Ende 30. Davor: Studium der englischen Literatur, Journalistenausbildung in den USA und zehn Jahre lang Verfasserin von Disney-Comics. Wenn sie jetzt an einem Buch schreibt, sitzt sie diszipliniert jeden Morgen ab acht an ihrem Schreibtisch. Ihr Arbeitszimmer liegt außerhalb von Kopenhagen auf der Pferdefarm ihrer Großeltern. Ablenkungen gibt es dort nur wenige.
"Liste der Ablenkungen: der Drang, Scrabble zu spielen. Der Drang, noch mehr Scrabble zu spielen. Die Neugier auf interessante Updates - und Facebook ist wirklich der schlimmste Zeitdieb, den es je gab. Sonst nichts. Außer schlechte Stimmungen, aber das gilt ja für jeden."
Ungestört von ihrem Mann, einem deutschen Computerspezialisten aus München, und ihren zwei Kindern, schafft sie jeden Tag im Schnitt acht Seiten. Das Schreiben scheint ihr damit deutlich leichter zu fallen als das Lesen ihrer eigenen Texte.
"Ich kann meine eigenen Bücher nicht lesen, das finde ich furchtbar. - 'Wo kommt dieser Satz her? Hab ich das geschrieben? Das klingt entsetzlich.' - Ich kann das nicht lesen."
Regelrecht verschlungen hat sie dafür die Romane von Philip Roth. Der wütende Stil des Amerikaners ist für die 54-Jährige ein großes Vorbild. Auf dem Weg durch die Stadt, vorbei am Schloss Amalienborg, erinnert sie sich an ihre erste Zeit als freie Autorin Mitte der 90er-Jahre, als sie ihren Job beim Comicverlag aufgab.
"Ich wusste nicht, dass es finanziell in den ersten Jahren so hart sein würde. Ich habe kaum etwas verdient. Deshalb fing ich an, für Verlage zu übersetzen. In den ersten fünf Jahren habe ich jedes Jahr fünf bis sechs Romane übersetzt und ein Buch geschrieben. Wenn ich zurückschaue, weiß ich nicht, wie ich die Zeit dafür gefunden habe. Aber wir wissen ja alle, dass man umso mehr schafft, je mehr man zu tun hat."
Maria Krause, die Hauptfigur aus ihrem mittlerweile zwölften Roman "Totenzimmer", zieht am Anfang der Geschichte von Kopenhagen nach Odense, der größten Stadt auf der Insel Fünen. Der Eindruck, den Susanne Staun darin von Odense vermittelt, ist wenig schmeichelhaft. In ihrem Buch schildert sie die Stadt als enttäuschend und stillos.
"Nach "Totenzimmer" haben sich die Leute aufgeregt, dass ich nicht nett über ihre Stadt geschrieben habe. Das tut mir leid. Aber ich mochte sie halt nicht."
Auf der Suche nach Tatorten für die Verbrechen in ihrem Buch reiste Susanne Staun eine Woche lang quer durch Fünen. Fündig wurde sie im Süden, im Schlosshotel Hvedholm. Hinter dem Haupthaus des einstigen Adelssitzes erstreckt sich ein Innenhof, der an einen malerischen Teich grenzt. Die Abgeschiedenheit des Ortes scheint perfekt für einen unbemerkten Mord. Und außerdem ist Susanne Staun das alte Gemäuer ein bisschen unheimlich.
"Ich habe Angst vor der Dunkelheit, vor Geistern, obwohl ich nicht an sie glaube. Ich hab so ziemlich vor allem Angst."
In einer ähnlich abgelegenen Gegend, im Landhaus ihrer Großeltern, hat sie vor etwa 15 Jahren angefangen mit dem Schreiben. Auslöser dafür war eine Brücke, die über einen kleinen Bach zum Nachbargrundstück führt und die ihr Großvater eigenhändig gebaut hat.
"Ich hatte einen Streit in der Nachbarschaft über diese Brücke, der sich zu einer ganz absurden Auseinandersetzung entwickelte. Wenn ich nachts nicht schlafen konnte und mich immer noch ärgerte, saß ich da, trank Rotwein und schrieb: Er ist doof, ein Idiot, ich werde ihn umbringen und all so was. Ich habe das drei Monate lang jede Nacht gemacht und merkte plötzlich: Oh, ich habe ein Buch geschrieben! Ich wollte nur meine Aggressionen loswerden, indem ich mir Szenen ausdachte, in denen ich zeigte, was für ein Idiot er war, und ich fand das wunderbar. Es war eine wunderbare Therapie."
Nach dem Einstieg in die Humorliteratur und Parodie, wandte sie sich schließlich dem ernsten Thriller zu.
"Der Unterschied zwischen einem Krimi und einem Thriller liegt für mich darin, dass in einem Krimi Dinge passieren, die die Handlung vorwärts treiben. In einem Thriller hat jemand ein Problem und dadurch wird er verstrickt in Angelegenheiten, die er selbst zu lösen wünscht. Das ziehe ich vor, weil es in der Literatur für mich um Menschen geht. Krimis sind mehr wie Sudokus. Das interessiert mich überhaupt nicht."
Stattdessen offenbaren ihre Bücher ein Interesse für extreme Charaktere. Ihre Hauptfigur Maria Krause ist eine Außenseiterin, die sich in Parks zu inszenierten Vergewaltigungen mit Fremden verabredet. Susanne Staun weiß, dass diese Figur nicht überall gut ankommt.
"Viele denken, die Figur ist übertrieben. Dabei denkt sie nur laut. Wenn wir unsere Gedanken unzensiert äußern würden, wie viele von uns würden dann noch ganz gesund klingen?"
