Morris und Höfer in der Kestnergesellschaft Hannover
In der Kestnergesellschaft Hannover gibt es zurzeit Ausstellungen von Sarah Moris und Candida Höfer. Es sind zwei gut inszenierte Ausstellungen, die inhaltlich Fragen aufwerfen, den Besucher aber mit optischen Reizen verwöhnen.
Willkommen in Los Angeles. In der Kestnergesellschaft ist ein kleines Kino eingerichtet, dort läuft über eine breite Leinwand der jüngste Film von Sarah Morris. In ständigem Wechsel erlebt der Zuschauer Straßen und Geschäftshäuser der langgestreckten Großstadt und auratische Bilder rund um die Oscar-Verleihung, sieht Stars wie Brad Pitt und John Travolta. Hollywood ganz nah.
Ob Traumindustrie oder normales Business: Der Film von Morris ist eine gleißende Studie zur Fassadenhaftigkeit von Los Angeles - und verfällt dabei ein wenig der Faszination dieser Stadt. Die 1967 geborene, international gefragte Künstlerin hatte sich ein klares Ziel gesetzt:
"Ich wollte einen Film und eine ganze Werkgruppe zum Thema Filmindustrie herstellen und über einen Ort, der ideologisch ist, viele Bilder von sich entwirft und so viele Geschichten erzählt. Eine Stadt, die sich gegen Menschen von außen abschottet. Eine Gesellschaft, die sich selber kontrolliert. Mein Interesse an der Architektur konzentriert sich auf die Zeichen von Macht und Ideologie."
In ihren filmischen Versuchen sieht Sarah Morris eine Erweiterung ihrer Kernarbeit, und das ist die Malerei. Und auch hier geht es ihr um urbane Erfahrung. Mit New York, Las Vegas, Washington und Miami hat sie sich schon beschäftigt, und nun – wie in ihrem Film - mit Los Angeles. Aus dem sozialen Erlebnis entwickelt sie in der Malerei eine ungegenständliche Formensprache. In früheren Arbeiten zu New York waren es Raster mit vielen kleinen Farbflächen – Bilder, denen man den Eindruck von Häuserfassaden mit unzähligen Fenstern noch ansehen konnte. Die Gemälde zu Los Angeles sind differenzierter, bieten ein mit Haushaltslack gemaltes Geflecht aus Linien und geometrischen Flächen - grellbunte Kompositionen, die entfernt an Verkehrsnetze, z.B. an U-Bahn-Pläne, erinnern. Bleibt die Frage, ob sich urbane Erfahrung in Sarah Morris’ Neo-Geo-Konstrukten verdichtet oder verflüchtigt. Die dunklen Seiten der Großstadt bleiben jedenfalls
ausgespart:
"Der Künstler sollte zweifellos die Rolle des Kritikers spielen, und sein Werk sollte Widerstand leisten. Aber es kann auch Momente der Erregung zeigen angesichts einer Stadt, ihrer Strukturen und der von ihr hervorgebrachten Menschen."
Mit öffentlichem Raum, genauer: mit Räumen, beschäftigt sich auf ganz andere Art auch Candida Höfer. Sie hat ihrer markanten Serie von Interieurs nun weitere großformatige Fotos hinzugefügt: einen Lesesaal in der zentralen Bibliothek von Prag, ein Foyer der Eidgenössischen Technischen Hochschule von Zürich, feudale Hotelzimmer, das Theater im Pariser Palais Garnier, die gediegenen Räume des Irischen Museums für moderne Kunst in Dublin und die repräsentative Innenarchitektur von Kunststiftungen. Doch nur auf einem dieser Fotos finden sich kleine Figuren, ansonsten sind die Räume menschenleer. Kein Problem für die Künstlerin: "Ich finde, auch wenn die Menschen nicht sichtbar sind, sind sie trotzdem wahrnehmbar."
Der Mensch ist hier in seiner Architektur präsent: seine Träume, seine Visionen. Candida Höfer zeigt viel Gespür für eigenwillige Perspektiven, begeistert sich am Licht und setzt die Formen und Farben exzellent ins Bild – hier eine blaue Wandverkleidung, dort ein Teppich in Magenta - und die Raumflucht des Palais Garnier schüchtert durch güldene Pracht geradezu ein. Höfer erzielt malerische Wirkung. War auf früheren Fotos dieser Serie auch manches irritierende Detail zu entdecken, galt der Blick auch mal einer Abstellkammer, so gewinnt auf ihren jüngsten Bildern das Erhabene endgültig die Oberhand, oft sind es Räume mit sakralem Charakter.
