Moritz Riesewieck: "Digitale Drecksarbeit"

Facebook vom Bösen erlösen

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Sogenannte "Content Moderatoren" sorgen überall auf der Welt dafür, dass unerwünschte Inhalte aus Facebook entfernt werden. © Foto: dpa / picture alliance, Cover: dtv
Moritz Riesewieck im Gespräch mit Christian Rabhansl |
Nicht Algorithmen löschen bei Facebook gewalttätige, pornografische oder politische verbotene Bilder. Sondern diese "digitale Drecksarbeit" erledigen echte Menschen. Zum Beispiel auf den Philippinen. Moritz Riesewieck hat diese Content-Moderatoren getroffen.
Ein Vater, der seine Tochter ermordet und ein Video davon veröffentlicht, oder IS-Terroristen, die ihre Folterszenen posten: Regelmäßig müssen gewalttätige oder pornografische Bilder aus Facebook gelöscht werden. Aber wer macht das eigentlich?
Der Autor und Theaterregisseur Moritz Riesewieck hat sich auf die Suche nach den digitalen Müllmännern und –Frauen begeben und ist in der philippinischen Hauptstadt Manila fündig geworden.

Jedes Video muss von Anfang bis Ende gesehen werden

"Sie sitzen täglich acht bis neun Stunden in so Arbeitsboxen und klicken ein Bild nach dem anderen durch, haben pro Bild ein paar Sekunden Zeit, bei Videos sind es ein paar Minuten", berichtete Riesewieck im Deutschlandfunk Kultur über die sogenannten Content-Moderatoren. Jedes Video müsse komplett angeschaut werden: "Weil es sein könnte, dass zum Beispiel eine Terrororganisation innerhalb diese Videos irgendwo etwas untergebracht hat. Und wenn sie das übersehen, dann sind sie ruckzuck ihren Job los. Das heißt, sie müssen sich tatsächlich so ein Enthauptungsvideo, wovon es da wimmelt, von vorne bis hinten anschauen."
Das sei für die Menschen schwer zu verkraften, aber ihnen bleibe keine Wahl, so Riesewieck. "Denn der Job ist mit ein bis drei Dollar die Stunde immer noch besser bezahlt als so manch anderer Drecksjob, den man dort in einem Entwicklungsland – Philippinen – machen kann." Die Content-Moderatoren hätten auch eine gewisse soziale Absicherung: "Sowas wie eine betriebliche Krankenversicherung und dergleichen."
Psychologisch hätten sie sich eine Art "religiöses Gerüst" geschaffen, das ihrem Job Sinn verleihe. "Sie haben so das Gefühl, sie sind so eine Art Nachfolger Jesu, der ja auch am Kreuz gestorben ist für die Sünde", sagt Riesewieck. "Und das, was sie machen – das ist eben auch Arbeit gegen die Sünden der Welt, also, sie fischen die Sünden der Welt aus dem Netz, sie tun das für uns und opfern statt dem Körper ihr Seelenheil dafür."

Für einen demokratischen Umgang mit der digitalen Öffentlichkeit

Für sehr problematisch hält Riesewieck, dass die Content Moderators auch politische Inhalte löschen. Das seien Entscheidungen, die eigentlich in Redaktionen stunden-, wenn nicht tagelang ausdiskutiert würden: "Und das wird da eben von Highschool-Absolventen, die ideologisch auch noch teils extrem indoktriniert sind, aussortiert", kritisiert der Autor mit Blick darauf, dass viele von ihnen Anhänger des philippinischen Diktators Duterte seien.
Ohnehin hält Riesewieck diese Art von Umgang mit problematischen Inhalten für schwierig: Hier werde Lösung durch Löschung ersetzt, sagt er und fordert: "Wir müssen vor allem begreifen: Wir haben mit Facebook eine digitale Öffentlichkeit, und wir müssen mit der genauso demokratisch umgehen, wie wir es mit der analogen Öffentlichkeit auch tun."

Über seine Recherche hat Moritz Riesewieck das Buch "Digitale Drecksarbeit. Wie Facebook & Co. uns von dem Bösen erlösen" geschrieben, das bei dtv erschienen ist. (256 Seiten, 16,99 Euro). Außerdem inszenierte Riesewieck den Stoff auch für die Theaterbühne. "Nach Manila" hatte im Juni im Stadttheater Dortmund Premiere.

(uko)
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