Morten Traavik: "Liebesgrüße aus Nordkorea"

Impressionen aus einem rätselhaften Land

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Das Cover des Buches Liebesgrüße aus Nordkorea von Morten Traavik auf einem grafischen Hintergrund.
Nahaufnahmen aus einem abgeriegelten Land liefert der Künstler Morten Traavik. © Suhrkamp / Deutschlandradio
Von Nana Brink |
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Kein anderes Land der Welt ist für Außenstehende so schwer zu begreifen wie Nordkorea. Morten Traavik war norwegischer Kulturattaché in Pjöngjang und beschreibt das Alltagsleben in der Diktatur mit ironischem Blick.
Wer nur ist dieser "Mister Win"? Der Autor selbst bekennt, dass der Name im Koreanischen gar nicht existiert. Der Deckname steht für den "Reisekamerad, Dolmetscher, Organisator, Kooperationspartner, Krisenmanager, Drinking Buddy".
Die Beziehung muss tief gewesen sein, denn eine Verletzung bringt Morton Traavik schließlich dazu, seine Beziehung zu dem "Sehnsuchtsort rastloser, unangepasster Abenteurer" komplett abzubrechen. Was also ist passiert?
Der norwegische Künstler und "Extremdiplomat", wie er sich selbst nennt, reist zwischen 2008 und 2017 mehr als zwei Dutzend Mal in das abgeriegelte Land. Als Kulturattaché seines Heimatlandes wird er zwar systematisch von "Mister Win" und den nordkoreanischen Geheimdiensten überwacht, kann sich aber mehr als einmal seinen Aufpassern entziehen und durch die Straßen Pjöngjangs spazieren.

Kritiker nennen ihn "Kims Hofnarren"

Er schafft, was unmöglich schien: 2015 organisiert er das erste Rockkonzert auf nordkoreanischem Boden mit der ehemaligen jugoslawischen Band Laibach. Ein ebenso spektakulärer wie höchst umstrittener Auftritt. Kritiker im Westen nennen ihn daraufhin einen "Hofnarren des Kim-Regimes". In einem Interview kontert Traavik die Kritik mit den Worten: "Hofnarren waren bekanntermaßen die Einzigen, die sich über den Herrscher lustig machen durften."
Seine Reiseberichte in das "verschlossene und verschlüsselte" Land betitelt Traavik ironisch als "Liebesgrüßen aus Nordkorea". Sein Faible für den Propagandastaat begründet er zu Beginn des Buches. Endlich sei er in einem Land angekommen, in dem man so richtig "abschalten" könne. Schon bei der Einreise nehmen ihm finster dreinblickende Sicherheitskräfte das Handy ab, das er erst bei der Ausreise wiederbekommt: "Die Lebensschnur zum Westen ist gerissen."
Was folgt ist eine Reise durch Klischees, durch das Revolutionsmuseum in Pjöngjang mit seinen viereinhalb Ausstellungskilometern, rein in jenes überdimensionierte Mausoleum, in dem die Anführer der Kim-Dynastie aufgebahrt sind.
Die Verbeugung vor der Kim-Statue muss der Gast zwar nur andeuten. Die Blumen allerdings muss er obligatorisch niederlegen. Nur "Mister Win" scheint ab und zu etwas doppeldeutig zu lächeln. Natürlich erwartet man von einem Buch über Nordkorea diese Schilderungen, die sich überaus amüsant und augenzwinkernd lesen. Traavik holt seine Leser gern bei ihren Klischees ab.

Trotziger Nationalstolz bei seinem Bewacher

Interessant wird es, wenn der "Extremdiplomat" hinter die Kulissen blicken kann. Das tut er, wie er offen bekennt, indem er die "Propaganda-Sprache" seiner Aufpasser gnadenlos übernimmt. "Wenn die Höflichkeiten ausgetauscht sind, erfahre ich etwas über den Lebensstil meiner Gesprächspartner."
Morton Traavik reist auch in die Provinz, die sich ihm wie eine "leere Kulisse" darstellt, in der es kaum Menschen gibt und jede Menge trockene Felder. "Auf unseren Streifzügen durch neun von zwölf nordkoreanischen Provinzen konnte ich an meinen nordkoreanischen Gefährten immer wieder diesen leicht verletzten und trotzigen Stolz entdecken. Den Stolz auf eine Geschichte, eine Landschaft und eine Regierung, deren Schicksalsfäden so dicht miteinander verwoben sind, dass man sie nur noch mit einer Axt trennen kann."

Pjöngjang-Nudeln beim Gipfeltreffen

Ein anderes Bild zeigt sich ihm in der Hauptstadt, die beileibe nicht so trostlos monumental erscheint wie auf den bekannten Fernsehbildern. Auf seinen Streifzügen trifft er in den versteckten Bistros Nordkoreas Millennials mit ihren Smartphones (selbstredend ohne Zugang zu Google!). Er lauscht den Hymnen auf die herausragende nordkoreanische Küche und liefert das Rezept für "Kalte Pjöngjang-Nudeln".
Natürlich antizipiert Traavik, dass der Leser sofort an die Meldungen über die Hungersnöte im Land denkt, wenn er schreibt: "Auch in den oberen Schichten des Regimes haben die Pjöngjang-Nudeln Anhänger gefunden, und beim Gipfeltreffen zwischen Kim Jong-Un und dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-In im April 2018 wurden sie als nordkoreanischer Beitrag serviert." Ein Fan des nordkoreanischen Biers hingegen ist "Mister Win".
Wer aber nun ist "Mister Win"? Traaviks Aufpasser, "mein Schatten, dem ich vertraue"? Ihm schildert er seine Gefühle angesichts des Besuchs einer Militärparade oder wie er es nennt: "Massengymnastikveranstaltungen". Was am Ende zum Bruch mit "Mister Win" führte, bleibt allerdings im Dunklen. Wollte er ihn zum Überlaufen bewegen? "Ich bin wohl einen Schritt zu weit gegangen."

Morten Traavik: "Liebesgrüße aus Nordkorea. Ein Extremdiplomat berichtet"
Aus dem Norwegischen von Stefan Pluschkat
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
292 Seiten, 18 Euro

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