Höfer: "Mir ist natürlich auch aufgefallen, dass ich mich in letzter Zeit auf
Barock- oder schlossartige Räume, auf opulentere Orte also, konzentriert habe. Dagegen sind die auch in dieser Ausstellung gezeigten Fotos aus der Hochschule in Zürich sehr sachlich und klar, das ist eine andere Architekturzeit. Was ich eben sehr mag, das sind diese Gegensätze – auch hier in der Schau. Und die von Ihnen erwähnten Abstellräume haben natürlich auch eine gewisse Schönheit."
Zumal, wenn sie von Candida Höfer fotografiert werden. Selbst die funktionalen Hochschulräume von Zürich wirken überhöht. Diese ästhetisierten, meist menschenleeren Interieurs stehen in deutlichem Kontrast zu den frühen Arbeiten der Künstlerin, die bei Bernd Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert hatte. In den siebziger Jahren setzte sie sich in reportagehaften Schwarzweißfotos mit den in Deutschland lebenden Türken auseinander:
"Ich habe dann aber gemerkt, dass es nicht mein Thema ist. Und habe gleichzeitig gespürt, wie sehr der Raum als solcher mich interessiert, und meine Arbeit ohne die Menschen fortgesetzt."
Candida Höfers Interesse an Raumstudien zieht sich durch die Jahre: ob sie Bibliotheken fotografierte, Anlagen in Zoologischen Gärten oder in verschiedenen Teilen der Welt die "Bürger von Calais" aufsuchte, die Abgüsse von Rodins Skulpturengruppe.
In ihrer Serie mit Innenräumen werden konkrete soziale und politische Erfahrungen weitgehend ausgespart: Gern wüsste man mehr über die Zeitgenossen, die in den Lesesälen ihre Studien treiben, die die Museen besuchen oder sich in das pompöse Palais begeben. Diese Fotos schweigen sich aus - und sind zugleich beredt, wenn es um die Fazetten der Schönheit geht. Candida Höfer und Sarah Morris in der Kestnergesellschaft - zwei gut inszenierte Ausstellungen, die inhaltlich Fragen aufwerfen, den Besucher aber mit optischen Reizen verwöhnen.
Ob Traumindustrie oder normales Business: Der Film von Morris ist eine gleißende Studie zur Fassadenhaftigkeit von Los Angeles - und verfällt dabei ein wenig der Faszination dieser Stadt. Die 1967 geborene, international gefragte Künstlerin hatte sich ein klares Ziel gesetzt:
"Ich wollte einen Film und eine ganze Werkgruppe zum Thema Filmindustrie herstellen und über einen Ort, der ideologisch ist, viele Bilder von sich entwirft und so viele Geschichten erzählt. Eine Stadt, die sich gegen Menschen von außen abschottet. Eine Gesellschaft, die sich selber kontrolliert. Mein Interesse an der Architektur konzentriert sich auf die Zeichen von Macht und Ideologie."
In ihren filmischen Versuchen sieht Sarah Morris eine Erweiterung ihrer Kernarbeit, und das ist die Malerei. Und auch hier geht es ihr um urbane Erfahrung. Mit New York, Las Vegas, Washington und Miami hat sie sich schon beschäftigt, und nun – wie in ihrem Film - mit Los Angeles. Aus dem sozialen Erlebnis entwickelt sie in der Malerei eine ungegenständliche Formensprache. In früheren Arbeiten zu New York waren es Raster mit vielen kleinen Farbflächen – Bilder, denen man den Eindruck von Häuserfassaden mit unzähligen Fenstern noch ansehen konnte. Die Gemälde zu Los Angeles sind differenzierter, bieten ein mit Haushaltslack gemaltes Geflecht aus Linien und geometrischen Flächen - grellbunte Kompositionen, die entfernt an Verkehrsnetze, z.B. an U-Bahn-Pläne, erinnern. Bleibt die Frage, ob sich urbane Erfahrung in Sarah Morris’ Neo-Geo-Konstrukten verdichtet oder verflüchtigt. Die dunklen Seiten der Großstadt bleiben jedenfalls
ausgespart:
"Der Künstler sollte zweifellos die Rolle des Kritikers spielen, und sein Werk sollte Widerstand leisten. Aber es kann auch Momente der Erregung zeigen angesichts einer Stadt, ihrer Strukturen und der von ihr hervorgebrachten Menschen."