Kein Wahnsinn, aber eine gute Portion Impulsivität ist auch Susanne Staun nicht fremd. Ein bisschen sind ihre Figuren deshalb auch wie sie.
"Ich mag extreme Charaktere, weil normale Leute langweilig sind."
"Liste der Ablenkungen: der Drang, Scrabble zu spielen. Der Drang, noch mehr Scrabble zu spielen. Die Neugier auf interessante Updates - und Facebook ist wirklich der schlimmste Zeitdieb, den es je gab. Sonst nichts. Außer schlechte Stimmungen, aber das gilt ja für jeden."
Ungestört von ihrem Mann, einem deutschen Computerspezialisten aus München, und ihren zwei Kindern, schafft sie jeden Tag im Schnitt acht Seiten. Das Schreiben scheint ihr damit deutlich leichter zu fallen als das Lesen ihrer eigenen Texte.
"Ich kann meine eigenen Bücher nicht lesen, das finde ich furchtbar. - 'Wo kommt dieser Satz her? Hab ich das geschrieben? Das klingt entsetzlich.' - Ich kann das nicht lesen."
Regelrecht verschlungen hat sie dafür die Romane von Philip Roth. Der wütende Stil des Amerikaners ist für die 54-Jährige ein großes Vorbild. Auf dem Weg durch die Stadt, vorbei am Schloss Amalienborg, erinnert sie sich an ihre erste Zeit als freie Autorin Mitte der 90er-Jahre, als sie ihren Job beim Comicverlag aufgab.
"Ich wusste nicht, dass es finanziell in den ersten Jahren so hart sein würde. Ich habe kaum etwas verdient. Deshalb fing ich an, für Verlage zu übersetzen. In den ersten fünf Jahren habe ich jedes Jahr fünf bis sechs Romane übersetzt und ein Buch geschrieben. Wenn ich zurückschaue, weiß ich nicht, wie ich die Zeit dafür gefunden habe. Aber wir wissen ja alle, dass man umso mehr schafft, je mehr man zu tun hat."
Maria Krause, die Hauptfigur aus ihrem mittlerweile zwölften Roman "Totenzimmer", zieht am Anfang der Geschichte von Kopenhagen nach Odense, der größten Stadt auf der Insel Fünen. Der Eindruck, den Susanne Staun darin von Odense vermittelt, ist wenig schmeichelhaft. In ihrem Buch schildert sie die Stadt als enttäuschend und stillos.
"Nach "Totenzimmer" haben sich die Leute aufgeregt, dass ich nicht nett über ihre Stadt geschrieben habe. Das tut mir leid. Aber ich mochte sie halt nicht."
Auf der Suche nach Tatorten für die Verbrechen in ihrem Buch reiste Susanne Staun eine Woche lang quer durch Fünen. Fündig wurde sie im Süden, im Schlosshotel Hvedholm. Hinter dem Haupthaus des einstigen Adelssitzes erstreckt sich ein Innenhof, der an einen malerischen Teich grenzt. Die Abgeschiedenheit des Ortes scheint perfekt für einen unbemerkten Mord. Und außerdem ist Susanne Staun das alte Gemäuer ein bisschen unheimlich.
"Ich habe Angst vor der Dunkelheit, vor Geistern, obwohl ich nicht an sie glaube. Ich hab so ziemlich vor allem Angst."
In einer ähnlich abgelegenen Gegend, im Landhaus ihrer Großeltern, hat sie vor etwa 15 Jahren angefangen mit dem Schreiben. Auslöser dafür war eine Brücke, die über einen kleinen Bach zum Nachbargrundstück führt und die ihr Großvater eigenhändig gebaut hat.
"Ich hatte einen Streit in der Nachbarschaft über diese Brücke, der sich zu einer ganz absurden Auseinandersetzung entwickelte. Wenn ich nachts nicht schlafen konnte und mich immer noch ärgerte, saß ich da, trank Rotwein und schrieb: Er ist doof, ein Idiot, ich werde ihn umbringen und all so was. Ich habe das drei Monate lang jede Nacht gemacht und merkte plötzlich: Oh, ich habe ein Buch geschrieben! Ich wollte nur meine Aggressionen loswerden, indem ich mir Szenen ausdachte, in denen ich zeigte, was für ein Idiot er war, und ich fand das wunderbar. Es war eine wunderbare Therapie."
Nach dem Einstieg in die Humorliteratur und Parodie, wandte sie sich schließlich dem ernsten Thriller zu.
"Der Unterschied zwischen einem Krimi und einem Thriller liegt für mich darin, dass in einem Krimi Dinge passieren, die die Handlung vorwärts treiben. In einem Thriller hat jemand ein Problem und dadurch wird er verstrickt in Angelegenheiten, die er selbst zu lösen wünscht. Das ziehe ich vor, weil es in der Literatur für mich um Menschen geht. Krimis sind mehr wie Sudokus. Das interessiert mich überhaupt nicht."
Stattdessen offenbaren ihre Bücher ein Interesse für extreme Charaktere. Ihre Hauptfigur Maria Krause ist eine Außenseiterin, die sich in Parks zu inszenierten Vergewaltigungen mit Fremden verabredet. Susanne Staun weiß, dass diese Figur nicht überall gut ankommt.
"Viele denken, die Figur ist übertrieben. Dabei denkt sie nur laut. Wenn wir unsere Gedanken unzensiert äußern würden, wie viele von uns würden dann noch ganz gesund klingen?"
Kein Wahnsinn, aber eine gute Portion Impulsivität ist auch Susanne Staun nicht fremd. Ein bisschen sind ihre Figuren deshalb auch wie sie.
"Ich mag extreme Charaktere, weil normale Leute langweilig sind."