Literaturhinweis:
Kerstin Signe Danielsson, Roman Voosen: "Die Taten der Toten"
Ein Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss
Kiwi, Köln 2020
480 Seiten, 12 €
Ein Schlussstrich und kein Ende
12:06 Minuten
Vieles bleibt fragwürdig im Mordfall Olof Palme, auch nach dem verkündeten Ende der 34 Jahre langen Ermittlungen. Das schwedische Trauma werde erhalten bleiben, sagt der Krimiautor Roman Voosen.
Der Mord am schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme im Februar 1986 hinterließ ein Trauma in der schwedischen Gesellschaft und viele Fragen zu Täterschaft, Motiv und Hintergründen. Nach 34 langen Jahren benannte heute die schwedische Staatsanwaltschaft den mittlerweile verstorbenen Täter und erklärte die Ermittlungen für beendet.
Kommentatoren führender schwedischer Zeitungen äußerten daraufhin große Zweifel an den präsentierten Ergebnissen und betrachten den Fall weiterhin als ungeklärt. Das schwedisch-deutsche Krimiautorenpaar Kerstin Signe Danielsson und Roman Voosen beschäftigt sich in ihrem ebenfalls heute erschienenen neuen Buch mit dem Mordfall Palme.
Medien attestieren den Ermittlern totales Versagen
Voosen sagt, er habe den Eindruck, dass Schweden das Trauma erhalten bleibe. "Das Medienecho nach der Pressekonferenz war vernichtend." Die Begriffe, die in Tageszeitungen und im Fernsehen gefallen seien, bewegten sich zwischen "totaler Havarie", "Fiasko" und "Skandal". Die interessierte Öffentlichkeit sei zum Großteil enttäuscht über die dürftige Beweisführung, die präsentiert worden sei.
"Dem Staatsanwalt und dem Ermittlungsleiter ist es nicht ansatzweise gelungen, den Verdächtigen Stieg Engström plausibel mit der Tat zu verknüpfen. Es gibt keinen einzigen gerichtsfesten, technischen Beweis, keine Mordwaffe, keine DNA-Spuren, keine eindeutigen Zeugenaussagen. Im Grunde wurden heute dieselben Thesen wiederholt, die vor zwei Jahren schon von einem Investigativjournalisten in einem Buch veröffentlicht worden sind."
Verwirrung durch massenhaft Ermittlungsmaterial
Die Masse an Material zum Fall sei unüberschaubar. Es gebe über 130 Publikationen, 250 Regalmeter polizeiliches Aktenmaterial und einen tausendseitigen parlamentarischen Untersuchungsbericht, der die Mängel bei den Ermittlungen fein herausgearbeitet habe. Je tiefer man sich in die Materie hineinbegebe, desto verwirrender erscheine alles in diesem Fall und desto mehr verliere man das Ziel aus den Augen.
"Ich glaube, das ist das große Dilemma dieser über 30 Jahre dauernden Ermittlungen: dass sie so groß geworden sind, über 100.000 Hinweise sind eingegangen." Dadurch würden die nachvollziehbaren Dinge unter einer Masse an Unwichtigem begraben. "Da die richtige Spur zu finden, das war für die Ermittler mit Sicherheit keine leichte Aufgabe, und diese Hilflosigkeit schien heute in der Pressekonferenz sehr deutlich durch", so Voosen.
Die Recherchen, die der verstorbene Journalist und Schriftsteller Stieg Larsson vor Jahren zu dem Fall betrieben hatte, seien für das neue Werk des Autorenpaars Danielsson/Voosen eine große Inspiration gewesen. Diese Recherchen hatten damals in rechtsradikale Kreise geführt.
Symbolfigur einer goldenen schwedischen Epoche
Er möchte sich persönlich aber nicht darauf festlegen, dass rechtsradikale Kreise dahintersteckten, sagt Voosen. "Es ist auch nicht auszuschließen, dass Engström tatsächlich der Täter war. Aber wenn er es war, ist es bisher – allen kritischen Beobachtern zufolge – nicht gelungen, ihm das plausibel nachzuweisen. Das ist natürlich ein sehr unschöner und unbefriedigender Abschluss. Ich glaube sehr stark, dass dieses Land ein besseres Ende verdient hat."
Olof Palme sei ein Symbol gewesen für eine sehr bemerkenswerte und erfolgreiche schwedische Epoche mit starkem Sozialstaat, Chancengleichheit und sozialer Gerechtigkeit, sowie außenpolitischer Bedeutung. Dass dieser Staat an der Aufklärung des Mordes gescheitert sei, sei tragisch. "Diese Wunde in der nationalen Seele hat im Moment wenig Chancen, zu heilen", resümiert Voosen.
Er glaube, es wäre für die Menschen annehmbarer gewesen, wenn die Ermittlungsbehörden ein Scheitern eingestanden hätten, anstatt einen Schuldigen zu präsentieren, ohne den Nachweis dieser Schuld antreten zu können.
(rja)