Mordsvergnügen - Warum lieben wir Krimis?

Lange galten Krimis als Trash, als die Schmuddelkinder des Literaturbetriebes. Ihre Fans wurden belächelt, "Schund" zu lesen – allenfalls Klassiker wie Agatha Christie, Dashiell Hammett oder Philip Marlowe waren gesellschaftsfähig. Das hat sich gründlich geändert, Krimis werden in den Feuilletons besprochen, es gibt Krimi-Bestellerlisten, Krimipreise, Krimifestivals. Und auch auf der Leipziger Buchmesse gehören Autoren von Krimis und Psychothrillern zu den Publikumslieblingen.
Einer der bekanntesten deutschen Autoren ist Sebastian Fitzek. Seit 2006 schreibt der Jurist und Radiojournalist Psychothriller, die allesamt zu Bestsellern wurden, darunter "Die Therapie", "Amokspiel" oder zuletzt "Der Augensammler".

Die Faszination des Genres erklärt er mit der Ventilfunktion von Krimis:

"Warum machen wir es uns mit Serienmördern bequem auf dem Sofa? Das angstfreie Ambiente hilft, die eigenen Ängste zu verdrängen. Jeder hat ein gewisses Angstpotential, das wird dann verbraucht. Sie helfen uns, das Reale besser zu bestehen."

Brutale Gewaltdarstellung lehnt der 39-Jährige ab:

"Ich habe aber nicht für explizite Gewaltdarstellung übrig. Das interessiert mich auch nicht und im Fernsehen gucke ich auch eher weg. Mich interessiert die innere Welt, die Welt der Psyche. Das ist ähnlich wie bei der Tiefsee: Jeder weiß, sie ist vorhanden, wir können sie uns vage vorstellen, aber man war nicht da."''"

Der Vater einer fünfmonatigen Tochter unterscheidet je nach Härte der Thriller allerdings klar zwischen jungen und erwachsenen Lesern:

""Ich glaube, dass jeder erwachsene Mensch, der Ängste hat und viel erlebt hat, ein Ventil braucht, ein Buch oder ein Computerspiel."

Bücherlesen sei wie "Kino im Kopf". Erwachsene hätten in der Regel ein Instrumentarium, diese Bilder zu filtern – Jugendliche nicht unbedingt. Deshalb befürwortet er auch eine Altersgrenze für harte Psychothriller:

"Warum braucht ein 12-Jähriger schon solche Bücher?"

Sein Hauptziel sei die Unterhaltung:

"Aber nicht, dass ich nach 30 Seiten denke, da muss jetzt aber Blut fließen. Der zweite Grund ist, dass wir Antworten suchen: Warum gibt es das Böse? Wieso gibt es Serienmörder, die Frauen vergewaltigen und verstümmeln? Wir wollen nicht wahrhaben, dass Menschen böse geboren werden. Wir wollen irgendeine Erklärung, in der Kindheit muss etwas passiert sein, aber die Realität ist anders, es gibt Mörder, die nur wegen des Kicks töten. Und unsere Aufgabe ist es, das Grauen begreifbar zu machen."

Warum lieben wir also Krimis und Thriller? Diese Frage beschäftigt auch Thomas Wörtche seit mehr als drei Jahrzehnten. Der Literaturwissenschaftler gehört zu den bekanntesten Krimi-Experten Deutschlands und stellt auch im "Radiofeuilleton" regelmäßig Kriminalliteratur vor:

"Es gibt wahrscheinlich ein Bewusstsein, dass wir in ziemlich kriminellen Zeiten leben. Es gibt ´domestic violence`, wenn wir zum Italiener an der Ecke geben, kann es sein, dass er Schutzgeld abdrücken muss, bis hin zur großen Politik und Weltpolitik."

Dies alles könnten gute Krimis spiegeln. Was macht für ihn also einen guten Krimi aus?

"Es gibt keine Kriterien, außer, die, die man auch an die andere gute Literatur anlegen sollte: Dass sie gut geschrieben ist, irgendwo in der Realität angesiedelt sind oder meinetwegen auch im Märchen. Aber dass der Autor weiß, wovon er schreibt, dass allzu schlichte Weltbilder vermieden werden."

Was ist ein schlechter Krimi?

"Der langweilig ist, schlecht geschrieben, wenn er dummes Zeug erzählt, wenn er ein schlechtes Weltbild vermittelt, das an das Gute glaubt, dass Verbrechen aufklärbar wären."

Natürlich solle ein Krimi unterhalten:

"Aber Unterhaltung ist auch Haltung. Er soll unterhalten, aber intelligent, er soll reagieren auf die Zeit, spielen, auch spinnen. Literatur reagiert auch immer auf gesellschaftliche Entwicklungen."


"Mordsvergnügen – Warum lieben wir Krimis?"
Anlässlich der Leipziger Buchmesse diskutiert Stephan Karkowsky gemeinsam mit Sebastian Fitzek und Thomas Wörtche. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 – 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen über Sebastian Fitzek und Thomas Wörtche im Internet