Mit öffentlichem Raum, genauer: mit Räumen, beschäftigt sich auf ganz andere Art auch Candida Höfer. Sie hat ihrer markanten Serie von Interieurs nun weitere großformatige Fotos hinzugefügt: einen Lesesaal in der zentralen Bibliothek von Prag, ein Foyer der Eidgenössischen Technischen Hochschule von Zürich, feudale Hotelzimmer, das Theater im Pariser Palais Garnier, die gediegenen Räume des Irischen Museums für moderne Kunst in Dublin und die repräsentative Innenarchitektur von Kunststiftungen. Doch nur auf einem dieser Fotos finden sich kleine Figuren, ansonsten sind die Räume menschenleer. Kein Problem für die Künstlerin: "Ich finde, auch wenn die Menschen nicht sichtbar sind, sind sie trotzdem wahrnehmbar."
Der Mensch ist hier in seiner Architektur präsent: seine Träume, seine Visionen. Candida Höfer zeigt viel Gespür für eigenwillige Perspektiven, begeistert sich am Licht und setzt die Formen und Farben exzellent ins Bild – hier eine blaue Wandverkleidung, dort ein Teppich in Magenta - und die Raumflucht des Palais Garnier schüchtert durch güldene Pracht geradezu ein. Höfer erzielt malerische Wirkung. War auf früheren Fotos dieser Serie auch manches irritierende Detail zu entdecken, galt der Blick auch mal einer Abstellkammer, so gewinnt auf ihren jüngsten Bildern das Erhabene endgültig die Oberhand, oft sind es Räume mit sakralem Charakter.
Höfer: "Mir ist natürlich auch aufgefallen, dass ich mich in letzter Zeit auf
Barock- oder schlossartige Räume, auf opulentere Orte also, konzentriert habe. Dagegen sind die auch in dieser Ausstellung gezeigten Fotos aus der Hochschule in Zürich sehr sachlich und klar, das ist eine andere Architekturzeit. Was ich eben sehr mag, das sind diese Gegensätze – auch hier in der Schau. Und die von Ihnen erwähnten Abstellräume haben natürlich auch eine gewisse Schönheit."
Zumal, wenn sie von Candida Höfer fotografiert werden. Selbst die funktionalen Hochschulräume von Zürich wirken überhöht. Diese ästhetisierten, meist menschenleeren Interieurs stehen in deutlichem Kontrast zu den frühen Arbeiten der Künstlerin, die bei Bernd Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert hatte. In den siebziger Jahren setzte sie sich in reportagehaften Schwarzweißfotos mit den in Deutschland lebenden Türken auseinander:
"Ich habe dann aber gemerkt, dass es nicht mein Thema ist. Und habe gleichzeitig gespürt, wie sehr der Raum als solcher mich interessiert, und meine Arbeit ohne die Menschen fortgesetzt."
Candida Höfers Interesse an Raumstudien zieht sich durch die Jahre: ob sie Bibliotheken fotografierte, Anlagen in Zoologischen Gärten oder in verschiedenen Teilen der Welt die "Bürger von Calais" aufsuchte, die Abgüsse von Rodins Skulpturengruppe.
In ihrer Serie mit Innenräumen werden konkrete soziale und politische Erfahrungen weitgehend ausgespart: Gern wüsste man mehr über die Zeitgenossen, die in den Lesesälen ihre Studien treiben, die die Museen besuchen oder sich in das pompöse Palais begeben. Diese Fotos schweigen sich aus - und sind zugleich beredt, wenn es um die Fazetten der Schönheit geht. Candida Höfer und Sarah Morris in der Kestnergesellschaft - zwei gut inszenierte Ausstellungen, die inhaltlich Fragen aufwerfen, den Besucher aber mit optischen Reizen verwöhnen.